Ecclestone: «Marchionne kann ohne die Formel 1 leben»
Bernie Ecclestone: «Ich fürchte, Ferrari könnte ohne die Formel 1 leben – umgekehrt nicht»
Für die Fahrerlager-Dauergäste war eine Formel 1 ohne Bernie Ecclestone Jahrzehnte lang unvorstellbar. Der kleine Mann mit der grossen Brieftasche und dem sechsten Sinn für lukrative Geschäfte hielt im GP-Zirkus sehr lange alle Strippen in der Hand. Entsprechend zentral war die Rolle, die der Baumeister der modernen Königsklasse in sämtlichen Geschäftsfeldern einnahm.
Mit dem Kauf der Formel-1-Rechte durch Liberty Media änderten sich die Machtverhältnisse im Fahrerlager jedoch sehr schnell. Die neuen Entscheidungsträger installierten ein Führungstrio, das sich um das Alltagsgeschäft des Sports zu kümmern hatte: Neben CEO Chase Carey wurden auch Marketing-Profi Sean Bratches und Formel-1-Urgestein Ross Brawn als technischer und sportlicher Leiter an Bord geholt.
Ecclestone, der mit der Rolle des Ehrenpräsidenten abgespeist wurde, war nicht mehr gefragt. Deshalb liess sich der 87-Jährige in dieser Saison immer seltener am Rennplatz blicken. Im Gespräch mit den Kollegen von Auto, Motor und Sport verrät er: «Ich habe das Gefühl, dass meine Nachfolger mich nicht mehr an der Strecke sehen wollen.»
Dass die Entwicklung der TV-Zuschauer- und Besucherzahlen wieder einen positiven Trend aufweist, führt der geschäftstüchtige Brite denn auch nicht auf die Arbeit der neuen Formel-1-Führungsriege zurück. Vielmehr sei es das Geschehen auf der Strecke, das die Fans wieder an die Strecke und vor die Fernsehschirme locke.
«Ich habe fünf Jahre darauf gewartet, dass Ferrari aufwacht. Das ist jetzt endlich passiert. Das Duell Ferrari gegen Mercedes hat die Fans mobilisiert. Ich habe mich zuletzt immer wieder bei den Veranstaltern entschuldigt, weil ich ihnen für viel Geld etwas verkauft hatte, was den Ansprüchen nicht gerecht wurde. Sie hatten für die alte Formel 1 bezahlt. Alles, was sie bekommen haben, waren Mercedes-Siege», beteuert Ecclestone, der den ältesten Rennstall der Welt für sein Comeback lobt: «Sie waren schlau genug, sich anzuschauen, was andere Teams besser machen. Und sie haben sich gute Leute an Bord geholt.»
Dennoch sei ein Verbleib der Scuderia im WM-Zirkus nicht garantiert, warnt der Szene-Kenner. Mit Blick auf die jüngsten Ausstiegsdrohungen von Fiat-Chrysler-Oberhaupt und Ferrari-Präsident Sergio Marchionne stellt er klar: «Wäre es der frühere Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo gewesen, der das gesagt hat, hätte man es nicht so ernst nehmen müssen. Motorsport war Lucas Leben.»
«Sergio kann ohne die Formel 1 leben», fügt Ecclestone an. «Er interessiert sich nur für das Geschäft. Das Wichtigste für ihn ist, dass er den Aktionären ein gutes Geschäftsergebnis bieten kann. Wenn Marchionne der Weg nicht gefällt, den die Formel 1 einschlägt, dann wird er damit aufhören. Ich fürchte, Ferrari könnte ohne die Formel 1 leben – umgekehrt nicht.»