Bautista im Schatten von Bulega: Keine Existenzkrise
2022 und 2023 sahen wir einen entfesselt fahrenden Alvaro Bautista, der die Vorteile der schnellen Ducati Panigale V4R wie kein anderer nutzen konnte und zweimal Champion wurde. In 71 Rennen stand der Spanier 62 Mal auf dem Podium, 43 Mal als Sieger.
Dann verletzte sich Alvaro in den Wintertests von 2023 auf 2024, litt lange an den Folgen und musste zudem mit der neuen Regel klarkommen, dass er in kompletter Montur mindestens 80 kg auf die Waage bringen muss. Wer darunter liegt, muss 50 Prozent der Differenz als Extragewicht am Motorrad montieren, sofern dieses das Mindestgewicht von 168 kg hat. Liegt die Maschine ohnehin beispielsweise 2 kg darüber und der Fahrer müsste zwei Kilogramm zuladen, hebt sich das auf. Es geht also darum, dass die Kombination aus Fahrer und Motorrad mindestens 248 kg wiegt. Ducati macht ein großes Geheimnis daraus, wie viel genau Bautista zuladen muss – es handelt sich um wenige Kilogramm.
Im Vorjahr siegte Bautista nur noch in vier Rennen, stand 18 Mal auf dem Podium, ging regelmäßig über das Limit und stürzte, wurde aber dennoch WM-Dritter. Außerdem entzauberte ihn sein 15 Jahre jüngerer Teamkollege Nicolo Bulega, der Vizeweltmeister wurde.
Wie kommt ein so erfolgreicher Rennfahrer mit der Situation klar, dass jetzt Bulega im Rampenlicht steht und er zur Nummer 2 degradiert wurde, fragte SPEEDWEEK.com in Australien bei Bautista nach.
«Ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf meinem höchsten Level bin», holte der Haudegen etwas aus. «Für mich geht es nicht darum, ob Nicolo, Toprak oder ein anderer Fahrer schnell ist. Es geht um mein Gefühl, um das Vertrauen, das es mir erlaubt, schnell zu fahren. Glücklich bin ich, weil ich stärker bin als im Vorjahr. Ich bin jetzt irgendwo zwischen meinen schlechten Momenten und der Zeit, als ich gewann. Es ist nicht so, dass ich darüber grüble, dass mich Nicolo schlägt. Das ist der Lauf der Dinge. Er ist stark und hat Vertrauen – ich muss versuchen, in die gleiche Lage zu kommen. Dazu muss ich verstehen, wo oder warum er schneller ist. Einerseits habe ich das Glück, dass der schnellste Fahrer mein Teamkollege ist. Wenn er mit dem gleichen Motorrad schnell ist, dann muss ich mich fragen, weshalb ich es nicht bin. Er ist meine Referenz. Ich sehe ihn nicht als mein Problem, sondern als Vorteil, weil ich mit ihm reden und ihn Dinge fragen kann. Er befindet sich in seiner besten Phase. Wenn ich es schaffe, wieder in meine beste zu gelangen, dann werde ich sehen, wie nahe ich ihm komme.»
Bautista, der am 21. November 40 Jahre alt wurde, ist der Überzeugung, dass seine glorreichen Zeiten noch nicht vorbei sind. «Wenn ich das nicht mehr glaube, dann bleibe ich daheim», betonte der dreifache Weltmeister. «Letztes Jahr war schwierig, und das Vertrauen zurückzugewinnen ist nicht einfach. Vor allem beim derzeitigen Niveau in dieser Meisterschaft. Ich bin glücklich, wie ich an meinen Aufgaben wachse, wir erzielen Fortschritte. Nicht alles ist schrecklich, für mich geht es bergauf, das ist das Wichtigste.»
Als einziger Fahrer in der Geschichte der Superbike-WM gewann Max Biaggi mit über 40 Jahren Rennen und wurde zudem Champion. Bautista könnte der zweite werden, dem das gelingt. «Podestplätze sind schön, aber mein Ziel ist, dass ich in diesem Alter Rennen gewinne.»
Gegen die Shootingstars Bulega und Razgatlioglu kein einfaches Unterfangen. «Nicolo ist nicht nur auf Phillip Island schnell, er wird das ganze Jahr auf diesem Level fahren», prophezeit Alvaro. «Toprak strauchelt in Australien, er wird bei den nächsten Rennen näher an Nicolo dran sein.»