Ronald ten Kate: «Stefan Bradl, es ist wie ein Traum»
Ronald ten Kate
Das Ten Kate Racing-Team bestreitet seit 2001 mit Honda die Supersport-WM und hat seither neun Weltmeistertitel gewonnen.
Seit 2004 bildeten die Niederländer auch das offizielle Honda World Superbike Team, das allerdings erst einmal den WM-Titel gewann – 2007 mit James Toseland.
Aktuell liegen die Honda-Piloten Michael van der Mark und Nicky Hayden in der WM auf den Rängen 5 und 6. Für 2017 kommt eine neue Honda CBR1000RR Fireblade auf den Markt. Von diesem Motorrad versprechen sich die Japaner viel – auch von der neuen SBK-Fahrerpaarung mit Stefan Bradl und Nicky Hayden.
Teammanager Ronald ten Kate freut sich auf die Zusammenarbeit mit Stefan Bradl. Er ist voll des Lobes über seinen künftigen Schützling.
Ronald, es kam für einige Fans überraschend, dass sich das ten-Kate-Honda-Team und Michael van der Mark am Jahresende trennen. Ein niederländischer Topfahrer in einem niederländischen Team – das galt als unzertrennliche Paarung. Hat man sich auseinander gelebt?
Wir sind ein niederländisches Team, aber wir hatten in der Vergangenheit fast immer ausländische Piloten. Es war also ein Bonus, als wir Michael van der Mark engagieren konnten, einen Fahrer, der aus Holland kommt. Das passiert nicht alle Tage.
Aber wir wollen im Grunde immer die schnellsten Fahrer auf unseren Motorrädern.
Michael hat als junger Fahrer bei uns begonnen. Er ist zuerst zwei Jahre die European Superstock Championship für uns gefahren, dann zwei Jahre die Supersport-WM, er hat sie 2014 gewonnen. Seither bestreitet er bei uns die Superbike-WM.
Er ist das sechste Jahr bei uns, das ist ein langer Zeitraum. Und ab einem gewissen Zeitpunkt will sich ein Fahrer vielleicht in einem anderen Teams umsehen, sich eine andere Position suchen, einen anderen Weg gehen.
Man sagt, es braucht immer zwei Menschen, um sich zu verheddern.
Ausserdem: Es müssen immer beide Parteien völlig zufrieden sein, wenn man ein Agreement vereinbart. Wenn das nicht mehr klappt, muss man sich weiter bewegen und anders orientieren.
Es waren sechs unglaubliche Jahre mit Michael. Natürlich sind wir total happy mit dem, was wir gemeinsam erreicht haben. Wir hatten viele Erfolge, wir haben Holland den ersten Motorrad-Road-Racing-WM-Titel nach vielen Jahren beschert.
Das war alles gut. Aber man bewegt sich weiter. Man kann nicht erwarten, dass Michael bei uns fährt bis zur Pension.
Die Honda ist momentan keine echte Siegermaschine. Hatte van der Mark das Gefühl, das Gras sei grüner in Nachbars Garten? Kawasaki und Ducati waren bisher stärker? Kawasaki wirkt manchmal unschlagbar.
(Er lacht). Michael ist als Fahrer jung und sehr ambitioniert. Er will auf dem besten Paket sein, von dem er glaubt, dass er damit den Titel gewinnen kann. Wenn er glaubt, dass ihm ein anderes Team eine bessere Gelegenheit bietet, steht es ihm frei, das Team zu wechseln.
Aber ich kann nichts über seine Beweggründe und Gedankengänge sagen.
Nach sechs Jahren im selben Team will er vielleicht etwas anderes ausprobieren. Er kennt bisher nur ten Kate und Honda. Er kennt im Rennsport nur das Honda-Format.
Warst du überrascht, als sich Stefan Bradl plötzlich für einen Platz in einem Superbike-Team interessierte? Hast du erwartet, dass er in der MotoGP bleibt?
