Umstrukturierung: Wie lange leidet Renault noch?
Das Renault-Team befindet sich im Wandel
Als die Renault-Verantwortlichen die Zügel in Enstone übernahmen, wussten sie bereits, dass ihnen eine schwierige Saison bevorstand. Erst im Dezember 2015 konnten die Verkaufsverhandlungen mit den Vorbesitzern abgeschlossen werden. Die Gespräche hatten sich derart lange hingezogen hatten, dass der Rennstall aus Enstone zwischenzeitlich sogar bankrott zu gehen drohte.
Natürlich litt auch die Entwicklung des 2016er-Autos in dieser Phase der Finanznot, und zu allem Übel mussten die Konstrukteure auch noch einen Weg finden, das auf den Einsatz der Mercedes-Antriebseinheit ausgelegte Chassis an den V6-Turbo-Hybrid aus Viry-Châtillon anzupassen. Die neuen Machthaber in der Teppichetage von Enstone sprachen denn auch von einem kleinen Wunder, als der GP-Renner pünktlich zu den Vorsaison-Testfahrten fertiggestellt werden konnte.
Die WM 2016 schrieben die Team-Verantwortlichen denn auch schon vor dem ersten Rennen in Melbourne ab, man verfolge einen langfristigen Plan, betonte etwa Renault-Sport-Oberhaupt Cyril Abiteboul immer wieder. Auch Teamchef Frédéric Vasseur machte kein Geheimnis daraus, dass man nicht mit guten Ergebnissen rechne.
Zu Recht, wie die Geschichte zeigt. Drei Punkteränge, acht WM-Zähler und der neunte Platz in der Team-Wertung waren die magere Ausbeute, mit der sich die Franzosen begnügen mussten. Das Formtief kam zwar nicht überraschend, trotzdem hatte es mehrere Abgänge zur Folge.
So verliess etwa Kevin Magnussen die Mannschaft aus Enstone, weil er sich von der Team-Leitung nicht genug gewürdigt fühlte. Der Däne, der in dieser Saison für den US-Rennstall von Gene Haas an den Start gehen wird, konnte allerdings durch Nico Hülkenberg ersetzt werden. Die Experten sind sich einig, dass der GP-erfahrene Deutsche dem französischen Werksteam mehr bringen wird als der frühere McLaren-Jüngling, der vor 2016 nur ein Jahr als GP-Stammpilot für das Traditionsteam aus Woking bestritten hatte.
Etwas schwieriger wird Teamchef Vasseur zu ersetzen sein, der sich im Januar wegen Differenzen mit der restlichen Team-Spitze vom GP-Zirkus verabschiedet hat. Viele werten den Abgang des Franzosen denn auch als schmerzlichen Verlust, schliesslich hat Vasseur bereits vor seinem Aufstieg in die Königsklasse – als Teamchef des GP2-Nachwuchsrennstalls ART GP – gezeigt, wie man auf die Erfolgsspur kommt und seinen Platz dort auch verteidigt.
Abiteboul stellte denn auch klar, dass man vorerst keinen Ersatz für Vasseur verpflichte. Gleichzeitig bestätigte der Ingenieur aus Paris, dass man die Umstrukturierung und Vergrösserung der Mannschaft weiter vorantreiben werde. Und das wirft bei vielen Fans von Nico Hülkenberg die Frage auf: Wie lange wird es noch dauern, bis die jüngsten Bemühungen Früchte tragen und der frühere Force India-Fahrer seinen langersehnten ersten Podestplatz oder sogar Sieg in der Formel-1-WM feiern darf?
Hülkenbergs neuer Teamkollege Jolyon Palmer ist zuversichtlich, dass bereits in diesem Jahr zumindest weitere Fortschritte erzielt werden können. Der Brite, der bloss einen der acht WM-Zähler von 2016 geholt hat, erklärt im Interview mit «Sky Sports News HQ»: «Dem Team geht es gut. Natürlich ist es schade, dass Fred gegangen ist, aber wir haben immer noch Cyril und auch Jérôme Stoll. Diese Leute wissen, wie man ein Formel-1-Team führt. Wir sind also weiterhin in sehr guten Händen.»
Der 25-jährige Sohn des ehemaligen GP-Piloten Jonathan Palmer verrät auch: «Im Team spüren wir nun, dass wir tatsächlich etwas bewegen können. Im vergangenen Jahr waren uns durch die Probleme von Lotus noch in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden. In diesem Jahr treten wir mit echtem Renault-Material an. Und wir haben immer noch einige grossartige Leute an Bord, die GP-Siege und teilweise sogar WM-Titel mit Renault feiern durften. Jeder im Team will nun endlich loslegen und schauen, ob wir uns in die richtige Richtung bewegen.»