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Gerhard Berger wird 60: Die ernste Seite des Playboys

Von Andreas Reiners
DTM-Chef Gerhard Berger

DTM-Chef Gerhard Berger

DTM-Chef Gerhard Berger wird 60 Jahre alt. Ein Tag, an dem er sich versteckt, denn eine Überraschungsparty hat er abgesagt, stattdessen steht die Familie im Mittelpunkt.

Gespräche mit Gerhard Berger sind selten gleich. Der Österreicher hat immer einen lockeren Spruch parat, ist humorvoll, und man merkt nicht nur durch seinen Schmäh, warum er früher als Lausbub der Formel 1 galt.

Mal nimmt er sein Gegenüber hoch, sehr gerne auch die Formel E, oder aber auch sich selbst. Das verschmitzte Lächeln gehört untrennbar dazu. Klar ist: Eine griffige Schlagzeile ist bei einem Interview eigentlich immer dabei.

Doch es gibt auch Themen, bei denen man die ernste Seite kennenlernt. Das Nachdenkliche. Wo man merkt, dass bei ihm nicht alles immer nur Spaß, nicht alles nur Augenzwinkern ist.

Party abgesagt

Die Antwort kommt dann auch wie aus der Pistole geschossen. Was macht er an seinem 60. Geburtstag an diesem Dienstag: Verstecken oder feiern?

«Verstecken», stellt er bei SPEEDWEEK.com klar. Und meint das vollkommen ernst.

Er verrät, dass er zufällig herausgefunden hat, dass seine Freundin heimlich eine Party mit Freunden organisiert hat. Ja, tatsächlich: Berger ließ die Party abblasen. «Ich will keine Party. Ich will für zwei, drei Tage mit meiner Familie in Italien sein.»

Denn die runde «Sechs» ist nichts, an dem er einen großen Spaß hat. Im Gegenteil. Es ist aber eine gute Möglichkeit, den anderen Berger kennenzulernen.

Denn bei der üblichen Frage nach den Wünschen läuft alles auf einen gemeinsamen Nenner hinaus: Mehr Zeit. Für sich, aber vor allem mehr Zeit für die Familie. Ja, er mag ein Lausbub, ein Playboy gewesen sein. Doch Berger macht gar keinen Hehl daraus, dass er auf eine Art spießig geworden ist. Das Fürstentum Monaco hat er vor einigen Jahren verlassen, ist in seine Heimat Tirol zurückgekehrt. Dorthin, wo er aufgewachsen ist. Berger, der einstige Draufgänger, ist durch und durch Familienmensch.

Kinder das größte Glück

Seine Kinder sind dann auch sein größter Sieg, wenn man im Motorsport-Sprech bleiben will, sein größtes Glück, «das Schönste und Wichtigste», wie er betont. Leider hatte er sie noch nie alle zusammen an einem Platz.

Neben einer erwachsenen Tochter aus einer früheren Beziehung hat er mit seiner Ex-Frau Ana zwei weitere erwachsene Töchter, mit seiner jetzigen Lebensgefährtin Helene eine Tochter (5) und einen Sohn (2). «Ich hatte Höhen und Tiefen, Unfälle und Schicksale. Aber das einschneidendste, das schwierigste Erlebnis war die Trennung von meiner damaligen Frau und das Drumherum, das damit zu meistern war, vor allem emotional», sagt Berger: «Das dauert Jahre und zehrt.»

Und durch die Trennung hat er ein schwieriges Verhältnis mit zwei seiner älteren Töchter. «Da wünsche ich mir, dass es wieder besser wird.»

Denn gewisse Ereignisse sorgen automatisch dafür, dass man sich mit der eigenen Sterblichkeit immer öfter konfrontiert sieht. Berger hat 2018 einige Freunde verloren, darunter zum Beispiel Niki Lauda, Charly Lamm oder auch Charlie Whiting.

«Das hat mir ziemlich zu denken gegeben. Wenn man in das letzte Drittel seines Lebens einmündet, muss man darauf gefasst sein, dass die Gesundheit nicht mehr so mitspielt. Und da gehört es dann auch dazu, mehr Zeit für sich selbst herauszuholen», sagt er.

Er bereut nichts

Aber er stellt unmissverständlich klar: Einer wie Berger bereut nichts. Er gehört zu den Menschen, die vielleicht mehr Bauchmensch sind, von Emotionen geleitet werden und so auch Entscheidungen treffen. «Das ist manchmal auch falsch», weiß er: «Aber am Ende bereue ich es nicht, weil ich froh bin, dass ich Emotionen habe.»

