Chris Vermeulen: «Wollen Rea an seiner Grenze sehen»
MotoGP-Star Marc Marquez, seit 2013 in sechs Jahren fünfmal Weltmeister, ist erfolgreicher als Jonathan Rea, der nach Titeln und Siegen beste Superbike-Fahrer. Beim Spanier sprach aber niemand von Langeweile, als er 2014 zehn Rennen in Folge gewann. Das liegt daran, dass Marquez in Jorge Lorenzo, Valentino Rossi, Dani Pedrosa, Andrea Dovizioso und Maverick Vinales immer starke Gegner hatte. Die Siege von Marquez sahen nie aus, als wären sie einfach.
Ganz anders bei Rea, der seit 2015 lediglich Ducati-Ass Chaz Davies als ernsthaften Widersacher hatte. Und das auch nicht permanent, weil der Waliser mit dem Ducati-Twin nicht immer siegfähig war.
Auch wenn sich Rea beim Saisonstart in Australien und Thailand in allen sechs Rennen Ducati-Werksfahrer Alvaro Bautista und seiner V4R beugen musste, sollte ihn niemand abschreiben im Titelkampf.
Jetzt hoffen natürlich viele, dass ihm Bautista dauerhaft Paroli bieten kann, gleichzeitig aber auch, dass der Spanier nicht so dominant wie in den ersten beiden Events ist. Außerdem, dass Bautistas Ducati-Kollegen Davies und Laverty die Umstellung auf die V4R bald gelingt, dass die Yamaha-Asse Melandri, Lowes, van der Mark und Cortese noch einen Zacken zulegen können und BMW sowie Honda ein deutlicher Schritt nach vorne gelingt.
«Setzt sich ein Fahrer in der letzten Kurve mit einem brillanten Manöver durch und gewinnt, ist er ein Held», weiß SBK Sporting Director Gregorio Lavilla, selbst jahrelang WM-Pilot. «Gewinnt einer mit 5 oder 8 sec Vorsprung, sind die Fans gelangweilt. Rossi verstand es in seinen besten Jahren mit den Gegnern zu spielen, seine Siege waren nie langweilig. So ist es auch heute bei Marquez.»
Jonathan Rea ist seit 2009 Vollzeit in der Superbike-WM unterwegs, die letzten zehn Jahre wurde der Nordire mit vier WM-Titeln in Folge, 71 Siegen und 140 Podestplätzen zum erfolgreichsten Fahrer der seit 1988 existierenden Meisterschaft. Stars wie Carl Fogarty oder Troy Bayliss hat er längst überflügelt, erfährt aber nicht die gleiche Wertschätzung.
«Jonathan sollte mit den besten Superbike-Fahrern genannt werden», sagt Chris Vermeulen, der 2005 Vizeweltmeister wurde und heute für Fox Sports als TV-Experte für die MotoGP- und Superbike-WM arbeitet. «Fogarty war 20 Jahre lang der Erfolgreichste, Rea gewann mehr. Aber jeder hat seine Meinung, ich bin mit meiner als ehemaliger Rennfahrer wohl eh außen vor. Versteh mich nicht falsch, Carl Fogarty war großartig. Meine Helden zu dieser Zeit waren aber Simon Crafar und Aaron Slight. Sie hatten damals nicht das Material von Fogarty, sie hätten seine Ergebnisse, wenn nicht bessere, verdient gehabt. Für mich ist Aaron Slight einer der besten Superbike-Piloten aller Zeiten und er gewann nie einen Titel.»
Der Australier weiter: «Jede Ära ist anders. Jonathan Rea war so dominant – hatte er die stärksten Gegner? Schwer zu sagen. Bayliss und Edwards wurden zu Legenden, weil sie sich an der Spitze bekämpften. Hätte es einen von beiden nicht gegeben, wie viele Rennen mehr hätte dann der andere gewonnen? Rea ist mit diesen Fahrern ohne Zweifel auf einem Level und sogar besser, was seine Ergebnisse betrifft. Es ist schade, dass er die letzten Jahre keinen solchen Gegner hatte. Wir möchten sehen, wie er an sein Limit gehen muss. Wir wollen wissen, wo seine Grenze ist. Wie viel schneller kann er fahren, wenn er muss? Marquez liebt es zu kämpfen. Wenn sich ein Rennen in der letzten Runde entscheidet, und sogar wenn er es verliert, dann ist er anschließend total aufgeregt, weil er in dem Kampf dabei war.»