Wenn man berücksichtigt, das er mit 26 Jahren noch sehr jung ist, war es eine Überraschung, als wir hörten, er könnte verfügbar sein. Das ist ein großer Schritt für einen Fahrer in so einem Alter, von der MotoGP zu den Superbikes zu gehen. Das verlangt Mut und Tapferkeit.
Stefan ist sehr ehrgeizig. Er will an der Spitze des Feldes fahren. Wenn diese Möglichkeit aus vielen Gründen in der MotoGP fehlt, dann braucht es immer noch viel Mut, in eine Meisterschaft umzusteigen, von der er glaubt, dass er dort wieder an der Spitze mitmischen kann.
Die Fahrer, die von der MotoGP in die Superbike-WM kommen, sind üblicherweise viel älter. In der Vergangenheit haben wir Fahrer wie Max Biaggi, Carlos Checa, Marco Melandri oder zuletzt Nicky Hayden als Umsteiger erlebt. Sie waren alle gut in den Dreißigern.
Ich bin neugierig, wie sich ein so junger Fahrer an die WSBK anpasst und wie er sich dort entwickeln wird. Das wird interessant.
Für mich war es wie ein Traum, als wir erstmals von Stefan Bradl hörten.
Meine erste Reaktion war: «Hm.» Ich konnte es gar nicht glauben. Ich dachte, vielleicht streckt er nur ein bisschen seine Fühler zu den Superbike-Teams aus. Ich war nicht überzeugt, dass er wahrhaftig umsteigen will
Du hast einmal gesagt, die Verpflichtung von Stefan wird ein Schock für den Superbike-Paddock sein. Du traust ihm viel zu?
Als wir uns beim Assen-GP erstmals persönlich getroffen und uns seine Pläne angehört haben, wurde uns klar: Okay, das ist sehr ernsthaft.
Hast du die GP-Karriere von Bradl in den letzten Jahren verfolgt?
Wir haben natürlich mitverfolgt, wie er die Moto2-Weltmeisterschaft gewonnen hat. Da haben wir ihn sehr oft fahren gesehen.
In den ersten beiden MotoGP-Jahren bei LCR-Honda hat er sehr gute Resultate erzielt. In den letzten zwei Jahren haben wir Stefan meist in der zweiten Hälfte des Felds rumfahren gesehen. Er hat zuletzt sein Potenzial nicht zeigen können.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine Fähigkeiten als Rennfahrer in den letzten eineinhalb Jahren eingebüßt hat. Er hat einfach in den vergangenen Jahren nicht das Material gehabt, das man braucht, um an der Spitze mitzumischen.
Was erwartet ihr von Stefan Bradl in seiner ersten SBK-Saison? Wie rasch wird er sich an die Pirelli-Reifen, das neue Motorrad und das ungewohnte Format mit Superpole und je einem WM-Lauf am Samstag und Sonntag einstellen können?
Wir haben im Team ein klares Beispiel mit Nicky Hayden, der sich nach drei vier WM-Meetings in diesem Jahr bereits einwandfrei angepasst hatte. Die MotoGP-Fahrer gewöhnen sich normalerweise schnell um.
Je jünger der Fahrer ist, umso leichter fällt ihm normalerweise die Umstellung auf so einen Motorrad-Typ.
Es stimmt mich auch zuversichtlich, dass Stefan auf der Moto2-Maschine so außergewöhnliche Leistungen gezeigt hat. Denn die Moto2-Bikes bewegen sich auch stark, das sind keine so steifen Rennmaschinen wie die MotoGP-Bikes. Stefan ist in der Moto2-Saison 2011 so gut gefahren... Das beweist, dass er keine Angst hat, wenn sich das Motorrad in den Kurven stark bewegt. Denn das ist einer der größten Unterschiede zwischen MotoGP und Superbike; diese Maschinen bewegen sich, sie rutschen, wegen des Chassis, wegen der Reifen. Ein Superbike ist nicht ein so präzises Bike wie eine MotoGP-Maschine.