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DTM-Chef Aufrecht: Bis 2011 ein Überlebenskampf

Von Andreas Reiners
Aufrecht

Aufrecht

DTM-Chef Hans Werner Aufrecht spricht im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.DE über neue Stars in der DTM, neue Ziele und seine persönliche Bilanz nach über 25 Jahren.

SPEEDWEEK.DE: Hans Werner Aufrecht, wie wichtig ist die Verpflichtung von Timo Glock für die DTM?

Hans Werner Aufrecht: Ich glaube, dass sie sehr wichtig ist. Nicht nur für die DTM, sondern auch für die jungen Fahrer. An ihm können Sie sich messen und reiben. Wir brauchen diese Stars, damit andere Stars entstehen.

SPEEDWEEK.DE: Ist Glock erst der Anfang? Weitere Namen, wie zum Beispiel Robert Kubica, werden gehandelt…

Aufrecht: Ich bin für jeden weiteren dankbar.

SPEEDWEEK.DE:
Wie erklären Sie sich die offensichtliche Attraktivität der DTM für Ex-Formel-1-Fahrer?

Aufrecht: Timo Glock hat das schön erklärt: Die Fahrer haben die Möglichkeit, sich im Sport zu beweisen. Das konnte Glock seit seinem Weggang von Toyota nicht mehr. Die Fahrer können beweisen, wie gut oder schlecht sie tatsächlich sind.

SPEEDWEEK.DE: Was entgegnen Sie dann den Kritikern, die sagen, die DTM sei nur ein Auffangbecken für alternde Formel-1-Piloten?

Aufrecht: Leute wie Jean Alesi oder Mika Häkkinen haben da bereits das Gegenteil bewiesen. Häkkinen ist nur ausgestiegen, weil er der Meinung war, dass er zu Unrecht bestraft wurde. Da sieht man, wie ernst die Fahrer das nehmen. Dass Ralf Schumacher und Heinz-Harald Frentzen nicht auf Anhieb zurechtkamen, das hat Gründe, die ich aber nicht kenne.

SPEEDWEEK.DE: Was erscheint Ihnen für die DTM wichtiger: Möglichst viele Stars in die Serie zu locken oder die Suche nach Nachwuchstalenten zu forcieren?

Aufrecht: Die Mischung ist mir wichtig. Drei tolle Namen und dann eine Mischung aus erfahrenen DTM-Fahrern und zusätzlich junge Fahrer, die aus der Formel 3 kommen.

SPEEDWEEK.DE: Die DTM hatte in der vergangenen Saison ein Herzschlagfinale, die Änderungen haben sich insgesamt ausgezahlt. Alles gut also?

Aufrecht: Das zu sagen, wäre der erste Rückschritt. Deshalb haben sich der Vorstand und der Beirat auch zusammengesetzt, um für die Saison 2013 Themen anzusprechen und umzusetzen. Es geht darum, die Berechenbarkeit in den Hintergrund zu drängen. Die Formel 1 hat gezeigt, dass Strategie, aber auch Zufall eine große Rolle spielen, zum Beispiel bei den Reifen. Das sind sicher Themen, die wir auch in der DTM umzusetzen versuchen.

SPEEDWEEK.DE: Was ist das im Einzelnen?

Aufrecht: Ich gehe davon aus, dass wir in der neuen Saison auch einen Option-Reifen haben werden. Davon verspreche ich mir verschiedene Strategien, ähnlich wie in der Formel 1, so dass Überholvorgänge auch während und am Ende des Rennens passieren können.

SPEEDWEEK.DE: Stichwort Berechenbarkeit: Leidet durch die mehr als 50 Gleichteile nicht die Identität der einzelnen Hersteller?

Aufrecht: Die Budgetreduzierung war sicher eine ganz schwierige Aufgabe, das schafft man nur mit Gleichteilen, durch die die Entwicklung gestoppt ist. Aber man muss trotzdem versuchen den Herstellern gewisse Dinge zu belassen, in denen ihre Kernkompetenz liegt. Zum Beispiel beim Motor oder bei der Aerodynamik, wo wir Freiheiten erlauben. Die Balance ist hervorragend gelaufen.

SPEEDWEEK.DE: BMW hat sich ja mit dem Titelgewinn eindrucksvoll zurück gemeldet. Lockt das andere Hersteller an?

Aufrecht: Keine Frage. Mit Japan haben wir ab 2014 bereits einen Kooperations-Vertrag. Nissan und Toyota werden ab 2014 mit dem gleichen Reglement fahren - Honda zwei Jahre später. Da sehen sie die Entwicklung.

SPEEDWEEK.DE: Wann kommen diese Hersteller dann in die DTM?

Aufrecht: Wir können nur das Feld bereiten. Wenn die Japaner mit dem gleichen Reglement fahren, bietet es sich an, dass deutsche Hersteller in Japan fahren und umgekehrt. Ich gehe davon aus, dass wir auch mit Nordamerika schnell zu einem Vertrag kommen.

SPEEDWEEK.DE: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der DTM in den letzten Jahren?

Aufrecht: Bis 2011 hatten wir sicher einen Überlebenskampf. Das endete im neuen Reglement und dadurch konnten wir BMW gewinnen. Da können wir sehr zufrieden sein. Die Rennen im Jahr 2012, die wir gefahren sind, sind genau das, was der Fan will. Wir haben deutlich steigende Zuschauerzahlen vor Ort. Unzufrieden sind wir damit, dass wir es im TV noch nicht so rüberbringen können. Aber daran arbeiten wir.

