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Stefan Bradl: Das Ende des Honda-Superbike-WM-Deals

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl

Stefan Bradl

Red Bull Honda wird 2018 aller Voraussicht nach mit zwei neuen Piloten antreten. Leon Camier ist schon fix, Stefan Bradl macht den Weg frei für einen Nachfolger.

Das Tischtuch zwischen Honda Motor Europe und Stefan Bradl war seit Monaten zerschnitten.

Zuerst hat das Team Ende Juni die Option für 2018 nicht eingelöst, ohne Angabe von Gründen, dabei war immer von einer Zusammenarbeit über zwei Jahre die Rede gewesen.

Das Honda-SBK-Team hat 2016 mit van der Mark und Hayden in der WM die Ränge 4 und 5 erreicht, dazu den Sieg in Sepang von Nicky Hayden, insgesamt wurden zehn Podestplätze eingefahren
Mit der neuen Fireblade (18 kg leichter, 15 bis 20 PS stärker) sollte um den WM-Titel gekämpft werden.

Wir kennen das Motto: «Honda enters, Honda wins.»
Es hat viel von seiner Glaubwürdigkeit verloren – siehe Formel 1, Dakar-Rallye, Superbike-WM, Tourist Trophy.

Mit Partner Ten Kate hat Honda seit James Toseland in der Superbike-WM 2007 keinen Titelgewinn mehr zustande gebracht. Allein an den Fahrern kann es nicht gelegen haben, die waren fast immer erstklassig. Aber selbst Asse wie Johnny Rea, bei Kawasaki dreimal hintereinander Weltmeister, war im Ten-Kate-Honda-Team chancenlos und schaffte es nur einmal in der Endwertung auf Rang 3 (2014).

Wer aufmuckte und Kritik am Team oder Material übte, wurde abserviert – einst Leon Haslam, jetzt Bradl.

Bis Anfang November wurde Stefan Bradl jetzt hingehalten, ehe von Honda Motor Europe (HME) ein konkretes SBK-Angebot für die Saison 2018 eintraf.

Im Juli hieß es, Honda wolle zuerst seine Performance beim 8h-WM-Lauf in Suzuka abwarten, dann werde entschieden. Dabei war er für die Superbike-WM unter Vertrag genommen worden, nicht für die Endurance-WM.

Nachher hieß es, HME müsse auf das SBK-Budget aus Japan warten. Das lag aber in der ersten September-Woche auf dem Tisch. Trotzdem herrschte zwischen HME und Bradl bis Ende Oktober Funkstille, was konkrete Gespräche für 2018 betraf.

Inzwischen wurde von Honda SBK Operations Manager Marco Chini und Teamchef Ronald ten Kate längst die Motivation von Bradl in Frage gestellt.

Man warf ihm vor, er habe mit Marc VDS Honda über eine Rückkehr in die MotoGP-WM 2018 verhandelt.

Ja, richtig, aber es lag nie eine Absichtserklärung des Red Bull-Honda-Teams für 2018 auf den Tisch. Im Gegenteil: Bradl war ab Novemver 2017 quasi arbeitslos und las in Interviews nur kritische Äußerungen von Chini und ten Kate über sich.

Höchste Zeit also, um sich Gedanken über de Zukunft ohne HME zu machen.

Klar, Stefan Bradl konnte in Suzuka nicht fahren (Ohrenentzündung und Flugverbot), er verletzte sich auf einer Ölpfütze auf dem Lausitzring, er ist seit Portimão Mitte September außer Gefecht.

Fakt ist aber auch: Stefan Bradl lag zum Zeitpunkt von Nicky Haydens Tod in der WM vor dem Amerikaner, er hat mit Platz 6 in Assen das beste Saisonergebnis des Teams eingefahren, er hat sich durch technische Rückschläge (Motorschäden, hoffnungslose Cosworth-Elekronik, Dashboard kollabiert, überforderter Crew-Chief und so weiter) nicht entmutigen lassen.

Bradl hat beim Superbike-WM-Lauf in Portimão (16./17. September) den achten Startplatz erzielt, im ersten Rennen stürzte er an siebter Position.

Zum Vergleich: Takumi Takahashi und Davide Giugliano, beileibe keine Anfänger, lagen zuletzt in Jerez auf den letzten Startplätzen, sie verloren teilweise 3,1 Sekunden auf die Bestzeit, sie kassierten gemeinsam einen Punkt in den zwei Jerez-Rennen.

In Katar kam in den beiden Zeittrainings am Donnerstagabend weder Davide Giugliano noch Jake Gagne unter die Top-15.

Klar, 2018 wird es Fortschritte geben, dann wird man auf die Elektronik von Magneti Marelli umsteigen und wieder einmal eine neue Fahrerpaarung ausprobieren. Leon Camier ist fix, Loris Baz macht sich Hoffnungen auf den zweiten Platz, auch Sylvain Guintoli gilt als Kandidat, dazu eventuell Jake Gagne.

Stefan Bradl hat sich vor der Saison Hoffnungen auf Top-3-Plätze gemacht, Honda wollte um den Titel fighten.

Aber Nicky Hayden war bereits nach wenigen Rennen zutiefst frustriert. «Ich bin 35 Jahre alt, ich kann kein Jahr wegen einer Motorradentwicklung verlieren», knurrte er. Er wollte vor lauter Ärger deshalb nicht am 8h-Rennen in Suzuka teilnehmen und fragte sich manchmal, ob er die Saison angesichts der tristen Ergebnisse überhaupt zu Ende fahren sollte.

