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Gerhard Berger-Bilanz: «Ich habe viel falsch gemacht»

Von Mathias Brunner
Gerhard Berger

Gerhard Berger

​Vor 20 Jahren hat Gerhard Berger (58) seine 210 Rennen lange GP-Karriere beendet. Hier in Mexiko gewann er 1986 seinen ersten Grand Prix. Der Tiroler: «Ich habe in meiner Karriere viel falsch gemacht.»

Der langjährige Formel-1-Techniker Pat Symonds sagte vor kurzem: «Ich komme immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach Mexiko zurück, denn hier haben wir 1986 bei Benetton mit Gerhard Berger den ersten Grand Prix gewinnen können.»

31 Jahre später blickt der gleiche Berger im Gespräch mit der Austria Presse Agentur (APA) auf seine von Österreich 1984 bis Jerez 1997 dauernde Formel-1-Karriere zurück und sagt selbstkritisch: «Eigentlich habe ich in meiner Karriere viel falsch gemacht.»

Die Bilanz von Berger darf sich sehen lassen: Zehn Siege, 12 Pole-Positions, 21 beste Rennrunden, WM-Dritter 1988 und 1994. Und Berger hatte Glück, sehr viel Glück.

Nackenwirbel gebrochen, im Feuer gesessen

Am Beginn seiner Laufbahn zog er sich bei einem privaten Autounfall einen Nackenwirbelbruch zu. Den heftigsten Crash in der Formel 1 überlebte Berger 1989 in Imola, weil ihn Streckenposten reaktionsschnell aus dem lichterloh brennenden Ferrari retteten. Der Österreicher war am 23. April 1989 in Imola mit fast 300 km/h in die Mauer der Tamburello-Kurve geprallt, sein Ferrari ging dabei in Flammen auf. Obwohl er nach seinem Unfall in der vierten Runde des Grand Prix von San Marino fast eine halbe Minute im Flammeninferno sass, kam Berger damals mit einer gebrochenen Rippe, Verbrennungen und einer Gehirnerschütterung davon. Fünf Jahre später kamen auf dieser Strecke sein Landsmann Roland Ratzenberger und sein Ex-Teamkollege Ayrton Senna zu Tode.

Denkwürdig auch Bergers Abschied. Im Jahr 1997 kam zunächst sein Vater Johann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, ein aufgewühlter Berger gewann danach in Hockenheim sensationell noch einmal im Benetton. Am 26. Oktober verpasste er in Jerez beim WM-Finale als Vierter den Sieg um nur 1,9 Sekunden und das Podium um 17 Hundertstel.

Es war jenes Rennen, in dem gleich drei Piloten im Qualifying auf die Tausendstelsekunde gleich schnell gewesen waren und bei dem Jacques Villeneuve trotz des missglückten Rammstosses von Michael Schumacher als erster Kanadier Weltmeister geworden war.

«Ich weiss noch, dass mich Eddie Irvine ewig lange aufgehalten hat und dass mir danach der Abschied nicht sonderlich schwergefallen ist», erinnert sich Berger.

«Ich hätte einen Marko gebraucht»

Dass das schlampige Genie Berger trotz der vielen Jahre in Spitzenautos über zwei dritte Plätze in der Fahrer-WM nicht hinausgekommen ist, lag wohl an den angesprochenen Fehlern. «Meine Aufstiegsjahre waren richtig», blickt der Spediteurssohn zurück. «Aber in der Formel 1 habe ich mich dann zu sehr mit Schulterklopfern umgeben und den Kontakt zu einem Helmut Marko verloren.»

«Marko war der beste Mann. Er hatte den Killerinstinkt, die Härte und den Weitblick. Dinge, die ich im Lauf der Zeit etwas verloren habe», gesteht Berger, dass er als Lebemann den Le-Mans-Sieger und heutigen Red-Bull-Rennchef dringend an seiner Seite gebraucht hätte. «Einen, der dir den ganzen Tag sagt, was nicht gut gelaufen ist. Was funktioniert, weisst du eh selbst.»

