MotoGP: Das Saisonfinale ist in Barcelona

Neuer Chef: Holt er BMW aus der Bedeutungslosigkeit?

Kolumne von Ivo Schützbach
Ab dem 1. Mai 2018 hat BMW Motorrad mit Dr. Markus Schramm einen neuen Geschäftsführer. Der passionierte Motorradfahrer lässt Hoffnung aufkeimen, dass BMW sportlich wieder auf Spur gebracht wird.

Von 2009 bis Ende 2013 leistete sich BMW in der Superbike-WM ein Werksteam, der Auftritt war mit enormen Kosten und großem Aufwand verbunden. Mit 12 Siegen, 41 Podestplätzen, 12 schnellsten Rennrunden und einer Pole-Position trugen die Bemühungen gegen die Hersteller aus Japan sowie Ducati und Aprilia Früchte, Marco Melandri eroberte als Dritter 2012 die beste WM-Platzierung.

Nach nur fünf Jahren wurde das Werksteam beerdigt, dies geschah auf Veranlassung von Stephan Schaller, dem bis Ende Februar 2018 tätigen Chef von BMW Motorrad. Der 60-Jährige kam im Juni 2012 von der Schott AG und leitete seither BMW Motorrad. Zum 1. April 2018 wird Schaller Geschäftsführer beim Technologiekonzern Voith.

Zunächst hatte Schaller dem Motorsport noch zugestimmt, bis er Mitte der Saison 2012 dem Projekt mit der Firma alpha Racing in Stephanskirchen den Stecker zog und die Ankündigung kam, das Team werde an BMW Italia übergeben. Marco Melandri geriet, mit der Riesenchance Weltmeister zu werden, völlig aus dem Tritt, stürzte in den letzten sechs Rennen fünfmal und vermasselte den Titel. Im Team hatte die Schocknachricht wie der Blitz eingeschlagen.

Der Wechsel zu BMW Italia wurde 2013 von BMW München als optimierte Fortführung des Werkseinsatzes kommuniziert, es wurde verzapft, dass man zum Rennsport und der Superbike-WM stehe – um Mitte der Saison den nächsten Stecker zu ziehen.

Mehr Herz für Motorsport?

Viele bei BMW hegen jetzt die Hoffnung, dass Schallers Nachfolger Markus Schramm mehr Herz für das Thema Motorrad im Allgemeinen und den Motorradsport im Speziellen beweist. Der 55-Jährige gilt als begeisterter und guter Motorradfahrer, er sollte verstehen, dass es nicht genügt, mit der BMW S1000RR eines der besten Superbikes zu haben, um zahlreiche Vergleichstests zu gewinnen.

Seit Schaller operieren alle BMW-Motorsportaktivitäten unter dem Banner «Kundensport» – mit stark gedeckeltem Budget und gleichzeitig schwer nachvollziehbarer Prioritätenfestlegung. Eine Spezialistentruppe in Berlin liefert Motoren an zahlreiche Teams, dazu nach Bedarf die passende eigene Elektronik mit Manpower-Support aus der zentralen Rennabteilung in München unter der Leitung von Marc Bongers, dem Technischen Direktor von BMW Motorrad Motorsport. Damit feiert man bei BMW in allen nationalen Serien weltweit Erfolge, bei Straßenrennen wie auf der Insel Man ist die S1000RR kaum zu besiegen.

Nur in den beiden wichtigsten Motorrad-Rennserien ist von BMW wenig bis nichts zu sehen. In die MotoGP-WM hat sich der bayerische Hersteller nie getraut, dafür wäre eine langfristige und in Stein gemeißelte Strategie notwendig. Diese würde gewaltige Kosten verursachen, viel mehr aber, und das ist der Knackpunkt, unerschütterliches Durchhaltevermögen voraussetzen.

An Geld dürfte es der BMW Gruppe nicht fehlen – nur mit Scheinen alleine wird man keinen MotoGP-Titel gewinnen. Für das finale Ziel WM-Titel müsste sich der bayerische Hersteller der MotoGP-Klasse für mindestens zehn Jahre verschreiben, was bei den Austauschintervallen in der BMW-Motorrad-Chefetage und deren wechselnden Zielvorstellungen eine unvereinbare Kombination darstellt.

Ein mickriges Motorrad

In der Superbike-WM hat die BMW-Rennabteilung mit ihrem bescheidenen Einsatz seit 2014 gegen Werksrenner von Kawasaki, Ducati, Yamaha, Aprilia und MV Agusta nichts zu bestellen. Auch Honda ist BMW inzwischen weit voraus. Potenzielle Partner und Toppiloten stoßen sich immer wieder an der Unsicherheit hinsichtlich einem klaren und vor allem konstanten Bekenntnis von BMW zum Rennsport.

