Mick Schumacher in Silverstone: Ferrari-Pilot nur 11.
Mick Schumacher hatte sich ordentlich geärgert. «Ich hatte mich im freien Training im Auto wohlgefühlt», gab der 20jährige Deutsche am Freitagabend in Silverstone zum Besten, «das machte Mumm fürs Abschlusstraining. Dann hatte mein Stallgefährte einen Unfall, es mangelte uns an Daten zum Ausloten der verschiedenen Strategien.»
«Wir sind früher als unsere Gegner auf die Bahn gegangen, um im Abschlusstraining eine freie Runde zu fahren. Aber zu Becketts hin bin ich auf eine ganze Gruppe von Rennwagen gestossen, die sich alle in ihrer Aufwärmrunde befanden. Ich wurde aufgehalten. Sonst wäre ich gewiss unter die schnellsten Acht gekommen. Mein Startplatz sieht wie ein Rückschlag aus, aber ich sehe es als eine Lektion, die ich mir hinter die Ohren geschrieben habe. Ich weiss, dass ich im Rennen einen guten Speed habe, also lasse ich mich nicht bangemachen.»
Beim Start zum Hauptrennen der Formel 2 machte Pole-Setter Guanyu Zhou (erster Chinese auf einer F2-Pole) einen kleinen Fehler, sein Stallgefährte Luca Ghiotto ging sofort in Führung, es folgten Sérgio Sette Camara, Nicholas Latifi, der vor Becketts am Brasilianer vorbeiging, Delétraz und Matsushita. Der Wagen von GP3-Champion Anthoine Hubert musste zur Seite geschoben werden, am Renner des Renault-Zöglings kochten die Bremsen, sie mussten mit Löschstaub eingezuckert werden.
Mick Schumacher hatte kurz nach dem Start eine Rangelei mit dem Russen Nikita Mazepin, er kam nur als 16. aus der ersten Runde zurück, der 20-Jährige jagte vor sich den Inder Maini und den Moskauer Mazepin. Erste Fahrer erhielten Warnungen ins Cockpit gefunkt: «Es ist Regen in der Region.» An der Box konnte der Wagen von Hubert in Gang gebracht werden, der Franzose hetzte dem Feld hinterher.
Zhou blieb auf Schlagdistanz zu Leader Ghiotto, die FIA kündigte an, sich die Szene zwischen Schumacher und Mazepin nochmals genauer ansehen zu wollen, doch erst nach dem Rennen.
Ghiotto zog leicht davon, Latifi arbeitete sich in den Windschatten von Zhou vor. Dann kam Zhou an die Box, so wie auch Latifi. Gute Arbeit der DAMS-Truppe – der Kanadier wurde schneller abgefertigt als der Chinese, damit machte Nicholas einen Rang gut. Auch Mick Schumacher holte sich frische harte Reifen ab.
Am Ende der sechsten Runde kam auch Leader Ghiotto herein – wo würde sich der Italiener nach dem Stopp einreihen? Er kam knapp vor Latifi auf die Bahn zurück, sofort unter Druck des Williams-Reservisten. Der Kanadier griff an, aber Ghotto verteidigte sich mit Zähnen und Klauen, es kam sogar zu einem Schubser vor der Becketts-Maggotts-Passage. Latifi blieb auf seiner Lieblingsstrecke dran, dann leistete sich Ghiotto einen Verbremser, Nicholas sagte Dankeschön und ging vorbei.
Nun war aus dem Gejagten Ghiotto auf einmal der Jäger geworden, dahinter guckte sich Zhou das kochend heisse Duell an. Auf der Bordkamera von Luca zeigten sich Tropfen, Latifi wehrte eine Attacke von Ghiotto ab, ein starkes Duell. Luca blieb dran.
Das aufregende Silvestone-Wochenende von Mick Schumacher ging weiter: Fast hätte er in der Boxengasse den Wagen von Giuliano Alesi gerammt, der Renner von Alesi hatte ein Problem, und Mick hatte nicht damit gerechnet, dass er auf einmal langsamer wird. Die FIA kündigte an, sich im Detail anzusehen, ob der Wagen von Alesi nach dem Reifenwechsel mit einem losen Rad losgeschickt wurde. Daher hielt Giuliano so abrupt an.
In Runde 12 ging Ghiotto am Ende der Hangar-Geraden unwiderstehlich vorbei, wieder waren die Rollen getauscht.
Wo war Mick Schumacher? Der Deutsche hatte sich Maini endlich geschnappt und lag nun auf Rang 13, gute vier Sekunden hinter dem Briten Jordan King.
Als Luca Ghiotto die noch immer auf dem ersten Reifensatz fahrende Tatiana Calderón überholte, verlor Latifi den Anschluss.
Tabellenführer Nicky de Vries fuhr auf Rang 7 hinter Sérgio Sette Camara und vor Renault-Nachwuchsfahrer Jack Aitken, de Vries wirkte seltsam zahnlos.
Gemessen an anderen Formel-2-Rennen verlief das Rennen verhältnismässig ruhig. Der Chinese Zhou hatte nun McLaren-Junior Sette Camara im Nacken, während an der Spitze Luca Ghiotto beste Rennrunde fuhr. Zur Erinnerung: Die ist im Hauptrennen zwei Punkte wert.
Mick Schumacher arbeitete sich an King heran, lag aber noch immer zehn Sekunden hinter Rang 10 (Callum Ilott), was einen Punkt bringen würde.
In Runde 21 holte endlich auch der führende Mazepin frische Reifen ab, der Russe fand sich danach auf Rang 12 wieder. Da auch Calderón gestoppt hatte, war nun Mick Schumacher auf einmal Elfter, nur noch 1,4 Sekunden hinter Jordan King.
Ghiotto führte souverän, es machte nicht den Anschein, als hätte Latifi noch ein Rezept gegen den 24jährigen Italiener. In Runde 26 schnappte sich Jack Aitken den Niederländer de Vries, es ging um Rang 5.
Luca Ghiotto liess sich den ersten Platz tatsächlich nicht mehr nehmen – zweiter Sieg 2019, nach dem Spritrenn-Triumph in Bahrain, sein erster Sieg in einem Hauptrennen, sein dritter Triumph in der Formel 2 (er hatte auch das Sprintrennen von Monza 2017 gewonnen). Rang 2 für Nicholas Latifi, Zhou Dritter vor Sette Camara, Aitken, de Vries, Delétraz, Ilott, Matsushita und Jordan King, der seinen zehnten Platz gegen Mick Schumacher erfolgreich verteidigen konnte, um 0,9 Sekunden. Damit nach dem Lichtblick in Österreich mit Rang 4 wieder keine Punkte für Schumacher.
Schlusswort des Siegers Luca Ghiotto: «Es war das reinste Vergnügen, heute dieses Auto zu fahren. Ich hoffe, das ist ein Wendepunkt, um in der Meisterschaft wieder ein Wörtchen mitzureden.»
Dort sieht es so aus: De Vries mit 160 Punkten vor Latifi (133), Ghiotto (122), Sette Camara (121) und Zhou 104. Mick Schumacher ist auf Rang 13 mit 22 Punkten.