6h Spa: Rückblick auf das siebte Rennen der FIA WEC
Ganz klar: Für die größte Geschichte des Rennwochenendes von Spa-Francorchamps sorgte der Wettergott. Dieser hatte den Rennplatz in den belgischen Ardennen in der Nacht zum Samstag mit einer geschlossenen Schneedecke überzogen. An machen Stellen betrug die Schneehöhe knapp zehn Zentimeter. Einige Spötter wollten sich für die traditionelle Fan-Wanderung rund um die 7,004 Kilometer lange Strecke noch mit Langlaufskiern eindecken. Das hatte die FIA WEC zuvor noch nie erlebt.
Neben all den Zuschauern, die sich trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt die Rennaction angesehen haben, geht ein großes Kompliment auch an Rennleiter Eduardo Freitas. Der Portugiese behielt bei den so komplizierten Wetterbedingungen (Sonne, Hagel, Regen, Schnee) stets die Übersicht und bewies das richtige Fingerspitzengefühl. «Immer wenn es zu heftig wurde, hatte er das Safety-Car herausgebracht. Und sobald sich eine Besserung einstellte, gab er die Action wieder frei. Wir haben uns alle sehr gut aufgehoben gefühlt», vermeldeten etliche Piloten gegenüber SPEEDWEEK.com.
Chaos rund um die Strecke bedeutete nicht gleichzeitig auch Chaos auf der Strecke. Denn obwohl die äußeren Bedingungen von den Piloten das Maximum abforderten, gab es über die Renndistanz keine größeren Unfälle. Das beweist in vollem Umfang, welche Qualität das Fahrerfeld der FIA WEC mittlerweile angenommen hat. Die Leistung der Cockpit-Artisten war einer Weltmeisterschaft mehr als würdig.
Für sonderlich mehr Rennspannung hat das Wetter aber erneut nicht gesorgt. Der Vorsprung des siegreichen Toyotas betrug am Ende zwar lediglich eine Runde auf die privaten LMP1, doch das ist auf die Safety-Car-Phasen zurückzuführen, die das Feld immer wieder zusammenrücken ließen. In der absolut schnellsten Rennrunde fehlten der Privatfraktion über 1,1 Sekunden auf die Hybrid-Bomber. Im Regen lagen die Toyota teilweise knapp vier Sekunden vorne. Nur ein defekter Sensor am Wagen von Mike Conway, Kamui Kobayashi und José María López verhinderte den nächsten Toyota-Doppelsieg.
Mächtig gejubelt wurde am Samstagabend in den Zelten und Garagen von Toyota und Porsche. Beide Hersteller haben bereits vorzeitig den LMP- bzw. GT-WM-Titel eingefahren. Durch die aktuelle Konkurrenzsituation in der LMP1-Klasse wurde der Titel für Toyota schon vor der Saison als Pflichtprogramm eingestuft. In der GTE-Klasse herrscht aufgrund der BoP (Balance of Performance) ein viel ausgeglichenerer Wettbewerb. Insofern ist es mehr als bemerkenswert, dass Porsche schon vor dem Finale in Le Mans (15./16. Juni) einen Vorsprung von uneinholbaren 93 Punkten angehäuft hatte. Da sehen Aston Martin, BMW, Ford und Ferrari echt alt aus.
Der Rennsieg in der GTE-Pro-Klasse ging bekanntlich an Aston Martin. Die britischen Boliden hatten schon vor dem Rennstart die Favoritenrolle inne, da sie im Regen einfach gnadenlos gut funktionieren. Der ganze GTE-Paddock fragt sich, warum das so ist. Tatsache ist, dass der Vantage AMR im Nassen super mit den Reifen umgehen kann. Die Pneus kommen dabei schnell auf ein passendes Temperatur-Niveau und arbeiten zudem in einem breiten Fenster. «Vielleicht hat es damit zu tun, dass wir mit dem Konzept des Frontmotors eine andere Gewichtsverteilung haben», meinte ein Werksfahrer gegenüber SPEEDWEEK.com.
Schon wieder siegte in der GTE-Am-Wertung der Porsche 911 RSR von Dempsey-Proton Racing. Die Truppe um Christian Ried hatte aufgrund eines Regelverstoßes im letzten Herbst alle Meisterschaftspunkte gestrichen bekommen. Nachdem das Konto auf Null stand, wurden im Anschluss alle Rennen in der Klasse gewonnen. Das ist auch eine Form der Antwort.
Die FIA WEC fiebert nun ihrem Highlight entgegen. Am Wochenende des 15./16. Juni bilden die 24 Stunden von Le Mans das Saisonfinale. Vorher rücken die meisten Teams noch zu Testfahrten aus, um Mensch und Material auf die große Hatz zweimal rund um die Uhr vorzubereiten. Trotz der aktuellen Schwächephase der WEC gilt Le Mans noch immer als das ultimative Sportwagen-Rennen. Da will jeder eine gute Figur machen.