2018 sehen wir im Team Gulf Althea BMW eine mickrige S1000RR in der Startaufstellung. Obwohl mit dem Franzosen Loris Baz ein zweifacher Superbike-Laufsieger, ehemaliger WM-Fünfter und MotoGP-Pilot verpflichtet wurde, schaffte es das Althea-Team vergangenes Wochenende in Thailand nicht einmal in die Top-10. Ein Armutszeugnis – doch ohne zweifelsfreiem Bekenntnis mit entsprechendem Budget vom Chef, allen maßgeblichen Verantwortungsträgern und dem Vorstand, ist in keiner Weltmeisterschaft etwas zu gewinnen.

Diese Erkenntnis haben inzwischen auch einige der BMW-Vorstände, mit ihrem Dafürhalten ist es vorstellbar, dass sich BMW 2019 mit der neuen S1000RR in der Superbike-WM wieder verstärkt einbringt. Der Weg zum Erfolg muss nicht mit einem reinrassigen und sündteuren Werksauftritt beschritten werden, wie es von 2009 bis 2013 gemacht wurde. Aber mit einem Engagement, meinetwegen auch unter dem Begriff «Kundensport», wie es sich Honda oder Yamaha leistet. Diese Hersteller haben in den Teams Ten Kate und Crescent Racing einen Partner, der sich um die Logistik und Teile des Personals und Budgets kümmert, und auch bei der Entwicklung hilft.

BMW liefert schon jetzt Werksmotoren und -Elektronik. Würde man Althea oder dem potenziellen WM-Newcomer-Team von Werner Daemen mit Eigengewächs Markus Reiterberger bei der Chassis- und Schwingen-Entwicklung sowie mit einem ordentlichen Budget unter die Arme greifen, wären endlich wieder Topergebnisse möglich. Und das mit deutlich geringeren Kosten als bei einem Werkseinsatz.

Die Voraussetzungen können für BMW für 2019 nicht besser sein. Die Bayern bringen ein neues Motorrad, aller Voraussicht nach darf in der Superbike-WM auch weiterhin mit eigener Elektronik gefahren werden. Und die Regeln sorgen dafür, dass die Hersteller auf einem ähnlichen technischen Level balanciert werden.

Was BMW in der Superbike-WM seit 2014 abliefert, kann man ohne schlechtreden getrost als blamabel bezeichnen. Den letzten Podestplatz eroberte Marco Melandri am 20. Oktober 2013 mit Rang 2 im ersten Rennen in Jerez! Ändert man hinsichtlich des Engagements nichts und bleibt auf diesem dahinsiechenden Niveau, wird die neue S1000RR im gesamten Rennsport untergehen. Denn ein SBK-Engagement bringt neben Imagegewinn und Wahrnehmbarkeit in der Szene zweifelsfrei viele und notwendige technische Grundlagen und Know-how für alle anderen Rennsportaktivitäten der BMW-Kunden.

Unverständliches Marketing

Abgesehen von der jährlichen Feier der «BMW Race Trophy» findet das Thema Motorsport bei BMW Motorrad keine Beachtung. Die Trophy interessiert, abseits von einigen Fahrern, die sich einen Scheck abholen dürfen, keinen Menschen – weder intern noch extern.

Gleich wird es dem R nineT-Markencup ergehen, der 2018 erstmals im Rahmen der IDM ausgetragen wird. Dieses Geld könnte man sinnvoller und in den Spitzensport investierten, um damit von oben nach unten den Rennsport zu befruchten. Den Marketing-Strategen bei BMW schien es die letzten Jahre aber erfolgversprechender, das Image auf Vintage auszurichten und auf Hipster-Kunden abzuzielen.

Im BMW-Marketing ist mir so einiges schleierhaft. Warum wurde eine Ikone wie Udo Mark abgesägt und diese Stelle mit jemandem besetzt, der kein 100-prozentiger Rennsportexperte ist?

Jahrzehntelang hatte BMW das Gummikuh-Image, pilotierten nur ältere Herren ein Motorrad aus Bayern. Dank der S1000RR wird die Marke seit 2009 auch sportlich wahrgenommen. Doch wer keinen Spitzensport macht, ist auch nicht sportlich.

Passt man nicht auf, sind alle Image-Errungenschaften der letzten Jahre schnell verraucht und man gehört als BMW-Fahrer wieder zur Altherrenriege. Diese Erkenntnis setzt sich in den Köpfen der Verantwortlichen hoffentlich durch, bevor die Rennbudgets für 2019 und darüber hinaus gemacht werden.

Wirft man von München einen Blick über die Landesgrenze nach Osten, dann sieht man, wie es die Konkurrenz aus Mattighofen macht. Dort betreibt man den Rennsport nicht nur um sich auf den Rennplätzen der Welt zu amüsieren, dahinter steckt eine langfristige Strategie. KTM hat sein Image über Jahre zu einer authentischen Marke mit sportlichen und sympathischen Assoziationen aufgebaut.

BMW sollte sich mit dem Produkt S1000RR im Sport konstant und langfristig darstellen, um ernsthaft und glaubwürdig wahrgenommen zu werden.

Alle Hoffnungen ruhen auf Dr. Markus Schramm.

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