Chaz Davies abserviert: Nicht bereit für Rücktritt
Chaz Davies blickt in eine ungewisse Zukunft
Von den vergangenen 13 Rennen hat Chaz Davies zwölf in den Top-5 beendet (6 Podestplätze, 1 Sieg), vor dem SBK-Finale an diesem Wochenende ist der Waliser WM-Dritter und hat 19 Punkte Vorsprung auf seinen härtesten Verfolger Michael van der Mark (Pata Yamaha).
Dass Ducati seinen Vertrag nach sieben Jahren im Werksteam nicht verlängert, zeichnete sich in den Tagen vor Estoril ab, die offizielle Verlautbarung am 14. Oktober erwischte ihn also nicht kalt.
Ebenso wie der ein Jahr ältere Andrea Dovizioso in der MotoGP-WM wurde Davies zu Gunsten der Jugend abgesägt.
Bei allem Respekt vor den Leistungen, die sein neun Jahre jüngerer Nachfolger Michael Ruben Rinaldi dieses Jahr gezeigt hat: Kaum einer im SBK-Paddock ist überzeugt davon, dass der Italiener gleiche Leistungen wie der dreifache Vizeweltmeister bringen wird.
Die meisten Experten hätten es für sinnvoller erachtet, Rinaldi ein weiteres Jahr im Ducati-Kundenteam Go Eleven zu lassen, ihn dort bestmöglich zu unterstützen und für 2022 im Werksteam aufzubauen. Auch wenn Rinaldi dieses Jahr regelmäßig in die Top-6 brauste, holte er alle seine drei Podestplätze, inklusive seinem ersten Sieg, im zweiten Aragon-Event.
Bei Ducati wird er als Italiener massivem Druck ausgesetzt sein. Dann wird ihn niemand mehr für fünfte Plätze loben, Podestplätze sind Pflicht – eigentlich Siege. Wobei es für diese Scott Redding gibt, der über Jonathan Rea auf seiner Kawasaki aber auch nur an seinen besten Tagen triumphieren kann.
Davies hatte von Ducati einen unterschriftsreifen Vertrag vorliegen, den Status quo hätte er jederzeit erhalten können. Doch der 33-Jährige wollte mehr. Er wollte Ducati in eine Position bringen, in welcher der Hersteller aus Bologna endlich wieder einen WM-Titel gewinnen kann. Der einstige Protagonist der Superbike-WM ist seit Carlos Checa 2011 titellos.
Davies glaubt zu wissen, was im Ducati-Team organisatorisch und in der Entwicklung des Motorrads geändert werden muss, um Rea und Kawasaki schlagen zu können. Nur Gehör fand er keines – Ducati macht lieber weiter wie bislang.
Der Brite weiß um seine Schwäche im Qualifying. Ducati hat aber auch über ein Jahr gebraucht, um ihm an der V4R die technischen Lösungen zu präsentieren, um die er gebeten hatte. Als Davies endlich eine gute Basis hatte, lieferte er. In den letzten vier Events stand er jeweils auf dem Podest.
Chaz Davies soll an diesem Wochenende seinen dritten WM-Rang sichern, steht für 2021 aber vor dem Nichts. Die fünf Werksteams von BMW, Ducati, Honda, Kawasaki und Yamaha sind besetzt, mit Go Eleven Ducati 2020 und Puccetti Kawasaki 2019 konnten in den letzten Jahren nur zwei Kundenteams vereinzelt Rennen gewinnen. Der letzte Sieg eines Privatteams davor datiert auf das Jahr 2012, als Sylvain Guintoli für Pata Ducati gewann. Davies weiß, dass er in keinem Kundenteam um den WM-Titel kämpfen kann.
Für den Rücktritt fühlt er sich mit 33 Jahren aber auch nicht bereit.
Was bleibt?
Natürlich könnte Davies nur des Geldes wegen in einem Kundenteam fahren und den sportlichen Erfolg in den Hintergrund schieben. Das entspricht aber nicht dem Charakter des 31-fachen Laufsiegers.
Oder der Mann aus Knighton schlägt für seine restliche Karriere einen anderen Weg ein, etwa in der US-Meisterschaft MotoAmerica. Dort kann sich Ducati vorstellen, nächstes Jahr mit einem werksunterstützten Team anzutreten, Lorenzo Zanetti hat in Indianapolis für den ersten Sieg gesorgt. Wie weit die Brücken zwischen Davies und Ducati abgerissen sind, lässt sich schwer beurteilen – momentan favorisiert er diese Lösung auf jeden Fall nicht.
Als Erstes muss Chaz mit sich ins Reine kommen und sich überlegen, wie er sich die kommenden Jahre als Rennfahrer vorstellt. Dann kann er den nächsten Schritt machen.
«Obwohl ich gehofft hatte, dass wir 2021 zusammen weitermachen, müssen alle guten Dinge zu einem Ende kommen», teilte Davies mit. «Die sieben Jahre als Ducati-Werksfahrer und Pilot für Aruba.it Racing sind unvergesslich. Zusammen haben wir 27 Siege und 86 Podestplätze errungen, dazu wurde ich dreimal Vizeweltmeister und einmal Dritter – auf all das können wir stolz sein. Ich werde mein Bestes geben, um dieses Kapitel positiv zu beenden und einen weiteren dritten Platz in der Gesamtwertung zu sichern.»