Hitze-GP in Ungarn: So wichtig ist die Kühlung
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Formel 1-Autos sind launische Biester, die dafür gebaut wurden, bei hohen Geschwindigkeiten zu funktionieren und g-Kräften standzuhalten, die sie bis ans Äusserste belasten. Sie gehören zu den fortschrittlichsten Rennfahrzeugen, die jemals konzipiert wurden. Dennoch bleibt ein scheinbar einfacher Gegner ihre grösste Herausforderung – Hitze.
F1-Autos besitzen ein Hauptarbeitsfenster, innerhalb dessen ihre Kühlungskapazitäten an die Umgebungstemperatur angepasst werden können. Sollten sie aus diesem Bereich herausrutschen, summieren sich die Probleme jedoch schnell auf. Flüssigkeiten werden kritisch, Bremsen glühen und sowohl Motor als auch Getriebe werden belastet.
Oberflächlich betrachtet ist die Lösung für Überhitzung einfach. Man öffnet die Verkleidung und vergrössert damit die Durchflussmenge sauberer Luft durch die Kühleinlässe. Im Durchschnitt saugen F1-Autos bei einer Geschwindigkeit von 300 km/h jede Sekunde fünf Kubikmeter an Luft durch die Kühler ein. Aber das ist die erste Herausforderung, um ein modernes Grand Prix-Fahrzeug im richtigen Arbeitsfenster zu halten. Jeder Versuch, die Kühlung zu beeinflussen, erfordert einen Verzicht auf aerodynamische Performance.
Die Verkleidung zu öffnen, kostet ungefähr 300 Millisekunden pro 0,5 Kubikmeter an Kühlluft – da die Luft in die Kühler anstatt über den Heckflügel oder unter das Auto und zum Diffusor hin geleitet wird. Die Teams müssen die richtige Balance zwischen Kühlung und aerodynamischer Performance finden, besonders bei einem Performance-Verlust, der auf einer aerodynamisch sensiblen Strecke bis zu einer Sekunde pro Runde betragen kann.
Die Anforderungen an die Kühlung werden schon früh im Leben eines neuen Autos festgelegt. Dabei ist das Design der Kühler – sowohl was die Form als auch die Grösse betrifft – fest in das Chassisdesign eingebunden. Wer die Aufgabe hier unterschätzt, muss schon bald an einem kühlen Morgen in Barcelona die Winkelschleifmaschinen zum Einsatz bringen, um auf diese Weise das Bodywork des Autos weiter zu öffnen.
Die Teams absolvieren vor jedem Rennwochenende komplexe Simulationen, um sich auf die verschiedenen Kühlungsanforderungen der 20 unterschiedlichen Strecken im Rennkalender einzustellen. Das enge, mittelschnelle Streckenlayout am Hungaroring stellt zum Beispiel andere Ansprüche an die Kühlung als beispielweise Monza mit seinen langen Geraden. Für jede zusätzliche Kühlungsstufe geht etwas aerodynamische Performance verloren, was schlussendlich Rundenzeit kostet.
Im Kampf gegen die Überhitzung bringen die Teams ein Arsenal an Teilen zu jedem Rennen mit, um potentielle Schwierigkeiten abzudecken, die zum Beispiel durch eine falsch eingeschätzte Einstellung für die Umgebungstemperatur hervorgerufen werden können. Viele Autos besitzen eine Reihe an Luftschlitzen entlang des Cockpitrands. Diese können ausgetauscht werden, um verschiedene Stufen an Kühlung zu bieten. Zudem gibt es speziell geformtes Heck-Bodywork für besonders fordernde Rennen.
Zu Beginn des ersten Trainings sollten die Teams bereits eine Vorstellung davon haben, was sie erwartet. Dann können sie den Fahrern bereits Rückmeldung zu möglichen Problemen geben - zum Beispiel wenn die Bremsen heißer als erwartet sind. Hier können die Fahrer einen Unterschied ausmachen, indem sie Motoren-Einstellungen wechseln oder per «Lift and Coast» (Fuss vom Gas und rollen lassen) die Temperaturen kontrollieren. Wenn ein Fahrzeug aus dem Windschatten eines anderen Autos herauszieht, ist das ein Anzeichen dafür, dass der Fahrer mit einem überhitzenden Fahrzeug oder Bremsen zu kämpfen hat.
Der Umgang mit den Temperaturen ist eine Kunst für sich. Die Teams verteilen die Kühlung dabei auf verschiedene Schlüsselkomponenten, zu denen die Flüssigkeiten im Fahrzeug wie Motorwasser, Getriebeöl sowie die Bremsen zählen. Die F1-Teams gehen bei den Bremsen bis ans Limit von bis zu 1.200°C. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, wenn sich Fahrer darüber beschweren, dass ihre Bremsen kochend heiss sind.
Ladeluft – die verdichtete Luft aus dem Turbo – muss ebenfalls gekühlt werden, bevor sie wieder durch den Motor geleitet wird. Dies optimiert die Leistungsausbeute und verhindert, dass Komponenten beschädigt werden. Mit der Einführung von KERS im Jahr 2009 (und noch mehr seit dem Beginn der Hybrid-Ära im Jahr 2014) muss auch noch ein weiterer Faktor beachtet werden: die Temperaturkontrolle des ERS Energiespeichers.
Mexiko und Ungarn stellen wohl die grössten Herausforderung an die Kühlung dar, allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen. Mexiko ist wegen der Höhenlage hart. Die dadurch resultierende niedrigere Luftdichte, 783.3 Millibar auf mehr als 2.000 Metern, bedeutet, dass weniger Luftmasse durch die Kühler strömt. Um dem entgegenzuwirken, muss der Kompressor des Motors härter arbeiten. Das erzeugt mehr interne Hitze und verlangt somit nach zusätzlicher Kühlung.
Ungarn stellt aufgrund der hohen Umgebungstemperaturen – in den vergangenen fünf Saisons durchschnittlich 32°C mit einem Höchstwert von 35°C – sowie der Streckencharakteristik eine andere Herausforderung dar. Der enge, winklige Kurs ist nicht hart zum Motor. Aber das Fehlen von langen Geraden im Zusammenspiel mit dem dichten Verkehr, der durch die mangelnden Überholmöglichkeiten entsteht, bedeutet, dass die Autos nicht die nötige saubere Luft erhalten, die sie zur Kühlung benötigen.
Was sind nun die Folgen der Überhitzung? Einfach ausgedrückt ein Performance-Verlust. Das beste Beispiel dafür war Sotschi.
Während Valtteri an der Spitze in sauberer Luft gewinnen konnte, hatte Lewis mit schwankenden Temperaturen hinter dem Ferrari von Kimi Räikkönen zu kämpfen. Zudem: Wenn das Auto zu stark an die Grenzen getrieben wird, bleibt es letztendlich stehen - oftmals auf ziemlich spektakuläre Art und Weise. Ein Defekt an der Kontrollelektronik an beiden Silberpfeilen, mit nur einer Runde Abstand, kostete das Team beim Kanada Grand Prix 2014 einen Doppelsieg. Damals fiel Lewis aus und Nico erkämpfte sich Platz 2.