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Jonathan Rea bereut nichts: «Reaktionen waren heftig»

Von Ivo Schützbach
Jonathan Rea (li.) und Toprak Razgatlioglu

Jonathan Rea (li.) und Toprak Razgatlioglu

Weil Jonathan Rea die Rennleitung nach dem Sprintrennen in Magny-Cours darauf hingewiesen hat, dass Toprak Razgatlioglu neben der Strecke war, wurde er von vielen Superbike-Fans als Petze hingestellt.

Es sind die emotionalen Momente, die Sport so interessant und leidenschaftlich machen. Nach dem Superpole-Race in Frankreich erlebten Fans weltweit, wie Jonathan Rea seinen Gegner Toprak Razgatlioglu bei der Rennleitung anschwärzte, weil dieser in der letzten Runde für einige Zentimeter die verbotene grüne Fläche neben der Strecke überfahren hatte.

Was viele Beobachter als «petzen» anprangerten, war in Wirklichkeit ein normaler Vorgang, denn die Regeln sind eindeutig: Razgatlioglu wurde um einen Platz zurückgestuft und Rea erbte den Sieg.

Hätten die FIM-Stewards ihre Arbeit von Anfang an korrekt und nach dem Regelbuch erledigt, wäre das Resultat dasselbe. Aber weder Rea noch Kawasaki wären in die Lage gekommen, auf den Fehler Razgatlioglus hinzuweisen und Protest einlegen zu müssen.

Zwei Wochen lang schwieg Jonathan Rea zu diesem Thema, erst in Spanien ließ er seinen Gedanken freien Lauf.

«Mit Social Media ist es schwierig abzuschalten, jeder kann heute seine Meinung kundtun», erzählte der 34-Jährige SPEEDWEEK.com. «Einige Kommentare waren nicht nett, vor allem von einigen extremen Fans. Ich habe meinen Kindern erklärt, dass es so etwas im Leben gibt, dass Leute nicht deiner Meinung sind. Das ist schon in der Schule so. Dann musst du versuchen stark zu bleiben und daran glauben, dass du das Richtige getan hast. Ich sehe es als meine Pflicht, zu berichten was ich auf der Rennstrecke gesehen habe. Wir sind alle Profis und wissen, dass wer das Grün in der letzten Runde berührt, mit Vorteil oder ohne, bestraft wird. So sind die Regeln. Würde ich mit einem Kumpel bei der Grasbahn-Meisterschaft in Belfast fahren, könnte er natürlich das Rennen gewinnen. Aber das ist eine Weltmeisterschaft. Wir kämpfen hart und so will ich keine Punkte gewinnen, das ist schrecklich. Ich stimme diesen Regeln auch nicht zu – aber sie sind so. Toprak machte in der letzten Runde einen Fehler und musste viel dafür bezahlen. Wenn sie [Yamaha] mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, hätten sie in Berufung gehen können.»

Rea weiter: «In der Vergangenheit haben die Regeln für, aber auch sehr gegen mich gearbeitet. So ist das Leben, das muss man akzeptieren. Ich musste mir darüber klar werden, dass ich nichts falsch gemacht habe. Wie die Dorna auf ihren Social-Media-Kanälen damit umging, war schrecklich. Sie ließen mich so dastehen, als wäre ich der Böse, dabei machten die Leute in der Rennleitung den Fehler. In der Sonntagnacht nach dem Rennen habe ich nicht gut geschlafen, nachdem ich einige Dinge auf Social Media gelesen hatte – ich fühlte mich echt Scheiße. Es gab viele negative Kommentare. Leute schrieben, dass sie hoffen, dass ich stürze. Es wurden viele fiese Sachen gesagt. Aber ich habe ein breites Kreuz. Das ist ein wirklich schöner Job, wenn es gut läuft. Dann bekommst du die ganzen Zusprüche von den Fans und in den sozialen Medien. Den Mist muss man aber auch schlucken. Glücklicherweise bin ich mental sehr gefestigt. Ich mache mir eher Sorgen, wie Leute in diesem Geschäft, die mental nicht so stark sind, von solchen Meinungen beeinflusst werden. Es ist wichtig, dass Leute in den sozialen Medien ihre Meinungen äußern, sie sollten aber freundlich bleiben – letztlich sind wir alle nur Menschen.»

Razgatlioglu räumte ein: «In mir ist dadurch etwas zerbrochen, weil ich ihn immer respektiert habe. Ich verstehe aber auch, dass die Regeln sind, wie sie sind und jeder versucht das Beste für sich herauszuholen.»

«Natürlich mag ich die Fans und sie mögen mich, das ist wichtig», unterstrich Rea. «Letztlich kümmert mich aber nicht, was sie sagen. Ich habe viel Respekt vor Toprak, seine Meinung zählt. Also habe ich ihm Sonntagnacht geschrieben, dass es mir leidtut, wie die ganze Sache gespielt wurde, das war ein Drama. Er antwortete mir, dass die Regeln die Regeln sind, er aber natürlich enttäuscht wäre. Ich bin ein guter Fahrer. Wenn er mich schlägt, dann war er besser, davor kann ich meinen Hut ziehen»

«Die Situation war keine Ansichtssache, sie war eindeutig», betonte Rea. «Wenn etwas nicht im Reglement steht, kann man eine Meinung haben und sich darüber ärgern. Aber es war klar. Das ist, als gehst du mit der Frau eines anderen fremd, und wirst erwischt. Und du dann dem Typen die Schuld gibst, der dich erwischt hat, anstatt zuzugeben, dass du mit seiner Frau fremdgegangen bist. Ich bin hier nicht der Böse, sie [die Rennleitung] machten einen Fehler. Aber es ist Mist, weil die Rennen fantastisch waren. Wir haben bis zum Ende gekämpft, es ist schade, dass mein Teammanager der Rennleitung die Sachlage schildern und wir so um Punkte kämpfen mussten. Hätten sie gleich richtig entschieden, wäre es für alle schöner gewesen. Und es hätte mich davor bewahrt, viele miese Kommentare von schlecht informierten Fans zu lesen. Ich bin froh, dass diese News noch nicht heraus waren, als wir nach den Rennen in Magny-Cours miteinander sprachen, weil dann wären die Emotionen hochgekocht. Jetzt konnten wir ganz normal darüber reden.»

Vor den Rennen in Jerez am kommenden Wochenende führt Razgatlioglu in der Weltmeisterschaft einen Punkt vor Rea. Der Rekordweltmeister weiß, dass ihn eines Tages ein jüngerer Fahrer vom Thron stoßen wird – vielleicht schon dieses Jahr. «Mir ist klar, dass es nicht ewig so sein wird, wie es jetzt ist», bemerkte Johnny. «Aber ich werde höllisch kämpfen, um an der Spitze zu bleiben. Einer wie Toprak motiviert mich sehr, weil ich ihn schlagen möchte. Wenn er mich schlägt, kann ich mich nicht für ihn freuen. Aber dann hat er eine erstaunliche Leistung gebracht und ich muss ihm gratulieren. So ist das. Wenn die karierte Flagge fällt, können wir wieder normale Jungs sein. Toprak und ich haben nach wie vor großen Respekt voreinander.»

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