Die Zeit nach Loeb
Wie entscheidet sich Sébastien Loeb?
Im letzten Jahr entschied sich Sébastien Loeb bei der Rallye Deutschland, nachdem das Reglement ihm mit der Startreihenfolge entgegenkam, noch ein weiteres Jahr bis Ende 2013 bei Citroën dranzuhängen. Für ihn und Citroën ein lohnender Vertrag. Loeb wurde mit Citroën zum achten Mal in Folge Rallye-Weltmeister.
Und die fast unendliche Erfolgsstory setzte sich in diesem Jahr fast umgebremst fort. Er fuhr beim letzten WM-Lauf in Neuseeland seinen 72. Gesamtsieg ein und hat damit doppelt so viele Siege wie irgendein anderer Rallyefahrer. Er gewann in dieser Saison von fünf von sieben bisher ausgetragenen WM-Läufen. Er steuert fast ungehindert auf seine neunte WM-Krone zu, liegt er doch nach der ersten Saisonhälfte 38 Punkte vor seinem Citroën-Teampartner Mikko Hirvonen.
Es scheint, als seien Loebs Siegeshunger und Erfolgsdurst weiter so stark, doch der Schein kann trügen. Es deuten sich beim erfolgreichsten Rallyefahrer aller Zeiten Anzeichen von Rallye-Müdigkeit an. Die ihn motivierenden Herausforderungen werden für ihn immer weniger. Seine Ausflüge in andere Motorsport-Diszilpinen häufen sich, wie zuletzt zu den X-Games in Los Angeles, bei denen er im Rallycross auf Anhieb die Goldmedaille gewann, oder seine Starts im französischen Porsche Cup mit dem eigenen Team «Sébastien Loeb Racing». Dort landete beim letzten Rennen in Magny Cours einen weiteren Sieg. 2014 möchte Loeb mit seinem Team, das er zusammen mit seinem Freund Dominique Heintz gründete, in einem LMP2-Fahrzeug wieder die 24 Stunden von Le Mans in Angriff nehmen.
Diese Pläne würden seine ohnehin nur sehr eingeschränkte Freizeit noch mehr einengen. Der Hobby-Hubschrauber-Pilot aber möchte ab dem nächsten Jahr kürzer treten und mehr Zeit für seine Familie haben. Dem aber würde aber eine weitere Vertragsverlängerung mit Citroën für 2014 entgegenstehen. Seine Frau Séverine, eine ehemalige Beifahrerin, würde vielleicht noch etwas Verständnis aufbringen. Seine Tochter Valerine aber möchte gern mehr Zeit mit ihrem Vater verbringen. Loeb selbst erklärte gegenüber einer französischen Zeitung, dass seine Tochter gegen ein weiteres Rallyejahr sei. Dieser Wunsch könnte die Entscheidung von Loeb stark beeinflussen. Loeb erklärte weiter, dass er sich erst entscheiden werde, nachdem er mit Citroën gesprochen habe.
Und Loeb wird auch nicht jünger. Er ist inzwischen 38 Jahre alt, aber dennoch, wie es so schön heisst, noch sehr gut im Saft. Und vielleicht spielt bei seiner Entscheidung auch die Statistik mit. In diesem Jahr ist er auf starken Kurs zum neunten WM-Titel. Und wer soll ihn auch schon aufhalten, ausser er sich selbst? 2013 würde es keinen verwundern, sofern er und Citroën weitermachen, wenn er das Jubiläum mit zehn Meisterschaften in Folge schaffen würde.
Allerdings dürfte auch die wirtschaftliche Situation des PSA-Konzerns, dem Citroën neben Peugeot angehört, eine gewichtige Rolle spielen. In Frankreich wird berichtet, dass Peugeot 8.000 Mitarbeiter entlassen will, was auch den Unmut des Französischen Präsidenten François Hollande öffentlich hervorrief. An Entlassungen käme auch Citroën nicht vorbei. Dies könnte das Motorsport-Engagement von Citroën massgeblich beeinträchtigen, bis hin zum vorzeitigen Stopp.
Würde Loeb wirklich gehen, blieben im Rallyesport ein ganz grosse Lücke und eine nicht mehr auffüllbare Leere zurück. Noch ist auf lange Sicht kein Fahrer da, der ihm auch annähernd folgen könnte. Sein ehemaliger Citroën-Teamkollege und aktuelle VW-Werksfahrer Sébastien Ogier hat im letzten Jahr seine Qualitäten schon angedeutet, doch mit dem Wiedereinsteiger Volkswagen liegt die Messlatte noch viel zu hoch.
Bei Citroën, sofern das Engagement 2013 weitergeht, wäre zwar der Weg für Hirvonen möglicherweise frei, aber wie frei? Petter Solberg, 9 Monate jünger als Loeb, glaubt zwar weiter an Siege, aber die Rückkehr auf die Siegerstrasse ist ihm noch nicht gelungen. Jari-Matti Latvala ist zwar schnell, aber oft halt zu schnell. Und die Frage ist, wie geht es mit ihm weiter. Auch Mads Östberg könnte in der Loeb-Nachfolge eine Rolle spielen.
Wer es such ist, die Bürde der Nachfolge ist unwahrscheinlich schwer. Der Vergleich mit Loeb wird eine fast untragbare Last werden. Aber sie wird kommen, bald. Die Frage ist nur, wie bald.