MotoGP: Bagnaia über die Niederlage

Sebastian Vettel – Lewis Hamilton: Endlich WM-Pfeffer

Kolumne von Mathias Brunner
Lewis Hamilton und Sebastian Vettel

Lewis Hamilton und Sebastian Vettel

​Der WM-Zweikampf von Sebastian Vettel (Ferrari) und Lewis Hamilton (Mercedes) war bislang von gegenseitigem Respekt geprägt. Nach der Kollision in Baku ist vorderhand Schluss mit Kuscheln.

Im ersten Viertel der Formel-1-WM war der tolle Zweikampf von Ferrari-Star Sebastian Vettel und Mercedes-Pilot Lewis Hamilton von enormer Hochachtung für den Gegner geprägt. Der vierfache Weltmeister aus Deutschland und der dreifache Champion aus England fanden ihr WM-Duell auch deshalb so erfüllend, weil sie wussten – hier begegnen sich zwei Ausnahmekönner auf Augenhöhe.

Sogar der beinharte Kampf um den Sieg in Spanien konnte den gegenseitigen Respekt nicht trüben, aber schon damals war mir klar: Die beiden Superstars würden anders übereinander sprechen, wäre in Barcelona einer neben der Bahn gelandet und der andere zum Sieg gefahren.

Wenn zwei Piloten von diesem Schlag gegeneinander um den Titel fahren, ist es unvermeidlich, dass es früher oder später krachen wird. Mercedes-Teamchef Toto Wolff: «Wir wussten, dass kontroverse Momente auf uns zukommen würden. An diesem Punkt sind wir jetzt angelangt.»

Seit zwei Kollisionen der WM-Favoriten zum Schluss einer Safety-Car-Phase im Aserbaidschan-GP von Baku ist die Leidenschaft der Formel-1-Fans voll entflammt.

Die Fans von Vettel eilen ihrem Liebling zur Seite und sind der Meinung, Hamilton habe Sebastian in eine Falle gelockt.

Die Verteidiger von Hamilton führen ins Feld, dass der Engländer nichts falsch gemacht habe. Im Übrigen sei es verwerflich, einem Gegner absichtlich ins Auto zu fahren.

Vettel versuchte nach dem Rennen, die Geschehnisse zu verharmlosen: «Die Fans wollen doch Rad-an-Rad-Kämpfe sehen.»

Damit hat der Heppenheimer natürlich Recht. Aber wollen wir auch sehen, wie ein vierfacher Formel-1-Weltmeister einem Gegner einen Rempler mit auf den Weg gibt, der wie aus dem Repertoire eines Autoscooter-Rowdies wirkt?

Ich behaupte: Vettel wurde vom Verzögern des Leaders Hamilton überrascht, in jenem Moment war der Heppenheimer davon überzeugt, dass ihn Lewis in eine Falle locken wollte, und dann hat sich Sebastian zu einem Foul hinreissen lassen, für das er im Fussball die rote Karte gesehen hätte.

Was mich befremdet: Nicht nur, dass Vettel für einen Moment den Kopf verloren hat (wer von uns hat das nicht?), er zeigt, eher noch schlimmer, nach dem Vorfall keine Einsicht.

Das erinnert mich ans WM-Finale 1997 von Jerez, als Michael Schumacher auf den Überrschungsangriff von Jacques Villeneuve mit einer Verzweiflungstat reagierte. Auch damals hatte der Deutsche nachher den Eindruck, nichts Falsches getan zu haben.

Die FIA sah es anders und strich ihn aus der WM-Wertung.

Ich bin nicht Rennkommissar, und in Momenten wie im Baku-GP bin ich auch froh darüber. Mir liegen die ganzen Daten aus den Autos der Streithähne nicht vor. Ich vertraue dem Urteil der Rennaufsicht, und wenn sie Vettels Manöver als gefährlich einstuft, dann wird das wohl seine Richtigkeit haben. Milde Umstände gab es lediglich, weil der ganze Schlamassel bei geringem Tempo passierte.

Auch im Fahrerlager gehen die Meinungen auseinander. Selbst wenn wir über eine Schuldfrage nicht diskutieren müssen, wenn ein Fahrer dem anderen ins Auto fährt: Ein Unschuldslamm ist Lewis Hamilton gewiss nicht. Fragen Sie mal Nico Rosberg.

