Ferrari: Kimi Räikkönen schmollt, Eigentor von Vettel
Im ganzen Trubel um den fabelhaften Daniel Ricciardo ging fast unter: In China hat still und unheimlich Mercedes-Benz die WM-Führung übernommen – es steht 85:84 gegen Ferrari, Red Bull Racing kommt auf 57 Punkte. Ferrari hat aus diesem Rennen viel zu wenig gemacht. Wer aus der ersten Startreihe losfährt und nur die Plätze 3 (Kimi) und 8 (Seb) einfährt, muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen.
Wie etwa diese: Musste Sebastian Vettel nach dem Start seine Führung gegen Kimi Räikkönen wirklich so aggressiv verteidigen?
Zur Erinnerung: Kimi kam sehr gut weg und lag auf Fahrzeugnasenhöhe mit Vettel, der liess sein Auto immer weiter nach rechts tragen. Ergebnis: Vettel in Führung (Mission erfüllt), Räikkönen innen eingebremst und von Bottas sowie Verstappen überholt. Mission für Vettel nicht erfüllt, weil damit sein Schutzschild gegen hinten fehlte.
Ist Ihnen die Wortwahl von Kimi Räikkönen nach dem Rennen aufgefallen? «Ich hatte einen guten Start und wurde dann leider ein wenig blockiert und überholt.»
Keine Silbe von Vettel.
Nächster bemerkenswerter Satz von Kimi: «Dann blieben wir offenbar zu lange auf der Bahn.»
Ein versteckter Vorwurf an den Ferrari-Kommandostand, der Kimi auf der Piste verhungern liess.
Sebastian Vettel wurde Ende der 20. Runde an die Box geholt, Ferrari vertrödelte den Reifenwechsel, wodurch der WM-Leader hinter Bottas zurückfiel. Kimi wurde auf der Bahn gelassen. Sky-GP-Experte Martin Brundle vermutete: «Kimi soll Bottas einbremsen, so dass Vettel näher an Valtteri heranrücken kann.»
Das mit dem Heranrücken klappte, das mit dem Überholen nicht: Bottas behielt die Führung und reagierte auch beim Re-Start nach der Safety-Car-Phase hervorragend.
Vettel musste sich dann mit Verstappen herumschlagen, und Bottas wurde zur Beute des hungrigen Ricciardo.
Aber nochmals: War Vettel nach dem Start nicht etwas aggressiv?
Kimi: «Das hängt davon ab. Wir sind Stallgefährten. Wenn ich nicht den Fuss von Gas genommen hätte, wären wir zusammengerasselt, das muss ich schon sagen. Diese Situation hat mich einige Positionen gekostet.»
«Nach dem Reifenwechsel hatte ich ein Auto, das gut lief, aber ich befand mich ein wenig im Nirgendwo. Die Safety-Car-Phase hat mir geholfen. Ich profitierte auch davon, dass ich frischere Reifen hatte.»
«Ein dritter Platz ist besser als nichts. Aber wenn du aus der ersten Startreihe losfährst, dann ist das zu wenig. Wir müssen uns verbessern.»
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene spendierte vor seiner Abreise aus China folgende Weisheiten: «Das ist nicht das Ergebnis, welches wir uns erhofft hatten. Unser Renntempo war nicht schlecht, aber das war ein Rennen, in dem die vielen Variablen den Unterschied ausgemacht haben. Kimi hat einen Podestplatz errungen, Sebastian hatte ein beschädigtes Auto, das nicht mehr ideal zum Kämpfen war. Jetzt müssen wir die Konzentration behalten und die Entschlossenheit, wir müssen schon ans nächste Rennen denken.»
Alles Gewäsch vom Geschmacksgehalt lauwarmen Leitungswassers. Dabei hätte es so viel zu diskutieren gegeben: Der Start von Vettel, die Strategie gegen Bottas, die Strategie mit Kimi, die Kollision zwischen Vettel und Verstappen, der Speed der Red Bull Racing-Renner. Leider können wir das nicht.
Es gab Zeiten, da veranstaltete Ferrari nach dem Rennen eine Medienrunde mit dem Teamchef. Da musste sich Arrivabene unangenehmen Fragen stellen. Heute werden lieber die sozialen Netzwerke mit Nullaussagen gefüllt.
Das erinnert mich an einen alten Witz über einen Festredner. Der eine Zuhörer nach der Rede zum anderen: «Worüber hat er geredet?» Der Andere: «Das hat er leider nicht gesagt.»