Regelumsturz: BMW hat die bittere Pille geschluckt

Die BMW-Werksfahrer Toprak Razgatlioglu (li.) und Michael van der Mark haben sich sehr geärgert
Erst am 20. Januar, wenige Wochen vor dem Saisonstart Ende Februar, wurden die technischen Regeln für die Superbike-WM 2025 publiziert – mit weitreichenden Folgen für BMW.
Wegen anhaltender Erfolglosigkeit erhielt der deutsche Hersteller nach der Saison 2023 die Erlaubnis, Super-Concession-Parts einzusetzen. Das sind Veränderungen am Chassis, die laut normalem Reglement nicht erlaubt sind.
Was dann geschah, ist bekannt: Toprak Razgatlioglu gewann 18 seiner 30 Rennen, bei sechs fehlte er verletzungsbedingt. 13 Mal triumphierte der Türke in Folge, was den Rekord in der Superbike-WM markiert, und eroberte seinen zweiten Titel.
BMW brachte für 2025 ein neues Homologationsmodell der M1000RR, daraus folgerten einige, dass das heilsbringende Chassis nicht mehr eingesetzt werden darf. Laut Reglement von 2024 wäre das aber möglich gewesen, wie in Paragraph 2.4.3.1, Absatz F5 geschrieben stand:
«Wenn eine Maschine mit Super-Concessions durch eine neue Homologation ersetzt wird, bleiben die Super-Concessions nur dann erhalten, wenn die betroffenen Teile in dieser neuen Motorrad-Homologation keine signifikanten Änderungen aufweisen und nur für eine Homologation gelten.»
Laut BMW trifft das auf ihr Chassis zu, demnach hätte der modifizierte Rahmen auch im 2025er-Modell verwendet werden dürfen.
Es kam anders: Der Wortlaut des diesjährigen Reglements wurde kurzfristig angepasst und Absatz F5 um einen Satz erweitert. Das Geschriebene gilt jetzt nur noch, wenn der Hersteller auch weiterhin Anspruch auf Concessions hat.
Bei Weltmeister BMW ist das logischerweise nicht der Fall, das 2024er-Super-Concession-Chassis darf also nicht mehr verwendet werden. Stattdessen muss das Standard-Chassis des neuen Homologationsmodells eingesetzt werden.
Die Regeländerung erfolgte nicht, in dem sie durch die verschiedenen Gremien ging und in diesen beschlossen wurde, sondern durch den Einsatz des «Gott-Paragraphen». Dieser erlaubt es FIM und Dorna, Änderungen nach eigenem Ermessen vorzunehmen.
BMW ist nicht der erste Hersteller, der unter so einem Beschluss zu leiden hat, in der Vergangenheit traf es bereits Kawasaki und Ducati. Letztlich bleibt den Herstellern nichts anderes übrig, als sich in Pragmatismus zu üben.
«Jeder Hersteller hat das Ziel, Weltmeister zu werden», holte BMW-Technikchef Christian Gonschor im Gespräch mit SPEEDWEEK.com etwas aus. «Jetzt weiß jeder, sollte man Super-Concession-berechtigt sein, dass man diese Komponenten für das nächste Jahr verliert, wenn man den Titel holt. Wir arbeiten mit den Regeln, die wir jetzt haben, und das weiterhin fleißig. Das Glück ist mit den Tüchtigen, wir bleiben tüchtig.»
Beim Auftakt in Australien erging sich Weltmeister Razgatlioglu in Schimpftiraden über die Regeländerung und drohte sogar Promoter Dorna. Nach seinen drei Siegen in Portimao wissen wir: Der 28-Jährige ist so talentiert, dass er die Mängel des aktuellen Chassis’ umfahren kann.
Am Ärger der beiden BMW-Fahrer ändert das nichts.
«Weshalb entschieden sie, die Änderung so spät im Winter zu bringen, direkt vor dem Saisonstart», fragte Michael van der Mark. «Zuvor wurde vereinbart, dass wir das Super-Concession-Chassis benützen können. Wir können mit der Entscheidung leben, kein Problem. Aber für mich ist es seltsam, wenn man erst etwas entscheidet und es dann ändert. Wir hatten das Gefühl, dass es so kommen wird. Aber trotzdem gab es eine Vereinbarung. Es werden nie alle glücklich sein. Aber zum Saisonende sollten wir die Regeln für die nächste Saison haben.»
«Das Limit für die Kraftstoffdurchflussmenge wurde beispielsweise sehr früh verlautbart, bereits während der letzten Saison, sodass sich alle darauf vorbereiten konnten», erläuterte Gonschor. «Es geht nicht darum, ob die Regeln gut oder schlecht sind, sondern dass wir sie frühzeitig kennen.»
Toprak schloss die Diskussion ab: «Ich habe jetzt dieses Motorrad mit diesem Chassis und habe alles Vorherige vergessen. Ich will nicht mehr darüber reden, sondern fahre mein Bike und werde auf der Rennstrecke etwas zeigen – das ist die beste Art zu antworten. Wir können lange reden, die Regeln werden sich deshalb nicht ändern. Es ist sinnvoller, wenn ich das Bike fahre und wir an dessen Abstimmung arbeiten. Nur so können wir den Titel gewinnen. Ich muss fahren wie letztes Jahr und alles drumherum vergessen. Als ich im Vorjahr zu BMW kam, war das Motorrad auch nicht 100-prozentig. Mein Gefühl heute ist verglichen mit damals viel besser.»