Hamilton ist clever genug, Hitzkopf Vettel den schwarzen Peter zuzuschieben. Das gehört alles zu einem WM-Kampf, bei dem die Action auf der Rennstrecke so wichtig ist wie das Geklimpel auf dem Medienklavier.

Sich als Opfer darzustellen und den Gegner als Bösewicht, das ist auch eine Art, den WM-Rivalen unter Druck zu setzen. Kein Zweifel: Vettel würde umgekehrt das Gleiche machen.

Hamilton lässt die britischen Medien das verstaubte Klappergestell des bösen Deutschen aus dem Schrank holen. Wir kennen dieses Spielchen – das war vor mehr als zwanzig Jahren zwischen Damon Hill und Michael Schumachr ein Leitthema.

Neben der verblüffenden Aktion von Vettel bleibt für mich aber folgender Eindruck: Der WM-Kampf hat eine andere Dimension angenommen. «Im Eishockey würden wir sagen – die Handschuhe sind weg», wie es Toto Wolff formuliert.

Vor dem Aserbaidschan-GP war ich ein wenig hin- und hergerissen. Ich fand es auf der einen Seite fabelhaft, welche Wertschätzung die beiden Champions füreinander zeigten. Es ist in der Formel 1 selten, einen Gegner zu loben.

Auf der anderen Seite fand ich: Das ist alles ein wenig brav, für ein episches WM-Duell fehlt mir da die Würze.

Ich treffe in der Nacht auf Montag am Baku-Flughafen den Sky-Experten Marc Surer. Der Schweizer teilt meinen Eindruck: «So, nun haben wir einen richtigen WM-Kampf. Jetzt ist endlich Pfeffer in diesem Duell.»

Die Frage ist: Wie geht es nun weiter? Wird der WM-Zweikampf wirklich dreckig, oder normalisiert sich das Verhältnis?

Sebastian Vettel meint: «Für mich ändert sich nichts. Ich werde das mit Lewis aus der Welt schaffen, auch wenn ich der Überzeugung bin, es gibt da nicht viel zu klären. Ich werde mit ihm reden, wenn ihr alle nicht dabei seid. Ich bin vielleicht nicht der Schlauste von allen, aber ich bin auch nicht kompliziert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das ein grosses Problem ist.»

Lewis Hamilton sagt: «Heute haben wir einen anderen Sebastian gesehen als in den Rennen zuvor. Ich möchte respektvoll bleiben. Ich will meine Taten für sich selber sprechen lassen. Und ich möchte den Titel gewinnen – in der richtigen Art und Weise.»

Es ist anzunehmen: Die beiden werden sich erneut um das gleiche Stück Asphalt balgen. Ich rechne nicht damit, dass der eine den anderen höflich vorbeiwinkt. Dazu sind beide viel zu sehr auf das gleiche Ziel fixiert. Es ist ein wenig, wie wenn zwei Männer um die gleiche Frau kämpfen.

«Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt», dieses Zitat wird Napoleon zugeschrieben. Toto Wolff ergänzt: «Wir müssen uns schon klar darüber sein – ein Formel-1-Kampf auf diesem Niveau zwischen zwei Champions, das ist Krieg.»

Vettel gegen Hamilton in Baku, das erinnert an Senna, der in Japan Prost von der Bahn räumte. Das erinnert an Schumacher, der in Belgien in die Box von David Coulthard stürmte, um den Schotten am Kragen zu packen, überzeugt davon, dass ihn der McLaren-Fahrer in eine Falle gelockt hatte. Das erinnert an Nigel Mansell, der in Belgien Senna an die Gurgel ging.

Der Rennsport lebt von Emotionen, und in Aserbaidschan ist sehr viel Adrenalin geflossen. Die Fans werden von diesem Rennen noch lange reden. Ich weiss nicht, ob sich das Verhältnis zwischen Hamilton und Vettel wieder normalisieren oder ob in den kommenden Wochen noch mehr Gift fliessen wird.

Ich weiss aber, dass Millionen von Fans auf der ganzen Welt mit Leidenschaft über den Grand-Prix-Sport fachsimpeln.

Formel-1-CEO Chase Carey wird sich die Hände reiben.

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