Toro Rosso STR13-Honda: Schlafender Riese erwacht
Vor einem Jahr staunte Toro-Rosso-Technikchef James Key nicht schlecht, als die ersten Bilder des neuen Mercedes veröffentlicht wurden: «Ich dachte mir – unfassbar, die sind zu den gleichen Lösungen gekommen wie wir!»
Einhellige Meinung in der Boxengasse des Circuit de Barcelona-Catalunya – Toro Rosso war ein bildschönes Auto gelungen, angefangen von der blau-silbernen Lackierung mit dynamisch-roten Zwischentönen bis hin zur gefälligen Form. Und viele Fans jubilierten: Wie schön, endlich mal keine Knubbelnase!
Verblüffend: Der Toro Rosso wirkte auf den ersten Blick wie ein blausilberner Silberpfeil – die elegante Nase, die Vorderradaufhängung, die Seitenkästen. Und die Ähnlichkeit ist geblieben, denn wie beim neuen Silberpfeil handelt es sich auch beim neuen Toro Rosso ST13 um eine konsequente Weiterentwicklung. Daher sind viele grundsätzliche Lösungen behalten worden, was vor dem Hintergrund eines weitgehend stabilen Reglements naheliegt. Sehen wir mal von der Einführung des Kopfschutzes Halo ab oder dem Verbot von Haiflossen und T-Flügel.
Die Scuderia Toro Rosso tritt 2018 als Exklusivpartner von Honda an. Die Umstellung des Rennstalls von Renault- zu Honda-Motoren war nicht ganz unproblematisch, wie James Key zugeben musste.
McLaren gab Honda den Laufpass und floh in die Arme von Renault. Teamchef Eric Boullier hat zugegeben, dass der normale Marschplan dadurch um zwei Wochen verzögert wurde, im Laufe der Zeit konnten die Engländer das wettmachen.
Toro Rosso ging den umgekehrten Weg: Renault-Motor raus, Honda-Motor rein. «Die Aggregate sind grundverschieden», sagt Toro-Rosso-Technikchef James Key. «Ein sehr kompaktes Aggregat, aber in einer anderen Architektur als der Renault-V6 zuvor. Du kannst nicht den gleichen Raum nutzen. Da braucht es am Wagen schon Einiges an Anpassungsarbeit.»
Gemäss des 45-jährigen Engländers ist es ganz wichtig, dass die bereits geleistete Arbeit im Windkanal nicht für die Katz gewesen ist. «Wir haben da eine hausinterne Regel, die besagt – wenn der Wagen schon eine ganze Weile im Entwicklungsprozess steckt, dann sollen grössere Bereiche wie die aerodynamische Oberflächen nicht mehr geändert werden. Es ist also nicht so, dass wir bei null anfangen. Wir haben das grundsätzliche Konzept des 2017er Autos übernommen und verfeinern das nun.»
Ein Grund, wieso Fred Vasseur bei Sauber die Absichtserklärung für ein Dreijahres-Abkommen mit Honda zerriss: «Ich ahnte damals schon, dass die Ehe zwischen McLaren und Honda in die Brüche gehen würde. Also fragte ich mich: Wer soll für uns ein Getriebe bauen?»
Bei Toro Rosso stellte sich diese Frage nicht. Das Getriebe ist ein Design von Toro Rosso, mit Innereien, die Red Bull Technology entwickelt hat. Das neue Getriebe ist brandneu und baut kürzer als jenes von 2017.
James Key: «Layout und Grösse sind verschieden. Das Konzept des Getriebes ist das gleiche, aber die Architektur ist anders. Einige Innereien werden wir beibehalten, andere sind optimiert, viele Teile werden ausschliesslich für uns gemacht. Aber komplett anders als das Getriebe des 2017er Renners wird es auch nicht.»
Key ist leise enttäuscht: «Die Menschen unterschätzen bisweilen, wie viel Arbeit bei Toro Rosso selber gemacht wird. Ich glaube, viele verkennen den Rennstall. Klar macht es Sinn, so eng wie möglich mit Red Bull Racing zu arbeiten, aber wir haben beispielsweise eine eigene Aerodynamiktruppe in Bicester, England, zusammen mit dem eigenen Windkanal. Gemäss Reglement musst du da unabhängig sein. Das komplette Design des Wagens entsteht in Faenza. Die einzigen Teile von Red Bull Technology sind die Getriebeteile.»
Erste Eindrücke vom neuen Wagen: Die Lufteinlässe sind noch kleiner geworden, die Seitenkästen noch taillierter. Toro Rosso hat das clevere Aufhängungskonzept verfeinert. Das Heck ist noch schmaler geworden. Die Motorhaube fällt früh an und mündet in eine stehende Finne, welche bei der Anströmung des Heckflügels hilft. Die Luftleiter n der Nähe des Seitenkasteneingangs sind ein Wunderwerk an Einzel-Elementen, clever auch die Lösung mit dem Schlitz im Unterboden. Hier ist Toro Rosso Trendsetter.
