Zweites Team: Wie viel ist BMW bereit zu investieren?
BMW Motorsport Direktor Marc Bongers
Für die Supersport- und Superbike-WM gibt es einige finanzielle Hausnummern, an denen man sich orientieren kann. Ein Topteam in der 600er-Klasse braucht mit einem Fahrer zirka 450.000 Euro im Jahr. In der Superbike-WM sind für ein Privatteam mit einem Fahrer und sparsamem Auftritt 1,2 Millionen Euro nötig.
Würde sich ein Hersteller dazu entschließen, seinem Satelliten-Team das gesamte notwenige Material in der Größenordnung von 500.000 Euro gratis zu geben, hat ein gut aufgestelltes Supersport-Team immer noch ein Budget-Loch von 250.000 Euro zu füllen.
Für das Team Evan Bros oder die Truppe von Andrea Quadranti, der das Werksteam von MV Agusta in der Supersport-Klasse stellt, wird es also selbst bei einem nennenswerten Engagement von BMW kein Leichtes, das restliche Budget aufzutreiben. Beide können sich vorstellen, das offizielle Satelliten-Team der deutschen Motorrad-Manufaktur zu werden.
Quadranti war mit MV Agusta bis Ende der Saison 2018 auch in der Superbike-WM am Start. Der Hersteller aus Varese hat für 2021 aber kein passendes Bike, seit Jahren warten Fans der Nobelmarke auf ein Update der F4. Deshalb kann sich der Schweizer vorstellen, neben dem MV-Agusta-Team in der mittleren Hubraumkategorie mit BMW etwas in der Superbike-Klasse zu machen.
Teamchef Fabio Evangelista, 2019 mit Randy Krummenacher Supersport-Weltmeister und in diesem Jahr WM-Leader mit Andrea Locatelli, sieht sich bei Yamaha mit diversen Hindernissen konfrontiert: Der japanische Hersteller mit den drei Stimmgabeln im Logo hat bereits drei Teams!
Crescent Racing wird demnächst den Vertrag mit Yamaha verlängern und den Status als Werksteam behalten.
Das Giansanti Racing Team fungiert als Junior-Team und hat Talenten wie Federico Caricasulo und Garrett Gerloff den Einstieg in die Superbike-WM ermöglicht.
Und mit Ten Kate ist ein schlagkräftiges Kundenteam vorhanden, das in Portimao mit Loris Baz im Sprintrennen den ersten Podestplatz erobert hat.
«Ich habe eine gute Beziehung zu Yamaha», betont Evangelista. «Ich weiß aber auch, dass es mit bereits fünf Yamaha in der Startaufstellung nicht einfach wird, sehr gute Unterstützung zu erhalten. Gleichzeitig verbindet Yamaha aber viel mit Andrea Locatelli. Letztes Jahr im August war Rennchef Andrea Dosoli der Erste, der über Locatelli sprach. Das kam überraschend für mich. Locatelli hat mit Yamaha einen Ein-Jahres-Vertrag. Mit seinen Resultaten und fünf Siegen in Folge weiß ich nicht, was Yamaha sich für ihn vorstellt. Es wäre schön, wenn sie ihn ins Werksteam holen. Käme das so, müsste ich ohne ihn planen. Es könnte aber auch sein, dass Dosoli großes Vertrauen in mein Team setzt, wir bauen zusammen eine R1 für Locatelli auf und lassen ihn bei uns fahren.»
«BMW könnte für die Zukunft eine große Chance sein», überlegte Evangelista im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «So oder so, ich brauche die Unterstützung meiner Sponsoren. Und egal mit welchem Hersteller wir arbeiten, wir brauchen die Unterstützung eines offiziellen Satelliten-Teams. So wie das Pramac für Ducati in der MotoGP-WM ist. Wir wollen kein Kundenteam sein, wir könnten eine Saison als solches auch gar nicht so bestreiten, wie wir das wollen. Eines Tages möchten wir natürlich das Werksteam eines Herstellers in der Superbike-WM werden. Der erste Schritt dazu ist, dass wir offizielle Unterstützung als Satelliten-Team bekommen. Es braucht ein eindeutiges und starkes Bekenntnis vom Werk. Material ist wie Geld. Ich selbst werde aber nie in der Lage sein, das gesamte Budget für eine Superbike-Saison mit einem Fahrer zu stemmen. Ein Hersteller muss uns viel Vertrauen entgegenbringen.»
Die beiden Interessenten Evangelista und Quadranti stellen sich gleichermaßen die Frage, wie viel BMW bereit ist, in ein Satelliten- oder Junior-Team zu investieren. Ist das Engagement nicht in der oben genannten Größenordnung, wird es mit keinem dieser beiden Teams zu einem Vertrag kommen.