Stefan Bradl: Hat Honda den Tiefpunkt erreicht?
Stefan Bradl und Red Bull Honda erleben ein extrem schwieriges Wochenende
Eine Stunde vor dem ersten Rennen am Samstagnachmittag versammelten sich die Mitglieder des Superbike-Paddocks sowie viele Hundert Fans auf der Start-Ziel-Geraden in Donington Park für eine Schweigeminute in Gedenken an den tödlich verunglückten Nicky Hayden.
So etwas geht ans Gemüt.
«Die Schweigeminute war natürlich herb, wenn ich mich aufs Rennen konzentrieren soll», erzählte Stefan Bradl SPEEDWEEK.com. «Aber ich habe so viele Schwierigkeiten am Hals, dass ich gar keine Zeit hatte, an das zu denken. Ich bin froh, wenn wir dieses Wochenende irgendwie über die Runden kriegen. Was technisch momentan passiert, kann so nicht weitergehen.»
Zeitweise lag der Bayer in den Punkten, wurde dann aber immer langsamer, sieben Runden vor Rennende steuerte er seine CBR1000RR an die Red-Bull-Box: «In Kurve 1 hat irgendwas ausgesetzt, ich hatte einen Riesenslide hinten und dachte mir, was jetzt los ist. Dann hat die Elektronik einen Fehler oder so etwas erkannt, auf alle Fälle hatte ich keine Beschleunigung mehr, sobald ich das Motorrad in die Kurve legte und ans Gas ging. Es war keine Leistung mehr vorhanden. Sobald ich das Bike aufgerichtet hatte, ging es wieder.»
Bradl verwendet in Donington Park die Motorausbaustufe 17.1, die er bereits in Assen und Imola im Training zum Einsatz brachte, mit der er in England aber sein erstes Rennen fuhr.
Obwohl Hondas Motoren- und Elektronik-Partner Cosworth seit Monaten an dieser Spezifikation tüftelt, ist sie nach wie vor kaum fahrbar. «Ich musste im Rennen extrem vorsichtig sein, so kannst du nichts riskieren», hielt Bradl fest. «Die Traktionskontrolle und der Drehmomentverlauf arbeiten beim Gas aufdrehen gegeneinander, deshalb bin ich permanent so langsam. Da ist irgendwo im System der Hund begraben, da stimmt was nicht.»
Der Moto2-Weltmeister von 2011 weiter: «Meine Jungs schauen tief in die Daten, analysieren sie und versuchen das besser zu machen. Sie wissen aber nicht, was im Endeffekt das Resultat ist. Wir versuchen natürlich mit dem Drehmomentverlauf in höheren Drehzahlen Beschleunigung zu haben, das hat aber auch immer einen Einfluss auf den unteren Bereich des Drehmoments. Das ist das, wo wir sofort den Reifen zerstören. Wenn ich ans Gas gehe, ist viel zu viel Power vorhanden, obwohl ich nur 20 Prozent gebe. Die Traktionskontrolle arbeitet dann extrem und drosselt das alles – dann kannst dir vorstellen, wie man da drauf sitzt.»
Lassen sich diese Probleme auf dem Prüfstand lösen, wie es sich Cosworth und das Team erhofft haben? «Nein», unterstrich Bradl. «Das kannst du nicht auf dem Prüfstand ausprobieren, siehe das Problem jetzt wieder. Es fing schon am Freitag so an, dass das Motorrad so aggressiv war, dass ich jeden Schaltvorgang versuchte zu vermeiden. Alles arbeitet gegeneinander. Sobald ich schalte, haut es mir das Hinterrad um die Ohren – übertrieben gesagt. Alles, was wir bisher probiert haben, hat sich nicht rentiert. Schau dir den Reifen an: Es wären noch sieben Runden zu fahren gewesen und er ist zerfetzt. Das Team weiß ja selber nicht, was los ist. Sonst würden sie ja was verändern. Ich glaube, es ist ein großes Problem, dass sie die gesplitteten Drosselklappen nicht mehr haben.»
Das Team brütet jetzt über den Daten, um herauszufinden, weshalb Bradls Fireblade streikte.
Kommenden Mittwoch und Donnerstag testet das Red-Bull-Team mit Bradl in Misano, Unterstützung erhält er vom kurzfristig verpflichteten Testfahrer Michele Magnoni.