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Stefan Bradl traurig: «Wie kann ich das ausblenden?»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl: Er wird in Donington ein schwieriges Wochenende

Stefan Bradl: Er wird in Donington ein schwieriges Wochenende

Stefan Bradl ist tief betroffen. Er hat mit Nicky Hayden nicht nur seinen geschätzten Teamkollegen, sondern auch einen engen Freund verloren. «Aber der Rennsport geht weiter, das ist auch im Sinne von Nicky», sagt er.

Stefan Bradl fliegt morgen in der Früh nach Birmingham in England, wo am kommenden Wochenende in Donington Park das sechste Kräftemessen der Saison in der Superbike-WM stattfindet.

Es wird ein schwerer Gang für den 27-jährigen Bayer und das Red Bull Honda World Superbike-Team – so wenige Tage nach dem Tod des charismatischen amerikanischen Teamleaders Nicky Hayden.

Es fällt Stefan Bradl sichtlich schwer, über die letzten Tage zu sprechen, er wirkt erschüttert. Aber er sagt auch: «Am Montag war ich wirklich niedergeschlagen, sehr traurig und geschockt. Aber inzwischen bin ich gefasst. Es geht wieder.»

Stefan Bradl hat in seiner GP-Karriere schon die Todesstürze von Shoya Tomizawa 2010 in Misano und 2011 von Marco Simoncelli in Sepang miterlebt.

Aber der Tod eines Teamkollegen ist besonders schwer zu verarbeiten. Dass der fatale Unfall mit dem Rennrad passiert ist, ändert nichts an dieser tragischen Situation. Sie bleibt unbeschreiblich traurig, der Verlust für die Familie, Freunde und Fans ist unerträglich.

Stefan, wie schwierig war die letzte Woche für dich nach den erschütternden Nachrichten zum Rennradunfall von Nicky Hayden? Wie hat dich das Team auf dem Laufenden gehalten?

Ja, es war natürlich extrem. Ich war die ganze Zeit am Schauen und am News sammeln. Ich war die ganze Zeit total unruhig. Weil du auf Neuigkeiten wartest und damit rechnest, dass es positive Nachrichten sind.
Am späten Mittwochnachmittag, als das letzte Woche passiert ist, habe ich die Nachricht zuerst durch die sozialen Medien erfahren. Auf SPEEDWEEK.com habe ich dann zum ersten Mal gelesen, dass Lebensgefahr besteht.
Da hofft man natürlich anfangs auf ein medizinisches Wunder.
Am Mittwochabend hat mich dann Teammanager Ronald ten Kate angerufen. Er hat mir gesagt, dass es ein schlimmer Rennradunfall war, und dass die Verletzungen sehr, sehr ernsthaft sind.
Leider Gottes sind die Nachrichten nachher immer schlimmer und beunruhigender geworden. Am Donnerstag hat mich Ronald dann wieder angerufen. Da habe ich schon an seiner Stimme gemerkt, dass es sehr kritisch aussieht. Er war sehr bedrückt und niedergeschlagen.
Am Wochenende habe ich normal trainiert und den Grand Prix von Le Mans im Fernsehen verfolgt. Aber in Gedanken war ich natürlich die ganze Zeit bei Nicky und bei der Frage, was jetzt los ist und wie es mit seinem Zustand aussieht.

Wann ist dir bewusst geworden, dass es Nicky so schwer erwischt hat, dass man mit dem Schlimmsten rechnen musste?

Eigentlich am letzten Donnerstagabend, als mich Ronald zum zweiten Mal angerufen hat...
Du informierst dich aus den Medien... Aber wenn dich dann einer anruft, der Bescheid weiß, weil er direkt aus dem Krankenhaus informiert wird, und wenn du dann diese brüchige Stimme hörst, dann ist das noch einmal etwas anderes.

Und am Montagabend hat dich Ronald ten Kate über den Tod von Nicky informiert?

Ja, da war ich gerade mal eine Stunde offline. Da habe ich einen Anruf auf dem Handy gekriegt. Als ich den Namen von Ronald gesehen habe, habe ich eigentlich schon geahnt, was passiert ist.
Klar, die Situation war von Anfang sehr, sehr schlimm, vielleicht auch ausweglos, aber man hofft bis zuletzt auf die Kunst der Ärzte, auf ein medizinisches Wunder. Der Mensch hofft in solchen Fällen auf irgendeine Möglichkeit...
Aber als mir Ronald dann am Montag Bescheid gegeben hat, habe ich sofort gehört, dass er sehr traurig war. Das ist bei mir natürlich genau so gewesen.

Wie schwierig wird jetzt das Wochenende in Donington? Du sitzt vor und nach den Trainings in der Box, die andere Seite der Garage wird leer sein.

Ja, wie kann man das ausblenden? Ich weiß es nicht. Ich habe so eine Situation auch noch nie miterlebt.
Mein Gott, im Endeffekt, wird das für alle in der Superbike-WM kein normales Wochenende sein, für mich als Fahrer nicht, jedes einzelne Teammitglied hat damit zu kämpfen, die anderen Fahrer, viele Tausende Fans.
Ich muss irgendwie versuchen, so professionell wie möglich zu sein.
Der Rennsport geht weiter, so hart das auch klingen mag. Das normale Leben geht auch weiter.
Natürlich werden wir in Gedanken bei Nicky und seiner Familie sein.
Aber es wird im Sinne von Nicky und seiner Familie sein, wenn wir den Rennsport weiterhin betreiben, das wäre ihm am liebsten, das wäre auch in seinem Interesse gewesen. Wir werden alle versuchen, im Sinne von Nicky zu handeln.
Wenn ich in die Box komme und meinen Helm abnehme, dann wird dieser Augenblick und dieser Gedanke an Nicky immer präsent sein.
Aber sobald ich das Visier herunten habe, auf die Rennstrecke rausfahre und in meiner Konzentration bin, denke ich nicht mehr an das Drama, dann bin ich fokussiert und irgendwo abgelenkt.
Aber wie gesagt: Nicky war der beste und netteste Teamkollege, den ich je hatte. Wir haben uns schon vor dieser Saison immer ausgezeichnet verstanden.
Wir haben schon in der MotoGP-Zeit meistens unsere Motorhomes im Paddock nebeneinander geparkt. Auch wenn wir uns damals wie in diesem Jahr auf der Strecke nichts geschenkt haben.
In diesem Jahr ist Nicky jeden Tag auf mich zugekommen, egal ob es bei mir gut oder schlecht gelaufen ist. Er hat immer gefragt: «Hey, was ist los bei dir?» Und er hat dann erzählt, wie es bei ihm war.
Nicky war in dieser Hinsicht sehr offen.
Wir haben ja mit dem Motorrad bei den ersten Rennen ziemliche Probleme gehabt. Unsere Ergebnisse und unser technischer Stand, das ließ ja zu wünschen übrig. Das war bisher nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben. Nicky hat sehr viele Informationen gesammelt, bei seiner Crew, auch von mir, er hat alles aufgesaugt, was er kriegen konnte.
Wir haben uns gegenseitig sehr stark ausgetauscht, weil wir uns auch im Detail über die Dinge unterhalten haben, die wir auf der Rennstrecke mit dem Motorrad gespürt haben. Unsere Eindrücke und Informationen für die Techniker waren immer sehr ähnlich.

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