Michelin in Spielberg: Warum wurde nie getestet?
Bei seinem Besuch beim Aragón-GP 2014 kündigte Michelin-Rennchef Nicolas Goubert an, man werde vor der Saison 2016 auf allen MotoGP-Pisten testen.
Michelin hat Bridgestone bekanntlich nach sieben Jahren für 2016 als Lieferant der Einheitsreifen abgelöst.
Das hat bisher nicht gerade immer klaglos funktioniert, bei Loris Baz platzte am zweiten Testtag im Februar in Sepang/Malaysia bei fast 300 km/h der Hinterreifen. Michelin stellte sich als unschuldig dar und mutmasste, das Avintia-Team habe nur 1,45 bar statt der vorgeschriebenen 1,5 bar in den Hinterreifen gepumpt.
Ein lächerlicher Vorwurf, fanden die Teams.
Beim dritten WM-Lauf in Las Termas/Argentinien löste sich im vierten freien Training bei Scott Redding am Hinterreifen die Lauffläche ab. Das Training wurde mit der roten Flagge gestoppt.
Am nächsten Tag vor dem Rennen gab es wieder hitzige Diskussionen über die Renndistanz im Trockenen. Michelin wollte zuerst den Beton-Hinerreifen vorschrieben, die Fahrer und Teams waren strikt dagegen. So wurde ein flag-to-flag-race mit Pflichtstopp zum Motorradwechsel (nach 9, 10 oder 11 Runden) vereinbart.
Eine gewisse Nachlässigkeit kann man Michelin auch im Zusammenhang mit dem GP von Österreich nicht absprechen. Dass sich dort im Grunde nur zwei Linkskurven befinden, stand seit einer Ewigkeit fest.
Und diese zwei Linkskurven befinden sind unmittelbar hintereinander, nachher wird wieder fast 1 min 15 sec lang geradeaus oder rechtsherum gefahren.
Auch dass ein neuer. extrem griffiger Belag aufgebracht worden war, ist keine Neuigkeit. Und dass der 4,3 km lange Red Bull Ring mit seinen vier Geraden und den schnellen Kurven die schnellste Piste des Kalenders werden würde, konnte man sich auch ausmalen. Ducati-Held Andrea Iannone erzielte bei seiner Bestzeit vor zwei Wochen einen Schnitt von 187,1 km/h.
Aber Michelin kam unvorbereitet oder zumindest mangelhaft vorbereitet nach Spielberg. Zwar hatte man KTM im Oktober 2015 beim Roll-out mit Reifen beliefert, aber dann bis zum 19,/20. Juli 2016 nie dort ernsthaft getestet.
Und was passierte?
«Nach 15 Runden sind große Gummistücke aus meinem Hinterreifen davon geflogen», schilderte Pramac-Ducati-Pilot Danilo Petrucci beim Spielberg-Test im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Sogar auf der linken Seite...»
Jetzt hoffen die Teams und Fahrer, Michelin werde bis zum Grand Pix in der Steiermark noch neue Mischungen und Konstruktionen aus dem Hut zaubern.
Die größte Befürchtung: Es wird wieder hitzebeständige, harte neue Reifen geben wie nach dem Argentinien-Dilemma.
Piero Taramasso, MotoGP-Projektleiter bei Michelin, erlebte die Reifen-Problematik in Österreich live mit. «Wir haben nützliche Informationen eingesammelt», sagte der Italiener. «Wir waren zum ersten Mal auf dem Red Bull Ring. Wir mussten also die Piste kennenlernen. Wir kamen mit unterschiedlichen Reifen zu diesem Test. Wir hatten zum Beispiel asymmetrische Vorderreifen vom Sachsenring dabei, dazu hatten wir Reifen vom Barcelona-GP, Reifen von Assen. Wir haben verschiedene Compounds und Konstruktionen probiert, um herauszufinden, welche sich am besten für diese neue GP-Piste eignen. Dieser Circuit ist recht schwierig, denn in Österreich haben wir nur zwei Linkskurven. Aber ich denke, wir haben wertvolle Daten mit nach Hause nehmen können.»
Seltsam: Es wäre zumindest für den Laien verwunderlich, wenn ein asymmetrischer Vorderreifen vom Sachsenring in Spielberg brauchbar wäre. Denn auf der deutschen Piste haben wir es mit drei Rechtskurven zu tun, sonst nur mit Linkskurven, in Spielberg mit sieben Rechtskurven. In Sachsen wurde also links am Vorderreifen deutlich härterer Compound verwendet als in Österreich erforderlich sein wird.
Die Fans, Teams und Fahrer hoffen, dass Michelin in Österreich Reifen ausliefert, die auch bei Hitze die 28-Runden-Renndistanz klaglos überstehen.