Er bereut es auch nicht, dass seine Formel-1-Karriere bei ATS, Arrows, Benetton, Ferrari und McLaren zwar mit zehn Siegen in 210 Rennen und zwei dritten WM-Plätzen dekoriert ist, zwischen 1984 und 1997 theoretisch aber mehr drin gewesen wäre. Er war immer vorne dabei, für ganz vorne, für die Weltklasse, für einen Titel reichte es aber nicht.

Denn dazu gehört nicht nur Talent, sondern das Gesamtpaket: «Fleiß, Disziplin, Egoismus, Speed, Killerinstinkt, Glück. Das kann dich zum Titel führen», betont Berger: «Das Paket war aber bei mir nicht so ausgeprägt wie bei Ayrton Senna, Alain Prost oder Lewis Hamilton.»

Es war sowieso eine andere Zeit. Heute stehen Abstinenz und Disziplin ganz oben auf der Agenda, da werden an den Rennwochenenden nächtelang die Daten gewälzt. Wenig geschlafen hat auch Berger damals, aber aus anderen Gründen. Denn es war eine Zeit, in der man sein Leben neben dem Motorsport genießen und trotzdem Erfolg haben konnte. Da reichte es dann zum Podium, aber eben nicht zum ganz großen Wurf.

Beide Seiten abgedeckt

«Ich habe immer versucht, beide Seiten der Medaille abzudecken. Die der Disziplin, der Härte des Rennsports. Aber auch den Spaß, das Nachtleben. Man kann damit Rennen gewinnen so wie ich, Weltmeisterschaften aber nicht», weiß Berger, der deshalb als Playboy galt.

In der kombinierten Party-Renn-Wertung wäre er dann auch weit vorne gewesen. «Wäre es darum gegangen, beide Seiten bestmöglich mitgenommen zu haben, wäre ich wahrscheinlich zehnmaliger Weltmeister. Das wird nur leider so nicht gemessen. Aber die Karriere ist gut so wie sie war. Vor allem: Ich lebe noch. Viele Kollegen haben es nicht geschafft.»

Die Feierei (ohne Rauchen und Alkohol, dafür aber Frauen und Spaß) war in einer Zeit, in der Unfälle und Tote noch zum Rennalltag gehörten, auch eine Ablenkung. Er selbst sprang dem Tod 1984 bei einem privaten Autounfall und 1989 beim Feuerunfall in Imola von der Schippe.

Gegenwelle zu Unfällen und dem Tod

Das Feiern «war eine Art Gegenwelle, den man zu einem harten Sport, der gefährlich war, erzeugt hat», so Berger, der zugibt: «Da konnte man alles vergessen. Ich habe das Leben gerne genossen.» Die Zeit sei maßgeschneidert für ihn gewesen, sagt er. Aber die Karriere war ja auch nicht nur Party. Denn was das Schönste war, da muss er nicht lange überlegen: «Ein Rennauto am Limit zu bewegen.»

Der Kick fehlt ihm heute nicht. Berger. «Zum einen, weil ich körperlich nicht in der Lage wäre, das nochmal zu machen. Und weil ich sonst mit tollen Aufgaben beschäftigt bin.»

Beruflich läuft es bestens

Denn beruflich läuft es bestens. Berger hat drei Firmen, 500 Menschen arbeiten für ihn. Er war nach seiner aktiven Karriere sowieso umtriebig, er war nicht nur Geschäftsmann, sondern ab 1998 auch Motorsportdirektor von BMW, Teamchef bei Toro Rosso, dazu Vorsitzender einer Kommission des Automobilverbandes. Seit 2017 ist er Chef der Tourenwagen-Serie DTM.

«Meine Firmen funktionieren. Die DTM ist auf dem richtigen Weg. Dass es immer wieder einen Rückschlag gibt, gehört in diesem Geschäft einfach dazu. Es ist toll, wenn man Herausforderungen und Aufgaben hat und jeden Tag kämpfen muss, auch wenn die Batterien nicht mehr so stark sind wie in jungen Jahren. Es ist bisweilen anstrengend. In Summe bin ich aber total zufrieden», sagt Berger.

Vor allem die DTM nimmt viel Zeit in Anspruch. Wie lange will er noch weitermachen als Serienboss? «Ich höre auf, wenn die Hersteller mich nicht mehr wollen», sagt Berger.

Und lacht. Nur ernst geht bei Berger nicht. Auch nicht an seinem 60.

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Von Ivo Schützbach
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