Erfolgreiches Comeback für Solberg/Minor
Henning Solberg und Ilka Minor
Schon beim «Recce», wie die Besichtigung im Fachjargon genannt wird, war klar, dass die Rückkehr von Henning Solberg und Ilka Minor unter schwierigen Verhältnissen stattfinden wird: «Es hat bis am Samstag vor der Rallye geschneit, doch dann war es einfach zu warm, es hatte Plusgrade. Dann hast du sehr viel Schneematsch auf der Strecke, der extrem rutschig ist – und langsam kommt dann auch der Schotter durch. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es eine der schwierigsten Schweden-Rallyes war, an die ich mich erinnern kann.»
41-jähriges, unentdecktes «Jungtalent»
Das 41-jährige «Jungtalent» und seine 38-jährige Co -Pilotin starteten in einem von M-Sport eingesetzten Ford Fiesta RS World Rally Car. Dabei handelte es sich um ein Testauto – wenige Tage vor der Rallye hat damit interessanterweise Robert Kubica seine ersten Kilometer auf Schnee und Eis absolviert. Henning Solberg musste ohne einen Test in das Abenteuer Schweden-Rallye starten. Eine erste Vergleichsmöglichkeit mit den 16 Konkurrenten der Königsklasse WRC war der Shakedown am Mittwochvormittag.
Am Donnerstagmorgen startete endlich die richtige Rallye. Doch gleich auf der ersten Prüfung kam ein Aha-Erlebnis, wie Ilka schildert: «Wir haben uns gedreht. Dieser Dreher hat uns rund zehn Sekunden gekostet – die Bedingungen waren aber auch extrem schwierig.»
«Überrascht, dass er dermaßen Stoff gibt»
Wenig später, auf der mit 16,8 Kilometern längsten Prüfung der ersten Etappe, der SP 4 «Finnskogen», sorgten Solberg/Minor für erstaunte Gesichter, denn die beiden konnten die zweitschnellste Zeit in den Schnee brennen! Ilka sagt: «Das hat ihn dann natürlich sehr gefreut. Ich muss zugeben, dass es auch mich überrascht hat, dass er dermaßen Stoff gegeben hat, und das so früh in der Rallye. Er hat einfach gesagt: ‚Ich will schnell fahren und meinen Spaß haben!‘ Und er hat auch in den schnellen Kurven Vollgas gegeben, er hat wie Evgeny Novikov einfach stehenlassen und dabei nicht gezuckt.»
Auf WP 7, der letzten Prüfung der ersten Etappe, mussten Solberg/Minor wieder einen Zeitverlust hinnehmen: «Wir hatten nach zwei Kilometern einen Reifenschaden rechts vorne. Wir sind die Prüfung zu Ende gefahren – in Rechtskurven konnten wir normal weiterfahren, doch in den Linkskurven mussten wir natürlich aufpassen.» Rund eine halbe Minute büßten Solberg/Minor ein, sodass sie auf Rang 13 abrutschten.
Hagfors Sprint: Bestzeit!
Am Freitagvormittag kam das nächste Highlight: Auf dem 1,9 Kilometer langen «Hagfors Sprint» durften sich Henning und Ilka über die Bestzeit freuen. Auf der kurzen Strecke konnten sie dem zweitplatzierten Weltmeister Ogier satte 1,7 Sekunden abknöpfen. Ilka wundert sich heute noch: «Das ist beinahe eine Sekunde am Kilometer!» Lachend fügt sie hinzu: «Ich habe keine Ahnung, was Henning da gemacht hat.»
Bei der abschließenden Karlstad-Prüfung lagen die beiden am Ende der zweiten Etappe auf Platz sieben. Allerdings näherte sich von hinten Sebastien Ogier, der sich nach seinem Ausritt auf einer Aufholjagd befand.
Die Schrecksekunde: Dreher bei 140 km/h
Auf der letzten Etappe der Schweden-Rallye waren noch acht Prüfungen mit 141,2 Kilometern zu absolvieren. Auf der WP 20 «Vermüllsasen» kam der mit Abstand heikelste Moment für das norwegisch-österreichische Duo. Ilka erzählt: «Wir hatten einen Highspeed-Dreher. Auf einer engen Straße drehten wir uns bei rund 140 km/h um die eigene Achse. Es war ein Wunder, dass wir nirgends eingeschlagen sind, denn es waren unter dem Schnee einige Baumstümpfe zu erkennen. Man präpariert sich in einer solchen Situation auf einen solchen Einschlag – doch zum Glück kam er nicht, irgendwie konnte Henning den Wagen abfangen. Und so sind wir einfach weitergefahren.» Im Ziel der WP sagte Solberg: «Das wäre beinahe das Ende gewesen.»
Zwar lagen die beiden zu diesem Zeitpunkt bereits auf Rang sechs, doch den vorstürmenden Ogier konnten sie dann doch nicht hinter sich halten. So beendeten Henning Solberg und Ilka Minor die Schweden-Rallye auf Platz sieben Stiefsohn Pontus Tidemand Platz acht. Einmal mehr also konnten Solberg/Minor WM-Punkte an Land ziehen. Ilka sagt: «Er arbeitet hart an weiteren Einsätzen – zwar werden wir bei der nächsten WM-Rallye in Mexiko nicht dabei sein, aber vielleicht geht sich ja ein Start in Portugal aus.»
Von wegen Glanz und Glamour
Der weitere Ablauf nach der Zieldurchfahrt auf SP 24 wirkte dann doch ein wenig ernüchternd…
Ilka erzählt: «Im Hotel habe ich noch schnell geduscht, ehe mich ein Freund von Henning nach Oslo brachte, wo wir drei Stunden später ankamen. Dort, im Flughafenhotel, habe ich dann alleine mein Abendessen zu mir genommen, danach ging‘s gleich ins Bett – denn schon zeitig am Morgen startete der Flieger nach Wien. Mein Ehemann holte mich ab, den Rest des Sonntags habe ich gemütlich vor dem Fernseher verbracht und mir die Olympiade angeschaut.»
Glanz und Glamour? Eben erst mit 150 durch den Wald geflogen und dann vor dem Fernseher faulenzen? Ilka lacht: «Ich weiß, das würden viele nicht vermuten. Nur: Warum sollen nicht auch Rallyepiloten abseits des Cockpits ein normales Leben führen? Wenn du im Büro arbeitest, gehst du ja auch nach Hause, um ein normales Leben zu führen. Irgendwann sind doch alle normal, oder?»