Force India und Sauber: EU-Beschwerde zurückgezogen!
Bob Fernley und Vijay Mallya von Force India mit der früheren Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn
Im November 2015 hatten Force-India-Mitbesitzer Vijay Mallya und die damalige Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn genug: Sie legten in Brüssel eine formelle Beschwerde ein. Es sollte geprüft werden, ob die Verträge der Formel 1 EU-Rechte verletzen.
Die Regelfindung und Geldverteilung der Formel 1 sorgt seit jeher für Diskussionen unter den Teams. Vor allem die kleineren, von Herstellern unabhängigen Rennställe fühlen sich gegenüber den privilegierten Grossen benachteiligt. Und zwar so sehr, dass Sauber und Force India in Brüssel eine Beschwerde gegen die herrschenden Prozeduren und Verteilerschlüssel deponierten. Sie wollten von der Europäischen Union wissen, ob die herrschende Ordnung nicht möglicherweise gegen EU-Recht verstösst.
Nun haben Force India und Sauber in einer gemeinsamen Erklärung enthüllt: Die Beschwerde ist vom Tisch!
Die zwei Rennställe teilen mit: «Wir haben uns dazu entschlossen, unsere Beschwerde zurückzuziehen. Wir sind durch den Dialog mit dem neuen Formel-1-CEO Chase Carey sehr ermutigt. Die neue Formel-1-Führung hat eine neue Kultur der Transparenz in den Sport gebracht. Wir erkennen den Willen, die fundamentalen finanziellen Zusammenhänge frisch zu diskutieren. Zusammenhänge wie die Verteilung der Preisgelder, Kostenkontrolle, Motor-Reglement.»
«Wir glauben an faire Verhandlungen mit allen Rennställen. Unsere Einwände damals waren berechtigt, aber wir glauben auch, dass die von uns angesprochenen Themen künftig objektiv betrachtet und ernst genommen werden. Wir ziehen es ohnehin vor, Angelegenheiten im Dialog und nicht in Form von Rechtsstreitigkeiten zu regeln.»
«Da wir diesen Übergangsprozess in der Formel 1 unterstützen möchten, haben wir mit sofortiger Wirkung unsere Beschwerde zurückgezogen.»
Beschwerde in Brüssel: Die Vorgeschichte
Anneliese Dodds, bis 2017 Mitglied des Europa-Parlaments, hatte im Juli 2015 Force India besucht. Die Schottin ist in Formel-1-Kreisen berüchtigt. Denn sie hatte im Frühling zuvor der Dänin Margrethe Vestager einen Brief mit heissem Inhalt geschrieben. Dodds wollte von der EU-Kommissarin für Wettbewerb wissen, ob bei den geschäftlichen Strukturen in der Formel 1 nicht möglicherweise EU-Recht verletzt werde.
Der Grund, wieso Dodds auf das Thema aufmerksam wurde: Die beiden 2014 in Konkurs geratenen Rennställe Marussia und Caterham lagen in ihrem südostenglischen Wahlkreis. Sie ist der nicht abwegigen Idee, dass einer der Gründe für den Niedergang der Rennställe die Verteilung des Geldes im Formel-1-Sport sei.
Dodds sagte damals nach dem Besuch bei Force India: «Seit dem Kollaps von Marussia und Caterham, habe ich Bedenken, was die Formel 1 angeht. Der Konkurs bedeutete nicht einfach vier Autos weniger in der Startaufstellung. Es bedeutete hunderte von hochqualifizierten Fachkräften ohne Job und mit unsicherer Zukunft. Daher habe ich das Thema in Brüssel einige Male auf den Tisch gebracht – um zu sehen, ob man das vielleicht etwas genauer unter die Lupe nehmen müsste.»
«Der zuständige Kommissar hat mir klargemacht, dass sie so lange nicht handeln kann, bis eine formelle Beschwerde der Teams selber vorliegt. Wenn es also Rennställe gibt, die finden, das wäre der richtige Weg, dann sollten sie den beschreiten.»
Vijya Mallya (Force India), Monisha Kaltenborn (Sauber) und Gérard Lopez (Lotus) hatten als Vertreter kleinerer Rennställe wiederholt die ihrer Meinung nach ungerechte Geldverteilung in der Formel 1 angeprangert. Auch mit der Entscheidungsfindung waren sie unzufrieden – in der so genannten Strategiegruppe der Formel 1, in welcher die Weichen für das künftige Reglement gestellt werden, sind gar nicht alle Rennställe vertreten.
Force India erklärte zur Beschwerde damals: «Sahara Force India ist eines von zwei Teams, das eine Beschwerde bei der Europäischen Union eingereicht hat. Wir stellen die Führung der Formel 1 in Frage und wollen aufzeigen, dass der Verteilschlüssel des Geldes und die Entscheidungsfindung bei den Regeln unfair und widerreichtlich sind. Vor dem Hintergrund anhaltender rechtlicher Gespräche wäre es jedoch unangemessen, einen weiteren Kommentar abzugeben.»