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Nico Rosberg (RTL): Kritik, Lob und sein WM-Favorit

Von Rob La Salle
Nico Rosberg hat 2016 sein grosses Ziel als Rennfahrer erreicht

Nico Rosberg hat 2016 sein grosses Ziel als Rennfahrer erreicht

​Der Wiesbadener Nico Rosberg (32) ist am kommenden Wochenende in Australien als GP-Experte von RTL unterwegs. Der Weltmeister von 2016 sagt, was ihm bei den Testfahrten alles aufgefallen ist.

Für Nico Rosberg beginnt ein neuer Abschnitt seiner Karriere: Erste Saison als fester Bestandteil der Formel-1-Berichterstattung von RTL. Der Wiesbadener sagt: «Ich habe den Vorteil, dass ich gerade noch selbst in so einem Auto sass und all die Jungs kenne, die da jetzt mitfahren. Ich hoffe, dass ich die Zuschauer sehr nah heranbringen kann an all das, was einem im Cockpit so durch den Kopf geht, wie es sich beispielsweise anfühlt, in die Zweikämpfe zu gehen. Und natürlich habe ich ein sehr starkes Wissen über diesen Sport, von dem auch die Zuschauer profitieren können.»

Nico hat sich vorgenommen: «Ich werde das sagen, was ich sehe und denke, zu jedem. Und natürlich wird sich vieles um Lewis Hamilton drehen, weil er wieder vorne um die Meisterschaft kämpft. Und da wird’s mit Sicherheit viele Sachen geben, die man dann kommentieren muss, aber immer sehr neutral. Ich habe nach wie vor grossen Respekt vor dem, was er leistet, das ist absolut höchstes Niveau. Ich bin auch nicht nachtragend, und wir verstehen uns eigentlich wieder ganz okay. Vielleicht können wir auch fast wieder Freunde werden mit der Zeit.»

Klar stellt sich die Frage nach der Neutralität. Rosbergs Vorgänger Niki Lauda war gleichzeitig Aufsichtsrats-Chef des Mercedes-Rennstalls. Nico ist ehemaliger Mercedes-Pilot. Der 23fache GP-Sieger stellt klar: «Ich bin Mercedes mega-dankbar für alles, das Team liegt mir auch sehr nahe. Aber für meinen Job als Experte lege ich sehr viel Wert darauf, dass ich absolut neutral bleibe. Als Fahrer waren die Medien eine Herausforderung, ein Teil von dem, was du als Fahrer meistern musst, um zu gewinnen. Jetzt bin ich auf der anderen Seite und will coole Insights liefern und gute Analysen machen. Das ist ganz anders, aber auch schön.»

Grosser Aufreger im Moment – der Kopfschutz Halo. Nico findet: «Ich verstehe, dass das für Motorsportpuristen blöd aussieht. Aber der Kopf ist nun mal sehr gefährdet im offenen Cockpit, da hat es in den letzten Jahren einige sehr folgenschwere Unfälle gegeben. Deshalb ist der Kopfschutzbügel, wo er nun mal entwickelt ist, für die Fahrer eine  gute Sache und geht in die richtige Richtung. Mir selbst wäre es als Fahrer sehr recht gewesen, das Halo zu haben.»

Skeptischer ist Nico, was die Verringerung des Motorkontingents auf drei Antriebseinheiten pro Saison angeht: «Ich weiss nicht, ob das in die richtige Richtung geht. Die Entwicklung von Motoren, die noch mal länger laufen müssen, hat viel Geld verschlungen. Das Problem sind tatsächlich die ganzen Strafversetzungen, wenn man eben doch nicht mit den vorgeschriebenen Kontingenten auskommt. Das ist unschön und kann sehr viel Chaos verursachen.»

Apropos Chaos: Was ist mit den sieben Reifenmischungen von Pirelli? Nico: «Wir wissen, dass es mit zunehmendem Reifenverschleiss immer Spannung auf der Strecke gibt. Und das wollen wir letztendlich ja alle sehen. Aber ich finde, mit sieben Mischungen hat man sich ein bisschen verrannt. Das ist für die Zuschauer eine sehr schlechte Entwicklung, weil man bei all den Reifen überhaupt nicht mehr durchblicken kann. Selbst ich als absoluter Experte werde da wohl manchmal den Überblick verlieren, weil es durch die vielen Farben viel zu kompliziert wird. Dabei gäbe es eine so einfache Lösung: An jedem Rennwochenende gibt es je einen Soft-, Medium- und einen Hartreifen – das war's.»

Anderer Aufreger für viele Fans: Grid-Kids statt Grid-Girls. Nico: «Zunächst fand ich das etwas komisch, aber die Idee mit den Grid-Kids gefällt mir doch, denn vielleicht gibt das auch wieder so einen kleinen Impuls für andere Jugendliche, sich für den Sport zu interessieren.»

«Aber Grid-Girls gehörten einfach zur Formel 1 dazu, und ich habe mich mit den Mädels im Grid-Bereich immer recht wohl gefühlt. Aber mitbekommen habe ich von den Grid-Girls so gut wie nichts. Bei der Startvorstellung war ich als Fahrer so fokussiert, dass die Girls wirklich das Letzte waren, was ich mir angeschaut habe.»

Was Rosberg ändern würde: «Es müssen unbedingt bessere Voraussetzungen zum Überholen geschaffen werden, denn das macht die Formel 1 ja so spektakulär. Das grösste Problem dabei ist die Aerodynamik an den Autos. Wir haben im letzten Jahr sogar einen Schritt zurück gemacht, weil die Aerodynamik noch extremer, noch sensibler geworden ist. Das macht es so schwierig, einem anderen hinterher zu fahren. Die Turbulenzen hinter dem vorausfahrenden Auto sind so extrem, dass die Balance deines Autos in diesen Turbulenzen nicht richtig funktioniert. Du verlierst Haftung und kannst wieder nicht aufschliessen. Da würde ich mir Verbesserungen wünschen, aber ich weiß auch, dass das sehr komplex ist.»

Wie schätzt Nico Rosberg das gegenwärtige Kräfteverhältnis ein? «Ein Vergleich ist nicht so leicht, weil die Teams unterschiedliche Ansätze bei den Sessions hatten. Generell hat Mercedes – anders als Ferrari – den Sprit nicht herausgenommen. Deshalb konnte Sebastian Vettel im Ferrari zwar mit wenig Sprit an Bord die schnellste Runde fahren, aber in den Dauerläufen war Mercedes manchmal sogar mit Abstand am stärksten. Ich hoffe zwar, dass Ferrari und Red Bull Racing wieder näher an Mercedes herankommen, aber es wird schwer. Mercedes ist eine absolute Macht, deren Level ist unglaublich beeindruckend.»

«Die Teams achten so kurz vor einer Saison sehr stark darauf, den Hauptkonkurrenten keine Motivation für Nachbesserungen zu geben. Deshalb hat Mercedes bei den Testfahrten auch keinen Sprit aus dem Tank genommen. Würde Ferrari etwa sehen, dass Mercedes mit wenig Sprit auf einer schnellen Runde Zweizehntel schneller unterwegs ist, würde das in der Fabrik in Maranello einen starken Motivationsschub auslösen, weil man nur auf Zeiten fixiert ist. So hat Ferrari derzeit die Nase vorn und ist etwas entspannter. Diese Strategie, die Karten nicht offen hinzulegen, ist bei Mercedes sehr wichtig, weil den Teams wie Ferrari und Red Bull Racing so ein wenig der Elan genommen wird.»

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