Sachsenring-GP: Neue Hürden, ungewisse Zukunft
Volle Tribünen auf dem Sachsenring: Und wie geht es jetzt weiter?
Nach den jüngsten Berichten auf SPEEDWEEK.com zur Situation des Motorrad-GP auf dem Sachsenring wagt sich der bisher sehr wortkarge und zurückhaltende SRM-Geschäftsführer Wolfgang Streubel, im Hauptberuf Bürgermeister von Gersdorf, allmählich aus seiner langjährigen Deckung.
Nachdem der Sachsenring-GP-Promoter jahrelang die finanzielle Situation der Sachsenring Rennstrecken Management GmbH schöngeredet und in allen Interviews von schwarzen Nullen und Ertragssteigerungen gesprochen hatte, hat SPEEDWEEK.com zu Pfingsten aufgedeckt: Die SRM GmbH hatte Ende 2013 Verbindlichkeiten in der Höhe von 1,2 Millionen Euro in der Bilanz stehen, Ende 2014 immer noch 775.000 Euro.
Dabei hatte die Sächsische Staatskanzlei unter Ministerpräsident Stanislav Tillich (CDU) den GP-Promoter über drei Jahre hinweg (2013 bis 2015) mit einer als Werbekampagne («So geht sächsisch») getarnten Subvention mit Zuschüssen von mehr als 2 Millionen Euro über Wasser gehalten.
Und die Ticketsteuer hatten die Kommunen nach dem Ausstieg des GP-Promoters ADAC Sachsen, der den WM-Lauf von 1998 bis 2011 veranstaltete, ebenfalls abgeschafft. So wurden die Betriebskosten des WM-Laufs zu Lasten der Steuerzahler reduziert.
Aber jetzt brennt in Sachsen der Hut. Falls die Staatskanzlei die Subventionen auf Drängen der Opposition einstellt, kommt die SRM GmbH finanziell ins Trudeln.
Wenn ADAC-Sportpräsident seine Drohung wahrmacht und den Grand Prix in absehbarer Zeit nach Hockenheim oder auf den Nürburgring verfrachtet, weil ihm das Hickhack unter den zerstrittenen Partnern in Sachsen auf die Nerven geht, dann verliert die SRM GmbH ihren wichtigen Geschäftszweck und ihre einzige ernsthafte Einnahmequelle.
Hermann Tomczyk hat einen Rückzug aus Sachsen in den letzten Jahren nie ausgeschlossen. Klar, die Dorna hält die Piste in Hohenstein-Ernstthal für den bestmöglichen deutschen Standort.
Aber der ADAC München als Vertragspartner entscheidet über den GP-Schauplatz, es muss einfach eine Piste mit FIM-GP-Homologation sein, und die bekommt auch der Lausitzring, Hockenheim und der Nürburgring sowieso.
Tomczyk will im neuen Fünf-Jahres-Vertrag mit der Dorna die Standortfrage offen lassen und dadurch die Sachsen offenbar unter Druck setzen.
«Wir gehen davon aus, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, warten aber seit Monaten auf die Vertragsentwürfe», sagte SRM-Chef Wolfgang Streubel heute kleinlaut gegenüber der Tageszeitung BILD. Und er fügte an: «Uns läuft die Zeit davon.»
Klar, denn seit dem WM-Lauf im Juli 2015 wird verhandelt, die Vertragspartner aus Sachsen sitzen aber im Gegensatz zu Tomczyk nicht am Verhandlungstisch mit der Dorna.
Nach den erschreckenden Bilanzzahlen, die SPEEDWEEK.com am Samstag öffentlich gemacht hat, stellen sich jetzt in Sachsen auch andere Institutionen die Frage, ob die kommunale SRM GmbH das 8-Millionen-Projekt Motorrad-GP überhaupt noch anständig und dauerhaft finanzieren kann.
Die Ursachen für die hohen GP-Kosten sind ja teilweise hanebüchen: Allein die Miet- und Errichtungskosten für die temporären Tribünen belaufen sich in fünf Jahren auf 3 bis 3,5 Millionen Euro!
Streubel stellt plötzlich die Verbindlichkeiten von 775.000 Euro aus der Bilanz 2014 nicht mehr in Abrede. Er betont aber: «Im Jahresabschluss 2015 sind wir nur noch bei 273.000 Euro.» Begriffe wie «Schulden» oder «Verbindlichkeiten» kommen dem schwer geprüften SRM-Chef offenbar schwer über die Lippen.
Dass der Traum von der schwarzen Null gründlich platzt, sobald die Subventionen gekürzt werden, will sich gar niemand ausmalen.
Jetzt sollen die Grundstückseigentümer ADAC Sachsen, Zweckverband Sachsenring und Verkehrssicherheitszentrum ihre Grundstückanteile an der Rennstrecke in einer gemeinsamen GmbH bündeln und dann für den Grand Prix an die SRM verpachten.
Aber selbst im Falle eines neuen fixen Fünf-Jahres-Vertrags kommen auf die SRM GmbH grosse finanzielle Brocken zu. Für einen neuen Streckenbelag, für zusätzliche Tribünen und die Verbesserung der Infrastruktur werden Kosten in der Höhe von ca. 13,5 Millionen Euro veranschlagt.
Die Sächsische Staatskanzlei, der Landkreis und all jene, die aus dem deutschen Motorrad-GP wirtschaftlichen Profit schlagen, sollen ihr Scherflein zum wirtschaftlichen Gelingen des WM-Laufs beitragen, hoffen die SRM-Verantwortlichen.
Diese Absicht verfolgt Streubel allerdings bereits seit drei oder vier Jahren.
Bisher ist er mit diesen Forderungen immer abgeblitzt.
Kein Wunder: Welcher Campingplatzbetreiber oder Hotelbesitzer macht schon freiwillig Zugeständnisse und entrichtet freiwillig eine GP-Abgabe, wenn der GP-Promoter in den Medien dauernd beschönigend von «Ertragssteigerungen» und «schwarzen Nullen» spricht?