Weshalb sich der Rennarzt einen Haken einhandelte
In Güstrow feierte Hefenbrock (re.) ein super Comeback
Bei einem Ligarennen in England stürzte Christian Hefenbrock am 4. September 2011 in Scunthorpe schwer und brach sich das Bein. «Mein Bein stand im rechten Winkel ab und lag neben meinem Becken, wo ich beim ersten Runterblicken die Aufschrift Daytona unter der Schuhsohle lesen konnte», erinnert sich der Liebenthaler. «Ich habe das gebrochene Bein mit auch noch gebrochener Hand selbst wieder an die vorhergesehene Stelle des Unterschenkels hingelegt, wobei es mir dann regelrecht aus den Händen fiel. Als der Rennarzt dann versuchte mir meinen Stiefel wie einen Gummistiefel abzuziehen, was sich anfühlte, als würde er das Bein abreisen, fing er sich von mir einen rechten Haken ein.»
Im Krankenhaus angekommen, nahm der Horror seinen Lauf. «Drei Stunden lang bekam ich keine Schmerzmittel», klagt Hefenbrock. «Eine Stunde auf der Bahn und zwei im Krankenhaus, bis die Röntgenabteilung frei wurde. Jegliche Schreie und mein Verlangen nach Schmerzmitteln wurden ignoriert.»
Die Diagnose des Arztes war ein Schock: «Der Arzt wollte es mit einer OP mit Platten versuchen. Sollte diese nicht erfolgreich sein, könne ich im ungünstigsten Fall mit einer Amputation des Beines rechnen.»
Hefe verweigerte nach dieser Aussage die OP in dem marode wirkenden Krankenhaus.
Zwei Tage nach dem Sturz dann ein Lichtblick: «Dank der Organisation meines Vaters wurde ich mit einem ADAC-Jet ins Unfallkrankenhaus nach Berlin/Marzahn geflogen. Dort wurde das Bein gerichtet, verschraubt, genagelt und mit einem 45 cm langen Marknagel versehrt.»
Neun Monate nach dem Unfall kehrte Hefenbrock aufs Motorrad zurück, wenngleich er in den ersten Tagen nach dem Unfall und nach der erfolgreichen OP von Speedway nichts mehr wissen wollte: «Diese Verletzung hat mich sehr nachdenklich gemacht, und die ersten Wochen wollte ich nicht mal an Speedway denken! Weniger Schmerzen haben und dann irgendwann wieder vernünftig laufen können waren meine Ziele. Mit der Zeit habe ich mir gesagt, dass ich mich, solange es noch geht und ich wieder halbwegs fit sein sollte, nicht unterkriegen lasse!»
Ein erstes Ausrufezeichen setzte Hefenbrock beim Pfingstpokal in Güstrow, wo er ein sensationelles Rennen lieferte – was ihn selbst überrasche. «Mein Ziel war, in diesem Top- Feld unter die ersten zehn zu kommen», sagt der Junioren-WM-Dritte von 2006. «Ich wollte es nicht nur den Leuten beweisen, sondern auch mir selbst und zeigen, dass man mich nicht abschreiben kann.»
Mit der Rückmeldung aus Güstrow im Rücken, liess es Hefe jedoch weiterhin recht langsam angehen und brummte sich nicht wieder sofort ein Mammutprogramm auf. «2012 diente, um im wahrsten Sinne des Wortes wieder Fuss zu fassen.»
Nächstes Jahr will er wieder voll angreifen: «Die Reisestrapazen sind es, was einen Profi auslaugt, nicht das reine Fahren. Nur mit einer guten Organisation und dem richtigen Drumherum ist es möglich, motiviert und fit durch die Saison zu kommen. Nicht nur die Fahrkünste der Grossen wie Crump & Co sind zu bewundern, sondern auch die Energie, mit der sie Mammutprogramme über Jahre absolvieren. 2006 habe ich von März bis Oktober 120 Rennen in den höchsten Ligen der Welt in ganz Europa bestritten und wusste teilweise nicht in welchem Land ich aufwache, wo ich bin und wie ich heisse. Es war dennoch eine gute Lebenserfahrung und Lehre.»
Im kommenden Frühjahr, anderthalb Jahre nach dem schweren Sturz, will Hefenbrock auf seinen eingeschlagenen Weg zurückkehren, in den Ligen Europas starten und wieder bei annähernd 100 Rennen am Startband stehen. «Gerne hätte ich auf die Verletzungen verzichtet, jedoch verleihen solche Sachen den notwendigen Respekt vor Leichtsinnigkeit», meint er. «Definitiv ist es nach sehr schweren Verletzungen enorm schwer, sich mental wieder freizumachen und zu motivieren. Das wird sehr oft von Aussenstehenden verkannt und vergessen.»
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