Für die vergangene Saison hatte Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost das Ziel ausgegeben: Rang 5 in der Markenwertung. Lange lag der Rennstall mit dem bildschönen 2017er Auto auf Kurs. Dann verlor die Scuderia wichtige Punkte: Daniil Kvyat fuhr zu unkonstant, Carlos Sainz wurde von Red Bull an Renault ausgeliehen, die neuen Fahrer Pierre Gasly und Brendon Hartley wurden von der mangelnden Standfestigkeit des Renault-Motors behindert.
Am Ende wurde Toro Rosso zum vierten Mal in Folge Gesamtsiebter. Das beste Team-Ergebnis bleibt daher der sechste Platz von 2008.
Teamchef Franz Tost hält das Ziel von 2017 auch 2018 für durchaus realistisch. Denn nach der Trennung von McLaren und Honda arbeitet nun Toro Rosso exklusiv mit den Japanern zusammen. Viele im Fahrerlager sind davon überzeugt – es wird der Punkt kommen, an dem der schlafende Riese Honda erwacht. Und dann wird Toro Rosso mit dem japanischen Partner hervorragend bedient sein.
Tost: «Erstmals in der Geschichte von Toro Rosso arbeiten wir exklusiv mit einem Motorenpartner zusammen. Das bietet eine völlig neue Herangehensweise und beginnt bereits beim Design des neuen Chassis. Wir konnten beispielsweise die Platzierung der Antriebseinheit so gestalten, wie es den Vorstellungen der Designer entspricht. Das ist etwas ganz Anderes als das frühere „friss oder stirb“. Toro Rosso ist auch wesentlich intensiver in den ganzen Entwicklungsprozess einbezogen. Wir absolvierten bereits unzählige Prüfstandsversuche mit dem Getriebe, um verschiedene Abstimmungen zu optimieren. Klar wird die Saison eine heftige Herausforderung, aber die nehmen wir gerne an.»
Der Österreicher ist zuversichtlich: «Keiner wird widersprechen, wenn ich sage: Honda bietet eine phantastische Infrastruktur. Hinzu kommen sehr clevere und hoch motivierte Techniker. Die Defizite der Vergangenheit sind erkannt, und alle sind dabei, diese zu beseitigen.»
Japan pflegt eine ganz andere Unternehmens- und Kommunikationskultur als ein europäisches Land. Wie wirkt sich das bei der Arbeit mit Honda aus? Wie müssen wir uns die Zusammenarbeit mit einem Motorpartner vorstellen, der auf einem anderen Kontinent liegt, mit acht Stunden Zeitverschiebung? Franz Tost sagt dazu: «Zum besseren Verständnis der japanischen Kultur veranstalten wir für unsere Mitarbeiter spezielle Seminare, die mit grossem Interesse angenommen werden. Wir wissen alle, Japan hat seine ganz eigene Kultur, und es gehört zu den wirklich spannenden Herausforderungen, ihre und unsere Kultur zu synchronisieren. Aber wenn wir nicht überzeugt wären, dass dies gelingen kann, hätten wir uns nie auf dieses Projekt eingelassen.»
«Manchmal gibt es dabei ganz unverhoffte Vorteile. Du sprichst die Zeitverschiebung an – die hat sich bislang vorrangig als positiv erwiesen. Haben unsere Techniker Fragen, senden sie diese am Nachmittag nach Japan, und am nächsten Morgen haben sie bereits die Antworten. Was will man mehr?»
Die wichtigsten Termine 2018
Wintertests
26. Februar bis 1. März: Circuit de Barcelona-Catalunya
6. bis 9. März: Circuit de Barcelona-Catalunya
Testfahrten innerhalb der Saison
15./16. Mai: Circuit de Barcelona-Catalunya
31. Juli/1. August: Hungaroring
Formel-1-WM
25. März: Australien (Melbourne)
8. April: Bahrain (Sakhir)
15. April: China (Shanghai)
29. April: Aserbaidschan (Baku)
13. Mai: Spanien (Barcelona)
27. Mai: Monaco (Monte Carlo)
10. Juni: Kanada (Montreal)
24. Juni: Frankreich (Le Castellet)
1. Juli: Österreich (Spielberg)
8. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
22. Juli: Deutschland (Hockenheim)
29. Juli: Ungarn (Budapest)
26. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
2. September: Italien (Monza)
16. September: Singapur
30. September: Russland (Sotschi)
7. Oktober: Japan (Suzuka)
21. Oktober: USA (Austin)
28. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
11. November: Brasilien (São Paulo)
25. November: Abu Dhabi (Insel Yas)