SPEEDWEEK.DE: Die ARD hat kritisiert, dass der DTM die Typen fehlen…

Aufrecht: Das wird im Sport gerne kritisiert. Aber Typen muss man gemeinsam kreieren. Typen haben wir genug, wir müssen sie nur entdecken.

SPEEDWEEK.DE: Welche Aufgabe hat dabei die ARD?

Aufrecht: Die Jungs ins Bild zu setzen. Das passiert nur zu selten. Da spricht man lieber mit Motorsportchefs. Da kritisiere ich die ARD, dass die Chefs zu wichtig sind. Wir sind eine Herstellermeisterschaft, aber wir dürfen die Fahrer nicht vergessen.

SPEEDWEEK.DE: Wie sehr trifft die Wirtschaftskrise die DTM?

Aufrecht: Im Moment können oder dürfen wir das verneinen, wir haben großen Zuspruch von den Zuschauern. Wir sind auch nicht unglücklich über die Sponsorensituation. Wir sind in der guten Lage, auch neue Sponsoren zu gewinnen. Auch in diesen schwierigen Zeiten.

SPEEDWEEK.DE:
Warum wurde der Zeitplan geändert?

Aufrecht: Um Kosten zu sparen. Und um die Zeiten, in denen getestet werden kann, zu kürzen, so dass dem Zufall mehr Tür und Tor geöffnet wird.

SPEEDWEEK.DE: Die Devise «Kosten sparen» hat ja bisher gut funktioniert. Wo sehen Sie noch Möglichkeiten?

Aufrecht: Wir müssen noch an den Einsatzkosten und Standzeiten der Fahrzeuge arbeiten. Das ist der erste Schritt und dann müssen wir die Laufzeiten der einzelnen Teile erhöhen. Konkret heißt das: Wir haben gerade drei Motoren für zwei Fahrzeuge. Ein Beispiel wäre, dass man irgendwann für einen Hersteller nur einen Ersatzmotor hat. Oder hinsichtlich der Laufzeiten von Getrieben: Da sollten auf Dauer die Laufzeiten aufs Doppelte erhöht werden. Legen Sie mich nicht auf Zahlen fest, aber von jetzt vielleicht 5000 km auf dann 10000 km.

SPEEDWEEK.DE: Gibt es Überlegungen, die Saison vorzuziehen? Die Pause bis Mai ist sehr lange…

Aufrecht: Im Moment nicht. Der Kalender steht und ist sehr kompakt. Wir sind wegen der langen Pausen zwischen den Rennen immer angegriffen worden, das haben wir dieses Jahr nicht. Wir werden sehen, wie es funktioniert.

SPEEDWEEK.DE: Was kann sich die DTM von der Formel 1 abgucken?

Aufrecht: Das Standing der Formel 1 ist ungleich höher als das der DTM. Das sehen wir auch an den Zahlen. Da haben wir noch viel Luft nach oben.

SPEEDWEEK.DE: Wie genau müssen oder wollen Sie hinschauen?

Aufrecht: Man muss sich den ganzen Sport ansehen. Die Formel 1, aber auch NASCAR oder die Kollegen in Australien. Also die Serien, die erfolgreich sind. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Veranstaltungen für jeden etwas bringen. Entertainment ist das Stichwort. Die Leute unterhalten, mit Sport, aber auch mit Musik und Show.

SPEEDWEEK.DE: Kann sich die Formel 1 umgekehrt etwas von der DTM abschauen?

Aufrecht: Sie können sich zumindest etwas abschauen, wenn es um die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Serienbetreiber angeht. Wie wir zu unseren Ergebnissen kommen, wie wir in der Lage sind Kosten, zu reduzieren. Die Frage ist, ob sie das wollen.

SPEEDWEEK.DE: Die DTM ist in der Saison zum ersten Mal in Russland zu Gast. Was ist mit den China-Plänen?

Aufrecht: Ich gehe davon aus, dass wir dort 2014 fahren können. Wir sind dabei, die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Ich hoffe, es gelingt.

SPEEDWEEK.DE: Sie sind seit mehr als 25 Jahren an der Spitze der DTM. Wie würde Ihre Bilanz heute ausfallen?

Aufrecht: Es ist gelungen, in Deutschland konstant Motorsport zu machen. Vorher hat eine Serie maximal fünf Jahre funktioniert. Und dann war tote Hose. Es ist gelungen, mit der DTM abgesehen von einer Pause von drei oder vier Jahren seit 1984 konstant durchzufahren. Das spricht für sich.

SPEEDWEEK.DE: Was war Ihr schönstes Erlebnis?

Aufrecht: Dass es uns gelungen ist, das neue Reglement mit den Herstellern zu erarbeiten und BMW in die Serie zu bringen.

SPEEDWEEK.DE:
Und der grösste Rückschlag?

Aufrecht: 1996 – der Ausstieg von Alfa und Opel.

SPEEDWEEK.DE: Sie haben einen Wunsch für die DTM frei. Was wünschen Sie sich?

Aufrecht: Ich wünsche mir, dass das Reglement in den drei Ländern, in denen wir es fahren können, zum Erfolg wird.

SPEEDWEEK.DE: Träumen Sie insgeheim von einem Engagement von Michael Schumacher?

Aufrecht:
Träumen kann man immer.

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