Formel 1 ab 2021: Weniger Datenerfassung, mehr Action
Daten, Daten und noch mehr Daten
Formel-1-CEO Chase Carey hat den Teamchefs in Bahrain erklärt, wie der Sport gesundschrumpfen und der Wettbewerb verbessert werden soll. Die Grossrichtung hat sich nicht geändert – die Motoren werden vereinfacht, die Kosten müssen runter, für 2021 ist ein Budgetdeckel von 150 Millionen US-Dollar pro Jahr angedacht. Das hat es in der Formel 1 noch nie gegeben. Chase Carey sagte: «Die Formel 1 ist reich an Historie. Wir wollen dieses Erbe schützen, pflegen und vertiefen. Wir wollen einen attraktiveren Sport, mit dem Fan im Mittelpunkt, profitabel für die Rennställe, technisch hochstehend.»
Die Motoren werden einfacher, lauter, kraftvoller, die Notwendigkeit von Strafversetzungen soll entfallen. Lauter werden sie durch höhere Drehzahl. Die Antriebseinheiten sollen serienrelevant bleiben, also Hybridtechnik aufweisen. Der Anteil kinetischer Energie wird verstärkt, der zweite elektrische Generator am Lader (die so genannte MGU-H) entfällt. Auch das hilft dem Sound. Die neuen Regeln sollen neue Teilnehmer und Kundenteams anlocken. Das ungeliebte Kraftstofflimit wird gelockert (schon für 2019). Das Grundkonzept bleibt – ein 1,6-Liter-V6-Turbomotor mit Einzel-Lader.
Die Kosten werden durch vereinheitliche Teile gesenkt, die Autos müssen aber ihre eigene Identität behalten. Ein Kostendeckel kommt, obgleich die Formel 1 ihre Position als Königsklasse behalten wird. Den Teamchefs wurde als Verhandlungsbasis 150 Millionen Dollar pro Jahr vorgeschlagen. Gemessen am heutigen Budget eines Top-Teams käme dies einer Verringerung um die Hälfte gleich. Nicht in diesen 150 Millionen enthalten sind beispielsweise Fahrergehälter oder das Salär leitender Angstellter, auch das Marketing wird ausgeklammert.
Die Preisgeldvergabe wird ausbalanciert und basiert auf Verdienst durch Rennergebnisse. Der historische Wert wird jedoch weiterhin geehrt. Will heissen: Ferrari erhält weiter Sonderzahlungen, die jedoch nicht dazu genutzt werden dürfen, die Entwicklung des Rennwagens voranzutreiben, sondern soll als Gewinn in die Buchhaltung einfliessen. Nach dem Liberty-Media-Modell müsste Ferrari 2021 in der Lage sein einen Gewinn in dreistelliger Höhe zu erwirtschaften. Am Preisgeldtopf werden Auto- und Motorhersteller teilnehmen. Motorhersteller werden neu vergütet, weil sie Kundenteams mit Triebwerken ausrüsten und die ganzen Entwicklungskosten zu tragen haben. Die Rede ist von zehn Millionen Dollar.
Die Autos müssen besseren Sport erlauben, vor allem was das Überholen angeht. Die neue Formel-1-Führung ist der Ansicht – weniger ist mehr. Das gilt auch für einen Kernsatz im Papier von Chase Carey: «Spitzentechnik muss ein Eckpfeiler der Formel 1 bleiben, aber der dominierende Faktor bei der Leistungsfähigkeit des Autos soll der Fahrer werden.»
Ein Weg dahin: Datenerfassung runterfahren. Carey und seine Kollegen wollen, dass dem Piloten weniger Informationen überliefert werden, der Fahrer soll Entscheidungen selber treffen. Die Rennen werden unberechenbarer, wenn nicht Dutzende von Fachkräften an der Strecke und in Kontrollzentren zuhause unzählige Daten wälzen und Strategien aushecken. Weniger Daten übers Auto bedeutet grösserer Raum für Fehler.
Datenerfassung wird in der Formel 1 nur selten thematisiert, dabei tragen die Daten einen riesigen Teil zur Entwicklung und dem Einsatz von modernen Formel-1-Autos bei.
Vor 30 Jahren steckte die Datenerfassung im GP-Sport in Baby-Schühchen. Der erste Datenrekorder hatte damals acht Kanäle und konnte nur eine einzige Runde mit niedriger Datenrate aufzeichnen. Ein Datentransfer war nur für wenige Sekunden möglich. Deshalb versuchten die Teams, bei jeder Vorbeifahrt an der Boxenmauer so viele Daten wie möglich zu sammeln.
Heutzutage befinden sich hunderte von Sensoren an der Antriebseinheit, dem Getriebe, der Aufhängung und der Verkleidung. Sie senden auf tausenden von Kanälen und zeichnen eine komplette Runde auf nahezu allen Strecken im Rennkalender auf. Das Gesamtverständnis, welches das Team vom Auto erhält, hat sich vertausendfacht.
Zum Vergleich: Die Datenrate, die das Team heutzutage alleine von Messsensoren an einem kleinen Bereich des Unterbodens empfängt, ist zehnmal grösser als bei den Apollo-Weltraummissionen!
Einige Daten werden mittels eines Hochfrequenz-Telemetriesystems in Echtzeit gesendet. Dieses System übermittelt die Daten aus dem fahrenden Auto an die Box. Es sind allerdings viel mehr Daten vorhanden, als über diesen Weg übermittelt werden können. Die restlichen Daten werden traditionell mittels einer Kabelverbindung heruntergeladen, sobald das Auto zurück an der Box ist.