Stefan Bradl wunderte sich, als er beim Misano-Test (er begann am 31. Mai) erstmals einen Cosworth-Techniker in der Box sah, der allerdings auch keine Lösung für die Probleme für die Traktionskontrolle und so weiter fand. Cosworth bildete sich offenbar ein, den Motor zur Gänze auf dem Prüfstand entwickeln und konkurrenzfähig machen zu können.

Und das gegen einen Konkurrenten wie Magneti Marelli, der Kawasaki, Ducati, Yamaha und MV Agusta ausrüstet und Input von rund 70 Prozent der SBK-Piloten bekam. Nur Aprilia, BMW und Honda hatte keine Marelli-ECU, wir sprechen also von sieben Motorrädern.

Dazu kommt: In Japan gewann Honda mit der neuen CBR1000RR Fireblade SP2 mit Takahashi Rennen zur «All Japan Superbike Championship», er kämpfte um den Titel. Sein Bike ist mit einer Magneti-Marelli-Elektronik ausgerüstet, es wird von HRC aufgebaut, genau so wie das Motorrad für die «Suzuka Eight Hours», das dort Yamaha, Suzuki und Kawasaki ebenbürtig war.

Auch in etlichen nationalen Meisterschaften machte die neue Fireblade gute Figur – weil Cosworth nicht im Spiel war?

Trotzdem sagte Ronald ten Kate nach dem Superbike-WM-Lauf in Portugal im September: «Wir brauchen HRC nicht.»

Die Antwort eines ehemaligen Superbike-Weltmeisters, jetzt TV-Kommentator: «Das Ten Kate Team lebt in der Vergangenheit.»

Fakt ist: Die Zeitrückstände im Red Bull Honda-Team sind so groß wie am Saisonstart.

Marco Chini verlautbarte nach dem Jerez-Rennen, man habe jetzt die Entwicklung für 2017 eingestellt.

Welche Entwicklung?

Stefan Bradl wurde vom Team vorgeworfen, er habe dem Team nach seiner Verletzung in Portimão (skapholunäres Band am rechten Handgelenk beschädigt, das Mondbein und Kahnbein zusammenhält) keine ausreichenden medizinischen Updates über seine Genesung geliefert. Der Bayer bestreitet diesen Vorwurf energisch.

Das wirkt wie ein Vorwand zum Loswerden eines unliebsamen, aufmüpfigen Fahrers.

Stefan Bradl trägt es mit Fassung. «Ich hatte immer einen Plan B und einen Plan C», sagt er und spürt offenbar keinen starken Drang, sich noch einmal mit HME zu einigen. Er sieht keine Basis für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Wer 2018 sein Crew-Chief werden könnte, ist offen. Dino Acocella, der bis Mai für Hayden areitete und erst in Portugal zu Bradl abkommandiert wurde, steht nicht zur Verfügung. Er wird statt des abgesägten Pieter Breddels neuer Technical Director.

Stefan Bradl: Guter Draht zu HRC

Monatelang wurde dem siebenfachen GP-Sieger Stefan Bradl von HME vorgegaukelt, «die Japaner» seien von ihm enttäuscht.

In Wirklichkeit hat Stefan Bradl seit seiner LCR-Honda-Zeit (2012 bis 2014) einen ausgezeichneten Draht zu den japanischen HRC-Managern- und Technikern. Das zeigte sich beim Suzuka-8h-Test und in Portimão, wo Takahashi von einigen HRC-Technikern wie Makoto Nagayama begleitet wurde, mit dem Bradl bei LCR-Honda zusammengearbeitet hat.

Takahashis Aussagen über die SBK-Fireblade waren deckungsgleich mit den technischen Kommentaren Bradls.

Vielleicht hat Honda Motor Europe seinen diesjährigen Vertragspartner Bradl so lange hingehalten, weil sie vermuteten, bis dahin seien alle anderen Türen zugefallen.

Aber es ist nur die Türe bei Red Bull KTM zugefallen, wo der Moto2-Weltmeister von 2011 als MotoGP-Testfahrer für 2018 im Gespräch war zu einem Zeitpunkt, als der Platz von Bradley Smith wackelte und überlegt wurde, Mika Kallio zum Stammfahrer zu befördern.

Bradl lässt durchblicken, es existiere weiter eine interessante Möglichkeit mit einem anderen Hersteller in der Superbike-WM, es gibt auch zwei andere Projekte, aber die Tendenz geht ganz klar Richtung Testfahrervertrag für die MotoGP-WM 2018.

Livio Suppo, HRC-Manager und Repsol-Honda-Teamprinzipal, sagte beim Australien-GP zum Thema MotoGP-Testfahrer 2018: «Stefan hat viel Erfahrung in der MotoGP-Klasse, er hat unterschiedliche Fabrikate gefahren, wir haben mit ihm zusammengearbeitet, wir kennen ihn gut. Er ist also ganz sicher ein potenzieller, sehr interessanter junger Mann.»

Bradl wird als Experte für ServusTV zum Valencia-GP kommen und dort voraussichtlich weitere Details von HRC zum geplanten Testteam hören. Bisher ist kein anderer Fahrer als Kandidat durchgesickert. 

Wegen der MotoGP-Testbeschränkungen und immer mehr Rennen (19 statt 18) wird die Sinnhaftigkeit eines Testteams nach dem Vorbild von Ducati (Pirro, Stoner) und KTM (Kallio) immer wertvoller.

«Mika Kallio verlor nach der Saison 2015 seinen Moto2-Platz bei Italtrans und hat sich dann als KTM-MotoGP-Testfahrer bei den Teams wieder in Erinnerung gerufen», sagt Bradl. «Das ist ein Ansporn für mich. Vielleicht kann ich auf ähnliche Weise wieder für die MotoGP-WM 2019 ins Gespräch kommen.»

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