Timo Scheider: DTM-Abgang mit fadem Beigeschmack
Es hatte sich angedeutet, als am Samstag um 17.42 Uhr eine Pressekonferenz mit Timo Scheider angekündigt wurde. Dafür hatte es zuletzt zu viele außerplanmäßige PKs gegeben, auf denen in den vergangenen Wochen Martin Tomczyk und Antonio Felix da Costa ihre DTM-Karrieren beendet hatten. Stilvoll. Mit einem vernünftigen Rahmen nach offensichtlich wohl überlegten Entscheidungen. Und sogar einem Empfang am Freitag des Saisonfinales mit Currywurst und Cocktails.
Scheider saß stattdessen in Hockenheim auf dem Podium im gut gefüllten Presseraum. Der 37-Jährige riss sich zusammen. Er versuchte es zumindest. Allerdings vergeblich. Bereits nach wenigen Sätzen stockte seine Stimme, bis sie ihm komplett versagte. Der zweimalige Champion kämpfte mit den Tränen, und auch diesen Kampf verlor er recht schnell.
Vor zahlreichen Weggefährten, Audi-Fahrerkollegen und Journalisten rang Scheider mit seinen Emotionen, als er seinen Abschied aus der DTM verkündete. Verkünden musste. Denn freiwillig war das Ganze nicht. Und so wirklich stilvoll leider auch nicht.
«Ich habe vor zwei Tagen einen Anruf erhalten, bei dem mir mitgeteilt wurde, dass die Zusammenarbeit zwischen Audi und mir keine Zukunft mehr hat. Das ist ein Stück weit tragisch, weil ich es mit anders vorgestellt hatte», sagte Scheider mit Tränen in den Augen. Immer wieder übermannten ihn die Gefühle. Es dürfte eine Mischung gewesen sein. Traurigkeit, klar. Auf jeden Fall aber auch Enttäuschung. Wenn nicht gar Wut.
Denn tatsächlich: Scheider erhielt einen Anruf. Vor zwei Tagen. Also einen Tag vor dem Rennwochenende in Hockenheim. «Es gibt sicherlich angenehmere Momente und auch angenehmere Telefonate und so etwas zwei Tage vor einem Rennen zu erfahren. Aber damit muss ich jetzt umgehen», sagte Scheider. Er versuchte es wirklich.
Dabei war es eine simple telefonische Mitteilung nach 16 Jahren in der DTM, dass man mit ihm nicht mehr weitermacht. Also offenbar nicht mal ein persönliches Gespräch. Natürlich: Seine sportlichen Leistungen waren in den vergangenen Jahren nicht mehr so, wie er es auch selbst von sich erwartet hat.
Und die mögliche Reduzierung des Fahrerfeldes auf nur noch sechs Autos pro Hersteller hatten auch aus ihm einen potenziellen Streichkandidaten gemacht. Und natürlich gilt auch in der DTM das Leistungsprinzip, und da kann man bei Härtefällen auch vor großen Namen keinen Halt machen.
Man kann es im Fall von Audi aber anders machen. Denn Scheider hätte sich ohne Frage gerne anders verabschiedet als mit einer kurzfristig einberufenen PK. Stilvoller, seiner DTM-Karriere mit am Sonntag 181 Rennen und zwei Titeln entsprechend. Wichtig sind ihm in diesem Zusammenhang vor allem seine Fans, die durch 16 Jahre in der DTM nicht wenige sind.
Bei ihnen hätte er sich gerne bedankt, im Vorfeld, und nicht kurzfristig. Jetzt bleiben ihm am Sonntag ein paar Donuts, mit denen er angesichts der Titelentscheidung sowieso im Schatten des neuen Champions steht.
Komplett von der Bildfläche verschwinden wird er freilich nicht. «Ich bin Vollblut-Racer. Ich habe viele Pläne und viele Gespräche. Es ist aber noch zu früh, etwas zu sagen. Timo Scheider wird aber bald wieder in einem Rennauto sitzen», kündigte er an. Beim Saisonfinale der Rallycross-WM wird er wieder als Gaststarter dabei sein, möglicherweise fährt er 2017 auch eine ganze Saison in der Serie. Daneben betreibt er auch sein eigenes Team in der Formel 4.
Es gibt allerdings nicht nur Audi in der DTM, doch dass das kurzfristige Aus bei den Ingolstädtern bei BMW und Mercedes Interesse wecken könnte, glaubt Scheider nicht. «Realistisch gesehen ist meine DTM-Karriere vorbei. Ich habe nichts dagegen, wenn es plötzlich anders aussieht. Aber ich glaube, dass meine Zukunft woanders liegt», sagte Scheider.
Wer ihn denn nun angerufen hat und was im Detail besprochen wurde – das wollte Scheider nicht verraten. Das musste er auch gar nicht. Seine Emotionen sprachen Bände.