Pat Symonds: «Formel 1 wird Felipe Massa vermissen»
Pat Symonds mit Felipe Massa
Der langjährige Formel-1-Techniker Pat Symonds (64) bringt die Yas-Marina-Rennstrecke von Abu Dhabi auf den Punkt: «Ein interessanter Kurs, der aber nicht immer die spannendsten Rennen erzeugt, vor allem deswegen, weil es hier so schwierig ist zu überholen. Selbst als wir in der Formel 1 die verstellbaren Heckflügel eingeführt haben, ist es nicht besser geworden. Dennoch sind die Rennen aufregend – aufgrund des unvergleichlichen Rahmens und der Tatsache, dass wir vom Sonnenuntergang in die Nacht fahren.»
Von acht Rennen auf der Insel Yas haben Sebastian Vettel und Lewis Hamilton gemeinsam sechs gewonnen. Pat Symonds ist verblüfft: «Daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Es gibt gewiss einzelne Rennstrecken, auf welchen sich eine bestimmte Fahrtechnik bezahlt macht. Suzuka ist ein gutes Beispiel dafür. Eine Strecke, die extrem schwierig zu lernen ist. Und auch der alte Hockenheimring, selbst wenn das ein wenig merkwürdig klingt. Einige Fahrer schienen dort einfach den Bogen raus zu haben, Gerhard Berger war einer von ihnen. Abu Dhabi scheint aber auf den ersten Blick nicht besonders anspruchsvoll zu sein, von daher eine seltsame Statistik, das mit Vettel und Hamilton. Ich glaube, das liegt eher daran, dass wir seit der Einweihung dieser Strecke zwei Phasen hatten, in welchen Red Bull Racing und später Mercedes-Benz dominiert haben.»
Viele Fans fragen sich: Erzeugt das Fahren in der Nacht Sichtprobleme? Pat Symonds weiss: «Als der erste Nacht-GP von Singapur anstand, da haben sich sehr helle Köpfe viele Gedanken über die Beleuchtung gemacht. Der einzige Unterschied für die Fahrer ist, dass sie keine getönten Visiere verwenden. Sonst haben sie keine Schwierigkeiten. Was dabei eine Rolle spielt – wir liegen dicht am Äquator, das Eindunkeln geht also recht flott vonstatten. Ganz anders in Melbourne. Da kann die tiefstehende Sonne blenden.»
«Die Sicht ist also nicht das Problem, die Pistentemperatur hingegen schon. Die heutigen Formel-1-Reifen reagieren sehr sensibl auf Temperaturveränderungen. Oft sind Erkenntnisse aus den freien Trainings hier wenig hilfreich fürs Rennen.»
Abu Dhabi wird zum letzten Grand Prix von Felipe Massa. Bei Williams hat Symonds jahrelang mit dem Brasilianer zusammengearbeitet. Der Engländer schwärmt: «Es war immer angenehm, mit Felipe zu arbeiten. Er ist ein wahrer Gentleman, ein fabelhafter Mensch. Noch nie habe ich im Fahrerlager so starke Reaktionen erlebt auf den Rücktritt eines Piloten. Das zeigt, wie beliebt er ist. Er ist ein echter Familienmensch, und die Formel 1 wird ihn vermissen.»
Sie wird auch die Brasilianer an sich vermissen, denn erstmals seit der Saison 1969 werden wir keinen Stammfahrer aus dem südamerikanischen Land in der Formel 1 haben! Symonds sagt im News-Bulletin der Formel 1: «Genau – ist das nicht unfassbar? Vor Jahren kamen die ganzen Südamerikaner eben alle nach Europa, um ihre Karriere fortzusetzen, in der Regel fuhren sie dann in der Formel Ford und danach in der Formel 3. Emerson Fittipaldi, Nelson Piquet, Ayrton Senna und wie sie alle hiessen. Sie konnten diesen Sprung über den Teich dank ihrer Geldgeber wagen. Ich frage mich: Ist die brasilianische Wirtschaft nicht mehr stark genug, die Talente zu fördern? Ich bin sicher, dass wir hier nur von einem Problem mit dem Sponsoring sprechen. Denn die nationale Rennszene ist so reichhaltig wie eh und je. Es geht nur darum, dass die guten Fahrer nicht weiterkommen.»
«Das Ganze ist jammerschade, denn eine Formel-1-Weltmeisterschaft braucht Fahrer aus der ganzen Welt. Ich bin jetzt eine ganze Weile in der Formel 1, und immer hatten wir brasilianische Fahrer am Start. Unglaublich, dass diese Serie nun endet.»