Dorna kastriert Drehzahl: Verbrät Kawasaki Millionen?
Kawasakis Erfolg in der Superbike-WM kommt nicht von ungefähr: Kein anderer Hersteller investiert so viel, mit jährlichen Updates der ZX-10R wird die Möglichkeit genützt, das Motorrad immer an die jüngsten Regeländerungen anzupassen.
Zwar sind heute nur noch 500 Motorräder für eine Homologation notwendig, Entwicklungs- und Produktionskosten verschlingen aber trotzdem Millionen.
Entsprechend erbost ist Kawasakis Projektleiter Yoshimoto Matsuda, der als Vater der ZX-10R gilt, über die technischen Regeln von Promoter Dorna, welche die letzten Jahre eingeführt wurden, um die Siegserie der Grünen zu stoppen.
Seit 2015 ist vorgeschrieben, dass das ganze Jahr mit einer Getriebeübersetzung gefahren werden muss, damit war Kawasakis Vorteil eines serienmäßigen Kassettengetriebes dahin.
Für die Saison 2018 wurde pro Hersteller eine Maximaldrehzahl festgelegt, die Kawasaki wurden von 15.200/min auf 14.100/min kastriert. Damit fehlen Kawasaki aktuell 850/min zu den Besten, die Motorräder von BMW und MV Agusta dürfen 14.950/min drehen.
Weil sich die Drehzahlfestlegung bei der Homologation eines neuen Modells an der Höchstdrehzahl der Basismaschine orientiert, hat Kawasaki mit der ZX-10RR Jahrgang 2019 kräftig eins draufgelegt.
Bei der Überarbeitung des Reihenvierzylinders ging es darum, den Motor und vor allem den Ventiltrieb für sehr hohe Dauerdrehzahlen standfester zu machen. Deshalb betätigen die zwei obenliegenden Nockenwellen die Ventile nicht mehr über Tassenstößel, sondern über Schlepphebel.
Damit wechselte nach BMW und Suzuki auch Kawasaki auf diese Anordnung, die im Vergleich zu Tassenstößeln leichter ist und größere Ventilhübe ermöglicht. Dank Titanpleueln hat der Motor mehr Drehzahlreserve, in Serie greift der Drehzahlbegrenzer 600/min später ein als bislang.
Das Reglement bestimmt, dass die Rennmaschine maximal 3 Prozent und höchstens 1100/min höher drehen darf als das Serienbike, die Maximaldrehzahl muss von der FIM noch festgelegt werden. Allerdings gilt das nur für die ersten drei Events der Saison.
Anhand eines komplizierten Algorithmus werden die Leistungen der Fahrer ständig zueinander ins Verhältnis gesetzt, nach drei Events wird die Drehzahl eines zu erfolgreichen Herstellers um 250/min reduziert, erfolglose Hersteller bekommen 250/min mehr.
Rennsport nur Nebenschauplatz
Viele fragen sich, weshalb bei einem solchen Reglement noch in die Entwicklung investiert werden soll. Die Antwort ist einfach: Weil es in erster Linie um den Markt geht. Dort wollen die Hersteller mit neuen Modellen Erfolg haben und möglichst viel verkaufen. Rennsport ist nur ein Nebenschauplatz.
«Die höheren Drehzahlen werden uns vor allem bei der Übersetzung helfen», sagte Weltmeister Jonathan Rea gegenüber SPEEDWEEK.com. «Letztlich können sie mit diesen Regeln machen was sie wollen. Wir sind in der gleichen Situation wie dieses Jahr. Ich fuhr die Serienmaschine vor wenigen Wochen in Autopolis, sie ist beeindruckend. Ich freue mich deshalb, wenn ich das erste Mal auf der Rennversion sitze.»
Das wird voraussichtlich am 14./15. November im MotorLand Aragon sein, beim ersten Wintertest.
Die Gegner fürchten, dass Rea mit der neuen Kawasaki noch dominanter wird, als er es schon ist. «Das ist nicht mein Problem», meinte er lapidar. «Ducati kommt mit einem neuen Motorrad, Yamaha ist bereit für Siege. Es ist unglücklich, dass nur Kawasaki und Ducati diese Meisterschaft ernst nehmen. Vor ein paar Jahren gab es Werksteams von Aprilia und BMW und Yamaha. Jetzt schaut es so aus, dass wenigstens Yamaha ein bisschen investiert, alle anderen hinken hinterher. 2010 bis 2012 war die Superbike-WM so stark wie nie, da waren alle Hersteller dabei. Da gab es viele schnelle Fahrer auf schnellen Bikes. Heute gibt es immer noch viele schnelle Fahrer, aber nicht mehr viele schnelle Bikes. Es geht in Wirklichkeit nicht um mich, sondern um die Hersteller. Wenn sie in die Meisterschaft investieren, steigt das Niveau. Ein Team wie Kawasaki kann schneller reagieren, weil wir bessere Leute haben.»