Millionenschätze hinter verschlossenen Türen
Seit Jahrzehnten ist Genesio Bevilacqua im Rennsport unterwegs, erst als besserer Hobbypilot, später als Teamchef. Aus dem Nichts baute er seit 1994 die Firma Althea Ceramica auf, später sein Rennteam. In der Superbike-WM wurde er 2011 mit Fahrer Carlos Checa und Ducati Weltmeister, seit 2016 ist er in der seriennahen Meisterschaft Partner von BMW und bringt nächstes Jahr Loris Baz an den Start.
Genesio ist ein Motorsport-Enthusiast vom Scheitel bis zur Sohle. Aus seiner langjährigen Sammelleidenschaft für Motorräder entstand die Idee, ein Museum zu erschaffen.
Zur Eröffnung der Ausstellung «Moto dei Miti», bewegende Mythen, lud der 57-Jährige neben einer guten Handvoll italienischer Journalisten nur drei internationale ein: Neben dem Autor dieser Zeilen noch MCN-Sportchef Michael Guy aus England und SPEEDWEEK-Mitarbeiter Gordon Ritchie aus den schottischen Lowlands.
Treffpunkt war der Flughafen Fiumicino, 30 Fahrminuten südwestlich der ewigen Stadt Rom. Dort erwartete uns ein Chauffeur mit schwarzem BMW X5, leger gekleidet mit Turnschuhen, Sportsakko und angesagter giftgrüner Sonnenbrille. Die Fahrt nach Civita Castellana dauerte ungefähr 90 Minuten, führte auf der Ringstraße westlich um Rom herum und im Norden der italienischen Hauptstadt an der Rennstrecke von Vallelunga vorbei. Dann ging es über alleengesäumte Landstraßen nach Civita Castellana, die Herbstsonne tauchte die farbenfrohen Wälder in verträumten Glanz.
Die Altstadt von Civita Castellana liegt auf einem Felsplateau. Weil früher nur eine Straße in die Festung führte, wurde sie laut Einheimischen nie von Feinden eingenommen. Berühmt ist neben dem Forte Sangallo die Kathedrale Santa Maria Maggiore wegen ihrer aufwändigen Mosaikarbeiten, für nie endendes Wohl wurde sie von mehreren Päpsten gesegnet.
Zu moderner Bekanntheit brachte es die Gegend am Fuße der Apenninen durch die Keramikindustrie. Neben Althea gibt es einige weitere Firmen, die sich auf Badeinrichtungen spezialisiert haben.
Das Museum «Moto dei Miti» ist auf dem Firmengelände von Althea Ceramica untergebracht. Wir parkten zwischen Türmen aus verpackten Duschwannen, Kloschüsseln, Waschbecken und Bidets.
Um die Gäste bewirten zu können, ließ Bevilacqua die Althea-Hospitality aufstellen, zur Begrüßung gab es ein herzliches Willkommen durch den Boss und ein Glas Sekt. Für kurzweilige Unterhaltung sorgte zur Einstimmung die örtliche Trial-Gruppe mit erstaunlicher Motorradbeherrschung.
Viele bekannte Gesichter waren vor Ort, wie die ehemaligen Weltmeister Carlos Checa (Superbike 2011) und Marco Lucchinelli (500 ccm 1981), die Rennfahrer Virginio Ferrari, Roberto Gallina, Alberto Rota, Fabio Biliotti, Michel Fabrizio und Raffaele De Rosa, Pirelli-Rennchef Giorgio Barbier oder Hondas Communications-Manager Carlo Fiorani.
Für den standesgemäßen Startschuss sorgte Carlos Checa, in dem er mit seiner Althea-Ducati vorfuhr und sich ein letztes Mal mit seiner Crew von 2011 und natürlich Teamchef Genesio Bevilacqua ablichten und interviewen ließ.
Dann wurden die Tore zu den heiligen Hallen in einem Nebengebäude von Althea Ceramica geöffnet – und Staunen machte sich auf den Gesichtern breit.
Auf 3000 Quadratmetern werden über 100 Motorräder aus allen Epochen des Rennsports gezeigt, deren Wert viele Millionen Euro darstellt. Die Maschinen stehen nicht wie in anderen Museen nur lieblos nebeneinander, sie werden mit einer Hingabe präsentiert, wie man sie selten findet. Besondere Prachtstücke werden gezielt und intensiv hervorgehoben, mit Podesten, Bildern, spezieller Beleuchtung und der Ausstattung drumherum.
So bekam Carlos Checa eine eigene Ecke, die seiner Box von 2011 nachempfunden wurde, mit dazugehörigem Kommandostand!
Alle drei WM-Maschinen von Troy Bayliss sind da, ebenso die MotoGP-Ducati von Casey Stoner, mit der er 2007 Weltmeister wurde.
Aber auch die MotoGP-Cagiva von John Kocinski, eine MotoGP-Ducati von Loris Capirossi und Raritäten wie die MBA 250 V52 von 1985, die Bimota Tesi 2D oder die Honda NR 750 mit Ovalkolben.
Bedauerlich für alle Motorrad-Fans: Das Museum ist nicht öffentlich zugänglich und kann nur auf Einladung von Genesio Bevilacqua besucht werden. Allerdings hat der rührige Italiener eine Website bauen lassen, auf der es Informationen über viele der Maschinen gibt, außerdem ist ein virtueller 360-Grad-Gang durchs Museum möglich.
Besuchen und verweilen lohnt sich.