Ex-Renault/Nissan-Chef Carlos Ghosn: Neue Vorwürfe
Carlos Ghosn bei der Präsentation des 2016er Renault
Der Franzose Carlos Ghosn (64) bleibt in Tokio in Untersuchungshaft. Die japanische Staatsanwaltschaft hat gegen den früheren Autokonzernchef von Renault, Nissan und Mitsubishi einen neuen Haftbefehl erlassen. Dieses Mal wird dem Spitzenmanager unter anderem vorgeworfen, Verluste bei persönlichen Investitionen auf Nissan übertragen zu haben. Darüber hinaus wird dem Franzosen mit libanesischen Wurzeln unterstellt, in grossem Stil Firmengelder für private Zwecke verwendet und Gehälter unkorrekt versteuert zu haben. Für ähnliche Vergehen wie sie Ghosn zur Last gelegt werden, werden in Japan bis zu zehn Jahre Gefängnis ausgesprochen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ohne Anklage kann ein Mensch in Japan maximal 23 Tage lang in Untersuchungshaft behalten werden. Ghosn wurde am 19. November dingfest gemacht. Gemäss des Rechtssystems in Japan muss dann innerhalb von 23 Tagen Anklage erhoben werden, um die Untersuchungshaft aufrechtzuerhalten, oder es muss ein neuer Haftbefehl erlassen werden mit frischen Vorwürfen.
Drei Tage nach der Festnahme von Carlos Ghosn wurde er als Nissan-Chef abgesetzt. Renault wird derzeit übergangsmässig von Thierry Bolloré geleitet (bisheriger Vizedirektor). Dann bestätigte auch der Mitsubishi-Vorstandsvorsitzende Osamu Masuko die Absetzung von Ghosn.
Längerfristig kann der Fall von Carlos Ghosn auch Auswirkungen auf das Formel-1-Engagement der Franzosen haben. Ghosn hatte sich nach langem Ringen dazu entschlossen, Renault 2016 als Werksrennstall in den Grand-Prix-Sport zurückzubringen. Ob ein Nachfolger nach Ablauf der gegenwärtigen Abkommen mit der Formel 1 das millionenteure Engagement ebenfalls gutheisst, wird sich zeigen.
Renault-Teamchef Cyril Abiteboul sagte beim WM-Finale von Abu Dhabi: «Carlos Ghosn war zweifellos sehr hilfreich dabei, dass wir in die Formel 1 zurückgekehrt sind. Aber Renault ist seit mehr als vierzig Jahren im Grand-Prix-Sport, und die Entscheidung damals zur Rückkehr als Werksrennstall war eine Entscheidung des Vorstands, nicht von Ghosn alleine.»
Die Vorwürfe gegen Carlos Ghosn sind umfangreich. Der in Brasilien geborene Nissan-Sanierer steht im Verdacht, von 2011 bis 2015 systematisch Einkommen zu gering angegeben zu haben, in Höhe von insgesamt fast 40 Millionen Euro. Es ist davon die Rede, dass Ghosn mit Firmengeld in verschiedenen Städten Luxuswohnungen gekauft haben soll, in Rio und Paris, in Amsterdam und Beirut. Verdächtig scheint auch ein 1,7-Millionen-Dollar-Beratervertrag für Ghosns Schwester. Es wird sogar behauptet, Ghosn habe sich seine Scheidung von der Firma finanzieren lassen.
Die Untersuchungshaft ist durch den neuen Haftbefehl der japanischen Staatsanwaltschaft um 48 Stunden verlängert. Noch am Donnerstag (20. Dezember) hatte ein Gericht einen ersten Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, es war erwartet worden, dass Ghosn daraufhin auf Kaution freikommen würde.
Es ist derzeit unklar, ob Ghosn am Wochenende das Gefängnis verlassen kann oder die Staatsanwaltschaft die U-Haft durch weitere Vorwürfe verlängert – ein in Japan durchaus gängiges Vorgehen. Es gibt keinen Prozesstermin.
Ghosn hatte zuletzt als Steuermann von Nissan acht Millionen Euro pro Jahr verdient, den Posten des Renault-Konzernchefs liess er sich mit 7,4 Millionen Euro vergüten.