Zudem habe er sich bis zu seinem Imola-Unfall zu sehr auf sein Talent verlassen, gesteht Berger heute. «Ich habe von meinem Grundspeed so wahnsinnig profitiert, dass ich mich woanders nicht mehr bemühen musste. Hätte ich das erkannt, hätte ich mich selbst mit einem Senna messen können», gibt sich der 58-Jährige heute einsichtig.

«Ich hätte verstehen müssen, dass es neben den Alboretos und Mansells auch noch die Sennas, Hamiltons und Schumachers gibt. Zu deren Erfolgsbündel gehören Fleiss, Ehrgeiz, Hingebung und Grundspeed. Ausser dem Grundspeed kannst du alles beeinflussen, aber das habe ich nicht getan.» Heute, so Berger, würde ihm das als Unternehmer nicht mehr passieren.

Als Formel-1-Fahrer würde er zudem heute das Ganze viel mehr geniessen. «Es hat gebraucht, bis so reife Typen kommen wie Vettel, der das ganze Geschäft schon ganz früh verstanden hat.» Auf die langen Reisen verzichtet er hingegen gerne. «Was Niki Lauda und Helmut Marko heute noch machen, das ist Hardcore.»

«Heutige Formel 1 – zu viel Klimbim»

Die aktuelle Formel 1 gefällt dem Tiroler nur bedingt. «Zu wenig auf den Punkt. Den ganzen Klimbim brauche ich nicht», lautet sein Urteil etwa über das Vorspiel zum aktuellen Grand Prix der USA in Austin, wo der neue Formel-1-Eigentümer Liberty Media den Erlebniswert mit Auftritten von Sprinter Usain Bolt und den Konzerten der Megastars Justin Timberlake sowie Stevie Wonder stärken wollte.

Sportlich sehe Berger, dass die Formel 1 total berechenbar geworden sei. «Es gibt zu wenig konkurrenzfähige Autos. Es ist klar, wer gewinnt. Schlimmstenfalls halt ein Ferrari, Red Bull ist fast schon ein Aussenseiter.» Die Königsklasse sei heutzutage technisch sehr differenziert. «Die Teams, die sich das leisten können, sind vorne. Es ist alles viel zu berechenbar.»

Wer dem Tod zumindest einmal von der Schaufel gesprungen ist, geniesst das Leben umso mehr. So auch Berger. «Natürlich wäre man gerne ein Serienweltmeister. Aber ich bin auch so der glücklichste Mensch. Ich habe gemacht, was ich am liebsten wollte, bekomme heute noch Anerkennung und habe gutes Geld verdient», bilanziert er. «Und natürlich fällt mir auf, dass aus dieser Zeit des Motorsports nicht allzu viele übrig geblieben sind. Ich kann also nur glücklich sein.»

«Meine einzige Schattenseite»

Berger hat nach seiner Scheidung («Die einzige wirkliche Schattenseite in meinem Leben») Monaco hinter sich gelassen und lebt nun mit seiner neuen Familie wieder in Tirol. In Söll, Höhe Mittelstation und direkt an der Skipiste. «Hier bin ich total glücklich», so Berger, dessen jüngstes Kind sein erster Sohn ist.

«Ich bin als Kind jeden Tag auf einem Motorgerät gesessen. Das war mindestens genauso gefährlich wie später die Formel 1 und eigentlich wundert es mich, dass ich diese Zeit überlebt habe», erinnert sich Berger. «Ich denke aber nicht, dass die Kleinen heute ähnliche Möglichkeiten haben wie ich damals», hat Berger deshalb Zweifel an einer Motorsportkarriere des Juniors. «Ich gehe davon aus, dass die Kinder mit den Skiern in die Schule fahren werden. Vielleicht wird’s ja also eher was in diese Richtung.»

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