Timo Glock: «DTM-Tohuwabohu? Das ist doch geil»
In der DTM ist 2015 alles möglich
Da stellt sich vor allem die Frage: Ist das nun gut oder schlecht? Ist das ein Manko der DTM oder gerade das große Plus? Legt man den immer wieder gerne gezogenen, wenn auch schwierigen Vergleich mit der Formel 1 zugrunde, kann einer Serie kaum etwas Besseres passieren. Während in der Motorsport-Königsklasse Lewis Hamilton bereits beim nächsten Rennen seinen Titel verteidigen kann und die Langeweile immer wieder kritisiert wird, wird der neue DTM-Champion erst am finalen Rennwochenende in Hockenheim ermittelt.
Serienmeister und -sieger? Gibt es seit Bernd Schneider nicht mehr. Es wird nicht unbedingt der mit den meisten Siegen Meister, sondern derjenige, der am konstantesten in die Punkte fährt.
Es wird natürlich immer wieder auch nach Erklärungen gesucht. In der Formel 1 sind Wetten auf den Rennsieger keine Herausforderung, da ist klar: Passiert nichts völlig Außergewöhnliches, steht ein Mercedes ganz vorne, weil der Silberpfeil der Konkurrenz haushoch überlegen ist. In der DTM kann derjenige, der am Samstag das Rennen gewonnen hat, nur 24 Stunden später theoretisch im Nirgendwo landen. Und das ohne eine wirklich plausibel wirkende Erklärung. Ein aktuelles Beispiel: Edoardo Mortara fuhr im ersten Rennen auf dem Nürburgring vorne mit, am Sonntag lief es gar nicht mehr.
Dass die Standardreifen von Hankook weiterhin für Schwankungen, wenn auch kleinere, sorgen, ist immer noch Thema in der DTM. Und diese kleinen Unterschiede haben in der DTM eben eine große Wirkung. «Manchmal hat man Grip, manchmal nicht. Wir sprechen nicht von großen Abständen. In der DTM sind die aber ausschlaggebend», sagt Mike Rockenfeller. Hinzu kommt, dass es in der DTM acht Fahrer einer Marke gibt. Jeden noch so kleinen Fehler nutzen die Teamkollegen aus.
«Es hängt so eng zusammen, ein Fehler und du stehst hinten. Ich glaube, das ist das Einzige, wie man es dem Fan erklären kann. Du kriegst nicht immer die perfekte Runde hin», sagt Timo Glock. Die Krux: Ist die Runde nicht perfekt und fehlen ein paar Zehntel, bedeuten das in der DTM gleich einige Positionen. «Dann weißt du, dass der eine Fahrer mal ein bisschen was findet vom Setup her oder vom Reifen her einen kleinen Vorteil hat», so Glock, bei dem es zuletzt in Oschersleben ähnlich war. Am Samstag ein überlegener Sieg, am Sonntag darauf «nur» mitgefahren. «Wenn es so eng beisammen liegt, dann kommt es auch auf Kleinigkeiten an. Wenn du einen kleinen Patzer drin hast, im Setup oder was auch immer, dann stehst du mittendrin im Salat.»
Von einer Lotterie, bedingt durch beispielsweise die Performancegewichte, will er aber nichts hören. «Es ist keine Lotterie. Derjenige, der den besten Tag erwischt, ist vorne dabei. Wir beschweren uns immer, dass es so langweilig ist. Jetzt ist hier Tohuwabohu, hoch, runter, links, rechts. Das ist doch geil. Jeder hat die Chance in diesem Feld ein Rennen zu gewinnen. Was sollst du da dem Fan erklären? Das ist einfach eine ausgeglichene Meisterschaft.» Auch Timo Scheider sucht gar nicht erst nach Erklärungsversuchen. «Wie sollen wir das machen, wenn wir es selbst nicht verstehen?» Denn oft wird von einem auf den anderen Tag nichts geändert – und trotzdem steht man hinten. «Das sorgt für Kopfzerbrechen», so Scheider.
Die Verantwortlichen denken darüber nach, hinsichtlich der Zusatzgewichte für 2016 erneut an Stellschrauben zu drehen. Für Glock ist klar: «Weil wir immer nach dem Negativen suchen und nie nach dem Positiven.» Sein Vorschlag: «Mehr Leistung und weniger Aero.» Und natürlich auch einen weicheren Reifen, den sich im Grunde jeder Fahrer wünscht.
«Es passieren mehr Fehler, wenn du pausenlos rutschst. Aber das ist anscheinend nicht der Weg, den die Herren sehen. Die sagen eher härter. Aber wir sitzen im Auto. Wir sind die Einzigen, die das beschreiben können. Und nicht die Leute, die da am Monitor sitzen und ein Rennen am Fernsehen gucken», so Glock.
Möglicherweise wäre das ja ein Thema für die Fahrergewerkschaft. Doch Glock weiß auch, dass die Einflussmöglichkeiten begrenzt sind. «Das haben wir schon Anfang des Jahres angesprochen. Wir sprechen es immer an, aber wir sind nicht die Herren, die entscheiden. Das sind leider andere.»