Valentino Rossi: Kommt Márquez als Partner in Frage?
Valentino Rossi
Es seht so aus, als habe Valentino Rossi den Machtkampf bei Yamaha gewonnen. Nach seiner Rückkehr von Ducati verhielt sich der neunfache Weltmeister gegen Jorge Lorenzo bemüht freundlich.
2014 besiegte er den Spanier in der WM-Gesamtwertung, 2015 führte er vom ersten bis zum letzten Rennen in der Tabelle, nur vor Silverstone rückte Lorenzo einmal ex-aequo mit Rossi auf Platz 1 vor.
Jetzt liess Lorenzo durchblicken, es sei bei Yamaha nicht mehr auszuhalten gewesen, Rossi habe immer alles überstrahlt, obwohl der Italiener in den letzten drei Jahren viel weniger Rennen gewonnen hat als er.
Rossi hat bei Yamaha seine Hausmacht genützt – und seine weltweite Popularität. Lorenzo fühlte sich extrem beleidigt, als Rossi den neuen Yamaha-Deal vor ihm unterschrieb, obwohl der Superstar mehr als acht Jahre älter ist – und sicher nicht die Zukunft darstellt.
Aber Lorenzo hat sich keinen Gefallen getan, als er nach dem Sepang-Drama und dem Zusammenstoss von Rossi und Márquez auf dem Podest die Daumen nach unten reckte und nachher offen eine Disqualifikation des Teamkollegen forderte.
Das gefiel dem Yamaha-Motor-Racing-Management nicht. Aus Lorenzo brach aber in Malaysia der ganze Frust hervor, denn er fühlte deutlich: Den Yamaha-Managern war ein Weltmeister Rossi lieber als ein Weltmeister Lorenzo.
Jetzt hat Lorenz die Konsequenzen gezogen – er fährt 2017 und 2018 bei Ducati. Die Italiener werden ihm zu Füssen liegen, sie haben seit 2007 (Stoner) keinen WM-Titel gewonnen.
Valentino, du bekommst für 2017 einen neuen Teamkollegen. Wer kommt in Frage?
Yamaha hat viele Möglichkeiten. Ich höre Namen wie Iannone, Vinales und Pedrosa, dazu gibt es junge Kandidaten, die aus der Moto2 kommen.
Manche Fans fragen sich, warum sich Yamaha nicht nach dem besten Fahrer der Welt umsieht. Warum kommt WM-Leader Marc Márquez nicht in Frage?
Erstens weiss ich nicht, welche Ziele Márquez hat. Ich weiss nicht, ob er bei Honda bleiben will oder ob er zu Yamaha wechseln will.
Dazu kommt, dass ich mit dieser Entscheidung nichts zu tun habe. Also ist das nicht mein Problem.
Wenn du in der Position von Yamaha-Renndirektor Lin Jarvis wärst, welchen Fahrer würdest du für 2017 statt Lorenzo verpflichten?
Ja, das ist eine gute Frage. Aber ich ahbe mit der Entscheidung nichts zu tun. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten. Es kommen starke Piloten mit Erfahrung in Frage oder schnelle, talentierte Rookies, die eine grosse Zukunft vor sich haben.
Aber es gibt auch Fahrer, die bereits Weltklasse sind. Ich bin für alle Kandidaten offen.
Ist die Entscheidung von Jorge für Ducati schwieriger gewesen als deine Entscheidung vor knapp sechs Jahren?
Das ist schwierig zu sagen. Mehr oder weniger lassen sich die Situationen vergleichen. Der einzige Unterschied: Ich war bei meinem Wechsel zu Ducati älter als Jorge. Aber er passierte zu einem ähnlichen Zeitpunkt der MotoGP-Karriere. Ich hatte vier Titel für Yamaha gewonnen, Jorge bereits drei.
Es sieht so aus, als habe sich die Ducati in den letzten Jahren deutlich verbessert. Das Bike ist konkurrenzfähig. Sicher, die Ducati unterscheidet sich stark von der Yamaha.
Aber ich kenne die fahrerischen Fähigkeiten von Lorenzo. Ich denke, er wird auch bei Ducati konkurrenzfähig sein.
Als du zu Ducati gegangen bist, hat Stoner in der Saison vorher drei Siege errungen. Jetzt hat Ducati seit fünfeinhalb Jahren nicht gewonnen.
Es ist schwierig zu beurteilen, auf welchem Level der Konkurrenzfähigkeit die Ducati jetzt befindet im Vergleich zu 2010. Denn heute sitzen andere Fahrer auf dem Motorrad als damals.
Was bei mir das Problem war: Es hat zwischen der Ducati und mir nie gefunkt. Fahrer und Motorrad haben nicht zusammengepasst.
Jetzt müssen wir herausfinden, wie gut Lorenzo und die Ducati zusammenpassen. Aber wie gesagt: Ich bin überzeugt, dass er 2017 sehr konkurrenzfähig sein wird.
Jorge Lorenzo hat gesagt, das Yamaha-Werksteam sei sehr stark auf dich ausgerichtet, das Interesse sei stark auf dich fokussiert. Ausserdem hast du den Vertrag vor ihm unterschrieben, was ihn geärgert hat. Fühlst du dich als Sieger eines Machtkampfs?
Für mich ist vorbildlich, wie gut es dem gesamten Yamaha-Management und allen Entscheidungsträgern im Team über all diese Jahre gelungen ist, Lorenzo und mich immer gleich zu behandeln. Yamaha hat uns zwei Topfahrer immer gut unter einen Hut gebracht. Wir wurden immer identisch behandelt. Unsere Bikes waren immer auf demselben Level.
Bereits 2008 konnte Lorenzo meinen Level erreichen, in seinem ersten Jahr bei Yamaha, für mich war es die fünfte Saison auf der M1.
Aber das ist nachher auch umgekehrt passiert. Als ich 2013 zurückkehrte, hat mich Yamaha genau so behandelt wie Lorenzo, obwohl er der aktuelle Weltmeister war. Die Betreuung bei Yamaha wurde immer fifty-fifty aufgeteilt. Das war der Schlüssel zum Erfolg des Teams.
Kannst du analysieren, wie sich die Ducati seit deiner Zeit geändert hat?
Als ich 2011 bei Ducati eingetroffen bin, hat sich das Motorrad stark von allen anderen Bikes unterschieden. Ducati hat ein anderes Konzept verfolgt als die Japaner. Danach hat sich Ducati entschieden, einen «normaleren» Weg einzuschlagen, zum Beispiel wurde das Karbonchassis durch ein Alu-Chassis ersetzt. Das war der richtige Schritt, wenn man sich die Performance von Ducati heute anschaut.
Aber als wir bei Ducati begonnen haben, hat es viel Zeit gebraucht, bis wir Erfahrung mit diesem Konzept gewonnen und das Projekt verbessert haben. Es sieht so aus, als sei das Motorrad von Jahr zu Jahr besser geworden. Und auf der Geraden war die MotoGP-Ducati schon historisch immer sehr schnell. Inzwischen hat sich auch das Turning verbessert. Seit zwei Jahren ist die Ducati im Qualifying und im Rennen konstant schnell.
Aber ich kann den Level von Ducati im Vergleich zu Honda und Yamaha nicht so genau einschätzen. Wenn Lorenzo die Ducati fährt, werden wir einen klareres Urteil abgeben können.