Stucks emotionale DTM-Zeitreise: «Pures Fahren»
Hans-Joachim Stuck kann sich an den Anruf noch genau erinnern. Ferdinand Piëch war dran, damals, Ende der 1980er Jahre, seit Kurzem der Audi-Vorstandsvorsitzende.
Stuck, der in den 70er Jahren immerhin 74 Rennen in der Formel 1 absolviert hatte, war zu dem Zeitpunkt 39 Jahre alt, hatte 1986 und 1987 die 24 Stunden von Le Mans gewonnen, war also immer noch schnell und erfolgreich unterwegs.
Stuck lächelt, wenn er das Gespräch wiedergibt, mit dem ihm der Einstieg der Ingolstädter in die DTM angekündigt wurde. Durch den er von den Sport- zu den Tourenwagen wechselte.
«Wir fahren nächstes Jahr DTM», hatte der Audi-Chef dem Rennfahrer damals erklärt.
Stuck: «Mit was für einem Auto fahren wir denn da?»
Piëch: «Mit dem V8.»
Stuck: «Na Bravo, mit dem großen schweren Auto gegen die BMW und Mercedes.»
«Herr Stuck, Obacht, sie werden sich noch wundern», kündigte Piëch an.
Und sollte Recht behalten. Stuck gewann 1990 auf Anhieb den Titel mit einem Auto, als dessen Basis die Oberklasse-Limousine diente, die abseits der Rennstrecke eher ein Reinfall war.
Audi war ab 1988 mit dem V8 angetreten, um die S-Klasse von Mercedes und die 7er-Reihe von BMW anzugreifen. Gebaut wurden aber nur 21.565 der angepeilten 40.000 Exemplare.
Umso erfolgreicher war man auf der Rennstrecke. «Den ersten Auftritt mit Audi in Zolder würde ich in die fünf tollsten Erlebnisse meiner Rennfahrer-Karriere einordnen», erklärt Stuck in einem Rückblick auf den Saisonstart 1990, das Audi-Debüt mit dem Audi V8 quattro DTM. Am 1. April war das also exakt 30 Jahre her.
Manuelle Gangschaltung, kein ABS, kein Schnickschnack. «Es war einfach pures Fahren, der Fahrer war zum Großteil entscheidend für Sieg oder Niederlage», so Stuck.
Wie fuhr sich das Auto? «Mit dem Sechsgang-Getriebe, das wir auch in der Rallye nutzten, hatten wir nie ein Übersetzungsproblem. Das Auto hat sehr gut gebremst, sehr gut verzögert, war präzise zum Einlenken. Ich habe mit jeder Runde mehr Spaß bekommen.»
Der etwas ungelenk wirkende Audi gegen die Renn-Tourenwagen BMW M3 oder Mercedes 190E bedeutete damals aber auch 1220 Kilo gegen 1040 Kilo. «Es war klar, dass die uns wegen dem Allrad ein Strafgewicht aufgelegt hatten. Es kam aber noch Gewicht hinzu, zum Beispiel 50 Kilogramm für jeden Sieg», so Stuck.
«Wie ein Kessel Weißwürste» im Auto, wie er einst sagte. Schon damals gab es Diskussionen wegen der Gewichte. «Ist der Audi zu leicht? Passt das so? Aber das war der Anreiz, verschiedene Ansätze gegeneinander fahren zu lassen», so Stuck.
Der allererste Auftritt in Zolder war ein kleines Desaster. Vor der ersten Kurve war das Rennen schon im Eimer, er wurde von Steve Soper im BMW getroffen. Die Felge war beschädigt und die Spur verbogen, Stuck musste an die Box.
Er startete eine kleine Aufholjagd, fuhr noch auf Platz 14. «Man hat gemerkt, wo der Vorteil des Autos lag. Zum einen im maximalen Aufbau des Grips, ich konnte früher aufs Gas gehen und hatte am Kurvenausgang mehr Schwung, den ich auf der Geraden nutzen konnte.»
Sein Markenzeichen: «Quer ist mehr», lachte Stuck: «Ob das immer schneller war, weiß ich nicht, aber es sehr spektakulär.»
Spektakulär waren auch die Besucherzahlen, dem Veranstalter gingen die Eintrittskarten aus, 90.000 Zuschauer waren es beim ersten, 100.000 beim zweiten Rennen.
Das war für Stuck auch deutlich erfolgreicher, er fuhr als Dritter auf das Podium. «Für uns war das der perfekte Einstieg, wir konnten zwei Renndistanzen fahren und haben viel gelernt. Es war toll für Audi, für mich war es mega, ich vergesse nie, wie ich in die Boxeneinfahrt reingefahren bin und halb aus dem Auto heraushing und gejubelt habe.» Auch das ein Markenzeichen, der aus dem Fenster heraus jubelnde Stuck war ein perfektes Bild für eine Saison, die er mit sieben Siegen als Meister beendete.
Für den Rückblick schaute er sich die Rennen 30 Jahre später erneut an. «Die letzten 15 Minuten hatte ich noch einmal Gänsehaut. Das war wie zurückversetzt in diese megatolle geile Zeit.»