6h Spa: Die Lehren des zweiten Laufs der FIA WEC
Der Toyota TS050 Hybrid zeigte in Spa eine gute Performance
Das diesjährige 6-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps war eines absoluten Highlights der noch jungen Geschichte der Sportwagen-WM. Und das nicht nur aufgrund der super Show auf der Strecke, sondern auch beim genauen Blick auf die Details des Geschehenen. Fakt ist: Audi, Porsche und Toyota waren während des Rennens (fast) auf einem Niveau. Vor allem die Japaner haben ihren doch erheblichen Rückstand aus dem Vorjahr egalisiert. Dies deutete sich bereits in Silverstone an, war von aussen jedoch nicht gleich erkennbar. Grund: Das Hi-Downforce-Paket des TS050 Hybirds ist (von allen drei Herstellern) jenes, mit dem wenigsten Abtrieb. «Es gibt ja keine DIN-Norm, wo Hi-Downforce anfängt und Low-Downforce aufhört», schmunzelte Team-Direktor Rob Leupen im Plausch mit SPEEDWEEK.com.
Zwar tat sich Toyota auf dem kurvigen Kurs in Zentral-England (geplant) noch etwas schwer, doch dieser Fakt war der Grund dafür, dass Toyota als einziger der drei Hersteller nicht mit der Le-Mans-Aero nach Belgien reiste. Denn es war der perfekte Kompromiss für die über sieben Kilometer lange Adennen-Achterbahn. Und das wäre dann fast auch der Schlüssel zum Sieg gewesen.
Während sich die beiden deutschen Hersteller vor dem Rennen Sorgen darüber machten, wann sie den notwendigen Doppel-Stint mit den Reifen einplanen sollten, blieb man bei Toyota diesbezüglich total entspannt. Die souveräne Führung des TS050 Hybrid über weite Teile des Rennens haben jedenfalls ordentlich Eindruck bei Audi und Porsche hinterlassen.
Das Rennen in Spa-Francorchamps hat jedoch ausserdem gezeigt, dass alle Hersteller bis zum 24-Stunden-Rennen in Le Mans noch so einige Nachtschicht einlegen müssen. Alle drei hatten (zumindest mit einem Wagen) technische Schwierigkeiten, die mehr oder weniger gravierend einzustufen sind:
In der internen Nachbetrachtung stellte sich bei Porsche heraus, dass das Hybrid-Problem am zweitplatzierten 919 von Romain Dumas, Neel Jani und Marc Lieb wohl im Umfeld der Batterie zu suchen ist. Der Defekt am vorderen Getriebe des Wagens von Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley ist dagegen ein Folgeschaden der beiden Reifenplatzer gewesen. (Beim Fahren mit dem kaputten Pneu zurück zur Box ergaben sich Differenz-Drehzahlen an der Vorderachse).
Und auch Toyota wird mit den beiden Defekten, die jeweils im Motoren-Bereich lagen, noch einiges an Arbeit vor sich haben. Beide Probleme sollen am 2.4L-Turbo vorher noch nie aufgetreten sein und stellten die Techniker vor ein Rätsel. Glück im Unglück: Besser die Dinge treten vor Le Mans auf, als während des 24-Stunden-Klassikers, der ja für alle Hersteller das ultimative Saisonhighlight darstellt.
Audi hat es da noch am leichtesten: Der Wagen von Lucas di Grassi, Loïc Duval und Oliver Jarvis hatte als einziger der sechs Hybrid-LMP1 ein problemloses Rennen – und konnte somit (absolut verdient) gewinnen. Beim Schwesterwagen war der Wechsel des vorderen Unterbodens die Folge einer zu harten Überfahrung eines Kerbs. Hier wird sicher schnell eine adäquate Lösung gefunden werden können.
Aufgefallen ist in den belgischen Ardennen auch, dass das Rundenzeiten-Niveau aus dem Vorjahr (trotz ausgezeichneter Wetterbedingungen) nicht erreicht werden konnte. Die LMP1 wurden ja bekanntlich über den Winter, durch weniger Treibstoff pro Runde, eingebremst. Beim ersten WM-Lauf in Silverstone konnten die Zeiten aus dem Vorjahr dennoch locker geknackt werden. «Es ist streckenabhängig», meinte Porsche-Teamchef Andreas Seidl zu SPEEDWEEK.com. «Bei Kursen mit langen Geraden trifft uns die reduzierte Motor-Power einfach mehr.» Somit wird abzuwarten sein, ob es auf der Hi-Speed-Strecke von Le Mans in diesem Jahr wieder zu Rekord-Runden kommen wird.
Und überhaupt Le Mans: Was kann man aus dem Lauf in Spa-Francorchamps für den Klassiker in Frankreich mitnehmen? «So wirklich einhundertprozentige Rückschlüsse kann man nicht ziehen. Le Mans ist einfach nochmals eine ganz andere Geschichte. Und alle werden bis dahin ja noch ordentlich an den Wagen arbeiten», erklärte Porsche-Pilot Timo Bernhard. «Auch der knapp zweisekündige Vorsprung von Porsche in der Qualifikation heisst gar nichts», analysierte Neel Jani. «Das haben wir schon letztes Jahr in Le Mans gesehen. Da waren wir vorher auch die Schnellsten, doch nach zwei Rennrunden war Audi auf einmal da. Die waren dort schon immer schnell.»
Ähnlich sieht es auch Toyota-Werksfahrer Kazuki Nakajima: «2014 sind wir als der grosse Favorit an die Sarthe gekommen. Und am Ende standen wir mit nichts da. Das Rennen ist einfach so lang und es gibt zu viele Unabwägbarkeiten. Jeder der drei Hersteller hat dieses Jahr dort auch nur zwei Fahrzeuge - somit ist über die 24 Stunden alles offen.»
Klar ist: Die Qualifikation in Spa hat wieder unterstrichen, dass die Pole-Position in Le Mans unter normalen Bedingungen eine sichere Beute für Porsche sein sollte – die 919 Hybrid sind auf eine gezeitete Runde einfach so gut wie unschlagbar. Für das Rennen werden jedoch wohl wieder die alten Le-Mans-Tugenden ins Spiel kommen – sprich Haltbarkeit, Strategie und Rennübersicht.
Denn (auch das hat Spa gezeigt): So hochgestochen die Technik der LMP1-Wagen auch ist, sie muss über 24 Stunden halt auch durchhalten... Oder wie es die Briten sagen: 'to finish first – first you have to finish'