Michael Schumacher: Unerreicht und unvergessen
Es musste schon 2017 werden, bis der Automobil-Weltverband FIA aus dem Dornröschenschlaf erwacht ist und für die Besten der Besten eine Ruhmeshall errichtet hat, eine Hall of Fame, wie das auch in deutscher Sprache genannt werden darf.
Für mich ergab sich dabei eines der kraftvollsten Bilder des Formel-1-Jahres 2017 – als sich zahlreiche Formel-1-Champions in der neuen FIA Hall of Fame zum Gruppenbild aufstellten, prangte links über ihnen der Schatten eines GP-Siegers mit Pokal.
Unverkennbar Michael Schumacher.
Mit dem FIA-Präsidenten Jean Todt ist nicht immer gut Kirschen essen. Wer dem Franzosen eine seiner Meinung zufolge unpassende Frage stellt, wird da schon mal wie ein Schulbub runtergeputzt. Das war schon immer so.
Ich kann mich an eine Szene erinnern, als Michael Schumacher nach seinem Beinbruch in Silverstone 1999 pausieren musste. Im Rahmen des Österreich-GP traute ich den damaligen Ferrari-Rennchef Jean Todt zu fragen, wie oft er mit Michael Schumacher in Kontakt stehe. Der Franzose keifte mich postwendend an: «Was glauben Sie eigentlich! Jeden Tag natürlich! Wir sind hier eine Familie!» So als hätte ich ihm unterstellt, seinen Starfahrer vergessen zu haben.
Der hochintelligente Todt kann schnippisch und steinhart werden, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Dann werden die Antworten kurz, die Augen kalt, Verachtung schleicht sich in seine Mimik.
Es gibt aber auch den butterweichen Jean Todt. Vor allem beim Thema Schumacher zeigt der Franzose eine entwaffnende Verletzlichkeit.
FIA-Präsident Jean Todt hat in der goldenen Ära von Schumacher und Ferrari als Teamchef des italienischen Rennstalls gearbeitet. Er war nicht nur der Vorgesetzte von Schumi, er wurde sein Freund. Eine Freundschaft, die bis heute anhält und bei Anlässen wie der Eröffnung der Hall of Fame besonders schmerzt.
Denn während sich zahlreiche Formel-1-Champions in der neuen Ruhmeshalle der FIA ehren liessen, kämpft Michael Schumacher zuhause in der Schweiz weiter um seine Genesung. Wie es dem siebenfachen Weltmeister genau geht? Nur die Familie und der engste Freundeskreis weiss es.
Schumacher ist aus den Augen der Öffentlichkeit verschwunden, aber er ist immer präsent.
Es ist eine Szene, die sich weltweit wiederholt, seit diesem unglückseligen 29. Dezember 2013 im Skigebiet von Méribel. Wann immer ich mit jemandem ins Gespräch komme, einem Passagier im Flugzeug, einer Rezeptionistin im Hotel, einem Kellner im Restaurant, und die Menschen erfahren, dass ich in der Formel 1 tätig bin, so lautet die folgende Frage unweigerlich: «Sagen Sie, können Sie mir vielleicht sagen, wie es Michael Schumacher geht?»
Die Wahrheit lautet: Nein, ich kann es nicht.
Todt sagte in Paris im Rahmen der Feierlichkeiten: «Wir vermissen Michael. Er kämpft. Ich bin glücklich, dass seine Managerin Sabine Kehm nach Paris gekommen ist. Der Kampf geht weiter. Michael ist ein ganz besonderer Mensch, auch für den Motorsport. Er bedeutet mir viel, er ist mein Freund.»
Auf den emotionalsten Moment an der Seite des grossen Racers angesprochen, blickt Todt auf Suzuka 2000 zurück, als Ferrari dank Schumi erstmals seit 1979 und Jody Scheckter wieder einen Fahrer-Weltmeister feiern durfte.
Todt: «Ich sagte Michael auf dem Siegerpodest – Michael, unser Leben wird nie wieder das gleiche sein. Das war der kraftvollste Augenblick meiner Karriere, dort oben auf dem Podest von Suzuka.»
Sabine Kehm: «Wir alle wissen, dass Michael hier sein sollte, und ich bin mir ganz sicher, das würde er lieben gerne. Er hatte immer den allergrössten Respekt vor allen Leuten in dieser Runde, er wäre sehr geehrt. Was Michael so besonders, was ihn so erfolgreich gemacht hat, das war die Liebe zum Sport. Und das verbindet ihn mit allen hier Anwesenden.»
Die französische Sportzeitunge «L’Équipe» hat eine grosse Titelseite gestaltet: Schumi im markanten Profil. Der Titel ist den Fans aus der Seele gesprochen.
Schumi – wir vergessen dich nicht.