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GP von Brasilien: FIA wegen Jules Bianchi vorsichtig

Von Mathias Brunner
​Zwei Mal ist der Grosse Preis von Brasilien mit der roten Flagge unterbrochen worden. Sky-Formel-1-Experte Martin Brundle ist der Meinung: Das hat auch mit dem Tod von Jules Bianchi zu tun.

Viele Fans sind der Ansicht – die Formel 1 ist in Brasilien haarscharf an einer Blamage vorbeigeschrammt. Zahlreiche GP-Besucher in Interlagos reagierten auf die beiden Rennunterbrechungen mit gellenden Pfiffen, Buhrufen und nach unten gezeigten Daumen. Auch Millionen von TV-Zuschauern verstanden das Timing nicht: In den Pausen, so machte es den Anschein, fiel der Regen weniger stark als vorher und danach.

Niki Lauda, der nun wirklich weiss, wovon er spricht, war der Ansicht: «Das sind die besten Rennfahrer der Welt, die müssen mit solchen Bedingungen klarkommen können.»

Martin Brundle ist nicht zufällig einer der besten TV-Mitarbeiter unter den früheren Formel-1-Fahrern geworden. Der 158fache GP-Teilnehmer versucht in seiner Kolumne für die Kollegen der britischen Sky, die schwierige Aufgabe der Rennleitung darzulegen. Und der 57jährige Engländer sagt auch, was die Vorkommnisse in Brasilien mit dem Tod von Jules Bianchi zu tun haben.

Brundle, WM-Sechster 1992, erklärt: «Ich habe mich mit Charlie Whiting und mit Herbie Blash unterhalten, als sie gut eine Stunde vor dem Rennstart von einer Pistenbesichtigung zurückkamen. Ich spürte, dass sie lieber einen herkömmlichen, stehenden Start haben würden als dieses Babysitting in Form eines Starts hinter dem Safety-Car.»

«Die Startverzögerung von zehn Minuten, in der Hoffnung auf weniger missliches Wetter, erwies sich als falsch. Der Regen fiel weiter. Die Lage der Rennstrecke in einer natürlichen Schüssel bedeutet – bei Regen läuft in der langen Bergaufpassage zu Start und Ziel immer reichlich Wasser über die Strecke.»

«Im Trockenen ist dies ein Pistenteil, der locker Vollgas geht, die Fahrer nehmen diese Passage eigentlich gar nicht als lang gezogener Linksbogen, sondern eher als Gerade wahr. Im Nassen jedoch ist die Gefahr akut, seinen Wagen zu schrotten – weil die Reifen das viele Wasser einfach nicht mehr verdrängen können und das hässliche Gespenst namens Aquaplaning auf Besuch kommt. Ab diesem Punkt spielt es keine Rolle mehr, wie talentiert ein Fahrer ist, jeder Pilot ist nur noch ein Passagier, der Wagen wird wie zu einem Stein, der quer über einen Teich gepfeffert wird.»

«Nun sind Begabung und Einschätzungsvermögen gefragt. Nicht nur, dass ein Pilot sein Auto richtig auf der Piste platzieren muss, er hat auch ein Gefühl zu entwickeln, wie stark er Gas geben und bremsen darf. Wir reden hier von komplexen Zusammenhängen, welche ein Gehirn den wechselnden Pistenbedingungen fortlaufend anpassen muss, das können einige Fahrer besser als andere.»

«Die zweite rote Flagge, nachdem Kimi Räikkönen seinen Ferrari zerkrümelt hatte, fand wenig Anklang. Das Bild aus unserer Kommentatorenkabine auf Menschen, die buhen oder mit dem Daumen nach unten zeigen, vergisst du nicht so bald.»

«Aber versetzen wir uns mal einen Moment in Charlie Whitings Situation. Wir hatten eben einen üblen Crash von Kimi. Wir hatten überdies beinahe eine Frontalkollision zwischen dem zum Stehen gekommenen Ferrari und dem heranschiessenden Manor von Esteban Ocon. Erinnern Sie sich noch an eine ähnliche Situation in Abu Dhabi 2010 zwischen Michael Schumacher und Tonio Liuzzi? Damals war der Speed verhältnismässig gering und doch schaute die Szene zum Fürchten aus. Nicht auszudenken, wenn das nun bei so hohem Tempo passiert wäre. Diese Autos sind einfach nicht für solche Kollisionen gebaut.»

«Zur gleichen Zeit sagten die Meteorologen unmittelbar bevorstehende, schwere Niederschläge vorher, während Charlie mit widersprüchlichen Rückmeldungen der Fahrer umgehen musste. Einige sagten, man könne fahren, andere, wie etwa der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel, meinte, man könne es nicht.»

«Würde nach einer Kollision ein Rennwagen abheben und in einer Tribüne landen oder in der Boxengasse, mit tödlichem Ausgang, dann sähen sich Charlie Whiting und der Autoverband FIA einem ganz anderen Papierberg gegenüber als nach dem Tod von Jules Bianchi. Auf uns, die in einer Sprecherkabine oder bequem zuhause auf dem Sofa sitzen, liegt nicht diese tonnenschwere Last der Verantwortung. Und wir reden hier von einer immens schwierigen Frage, denn wir wollen ja auch, dass die Formel 1 schnell ist und die Piloten gefährliche Situationen meistern.»

«Für mich besteht die Lektion von Interlagos darin, dass wir uns mehr auf einen Blick in den Himmel verlassen sollten als auf die ganzen Radardaten.»

«Wir müssen bei solchen Rennen aufpassen: Klar haben wir insgesamt einen packenden Grand Prix serviert bekommen, aber wir sind in Brasilien dem Punkt gefährlich nahe gekommen, die Marke Formel 1 nachhaltig zu beschädigen und Millionen von Fans auf den Tribünen und zuhause vor den Bildschirmen zu verärgern.»

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