Trotz Auffahrrisiko: FIM ignoriert Sicherheitsaspekt
«Wir haben das ab und zu, dass der Gang raus- und wieder reinspringt», sagte der WM-Zweite Luca Grünwald nach dem Malheur im Rennen in Misano, das ihn den Podestplatz kostete. «Wir wissen, was man mechanisch am Getriebe ändern müsste, aber das ist nicht erlaubt. Also versuchen wir alles was wir dürfen, und es ist auch schon viel besser, aber es ist unberechenbar. In Misano war das Timing ganz schlecht. Das war gefährlich, der andere hätte mir auch hinten drauf fahren können. Das ist ein Punkt, an dem wir schon länger dran sind. Diese Getriebeänderung sollte erlaubt werden.»
Wolfgang Felber, Head of Technical Development des Kundensport-Programms von KTM, erklärte SPEEDWEEK.com die Details. «Bei den 390er-Bikes sind die Getriebe nicht für den Rennbetrieb, sondern für den Alltagsbetrieb konstruiert», holte der Ingenieur etwas aus. «Diese Getriebe haben möglichst viele Klauen, damit der Verschleiß wenig wird, und möglichst wenig Lastwechselspiel, damit im Stop-and-Go im Stadtbetrieb das Motorrad komfortabel zu fahren ist. Ein Renngetriebe muss anders aussehen. Es hat meistens nur drei Klauen und riesig viel Spiel, damit der Gang Zeit hat zum Einrasten. Laut Reglement darf man die Getriebe aber nicht verändern. Wir, Kawasaki, Yamaha und Honda müssen in dieser Klasse mit dem Seriengetriebe fahren. An unserem Getriebe ist nichts falsch, es ist gut konstruiert und qualitativ ausgeführt. Es ist okay, aber fürs Rennen fahren etwa schwierig zu händeln. Jetzt kommt der Quickshifter ins Spiel, der ein Problem hat, wenn der Fahrer in den Drehzahlbegrenzer fährt oder ihn auch nur kurz streift. Dann kennt sich dieses System nicht mehr aus, es bekommt zwei Befehle, die Software kann das nicht verarbeiten und der Quickshifter funktioniert nicht mehr. Das ist die Situation, in der unsere Fahrer manchmal Schwierigkeiten haben. Speziell, wenn sie im Pulk sind und ihren Motor nicht hören. Hinzu kommt, dass unsere Drehzahl von 11.000/min auf 10.450/min reduziert wurde, so kommen wir irrsinnig schnell in den Begrenzer. Das ist dem Luca und anderen mehrfach passiert, so kommt es, dass sie den Gang nicht richtig reinbringen. Das Einzige was die Fahrer machen können, ist unheimlich präzise zu schalten. 50/min bevor sie in den Begrenzer kommen, müssen sie den nächsten Gang einlegen. Das ist das Schwierige.»
Bei anderen Herstellern hört man seltener Klagen über das Getriebe, KTM setzt als einzige Manufaktur einen Einzylinder-Motor ein. «Ich kenne die Getriebe der japanischen Hersteller nicht», so Felber. «Ob sie mit vier oder fünf Klauen fahren, weiß ich nicht. Es ist aber sicher so, dass der Einzylinder-Motor schwieriger zu beherrschen ist, weil er unregelmäßiger läuft. Während zwei Umdrehungen der Kurbelwelle, das entspricht einem Zyklus, schwankt die Drehzahl um 1000/min. Der Motor dreht nicht konstant 10.450/min, sondern die Drehzahl fällt bei einer Zündung massiv ab. Ein Zweizylinder läuft viel regelmäßiger. Das ist der Unterschied von uns zu den Japanern. Demzufolge ist die ganze Transmission nach hinten mehr belastet mit dem Einzylinder und schwieriger zu händeln, da kommt dann auch die Schalterei ins Spiel.»
Obwohl die Gefahr eines herausspringenden Gangs eines im Pulk fahrenden Piloten offensichtlich ist, hat der Motorrad-Weltverband FIM trotz mehrfacher Bitte von KTM bislang nicht reagiert.
«Ich habe das beim Technischen Direktor Scott Smart schon voriges Jahr vorgeschlagen, weil es ein Sicherheitsrisiko ist», hielt Felber fest. «Man müsste die Getriebeklauen nur nachfräsen, es bräuchte keine neuen Getrieberäder. Pro Getriebe würde die Änderung 500 oder 1000 Euro kosten. Das wurde abgelehnt. Ich habe das Problem in einem E-Mail sehr deutlich geschildert, das wurde ignoriert. Ich habe es irgendwann aufgegeben und als gegeben genommen.»