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Ferrari-Teamchef Mattia Binotto: «Gegner kopieren»

Von Mathias Brunner
Mattia Binotto

Mattia Binotto

​Nach der Schlappe in Barcelona musste sich Ferrari-Teamchef Mattia Binotto die Frage gestatten lassen, ob der 2019er Ferrari konzeptionell ungeeignet ist. Nun stellt der Italiener fest: «Die Gegner kopieren uns.»

Fünf Rennen, kein Ferrari-Sieg – Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sagte im vergangenen Mai nach dem Grossen Preis von Spanien: «Das war eine hässliche Schlappe. Wir waren überzeugt, dass wir Mercedes näherkommen würden, aber das ist nicht passiert.»

Die Szene strotzte vor symbolischer Kraft. Im Ferrari-Motorhome wartete die Medienschar auf Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Der Italiener kam angefedert und fragte draussen eine Mitarbeiterin: «Ist es kalt drin?» Dann zog er sich einen Pulli an. Das war einerseits nötig wegen der Air-Condition und einer eher frostigen Stimmung. Das war andererseits unnötig, weil die Fragen heiss genug werden würden.

Auf meine Frage, wie er die Konkurrenzfähigkeit von Ferrari einschätze, meinte Binotto: «Unsere Leistungsfähigkeit war enttäuschend. Wir wollten dank unserer Verbesserungen bei der Aerodynamik und am Motor mehr zeigen. Wir wollten an der Spitze mitmischen, das ist nicht passiert. Die Verbesserungen haben sich bewährt. Die Motorleistung stimmt, auf den Geraden sind wir schnell genug. Aber unser Auto schwächelt in Bereichen, die an diesem Wochenende betont worden sind. Es liegt an uns, das besser zu verstehen und auszumerzen.»

«Wir verlieren in allen Kurven Zeit, nicht nur im langsamen, letzten Sektor dieser Strecke. In den langsamen Ecken hat das Auto zu viel Untersteuern. Es geht hier nicht darum, einfach Abtrieb ans Auto zu packen, das Problem reicht tiefer. Es wäre überstürzt, heute zu einem Schluss zu kommen. Das braucht eine gründliche Analyse. Es geht hier um Balance, um Abtrieb, vielleicht sogar um konzeptionelle Fragen. Wir haben hier noch nicht die vollumfängliche Antwort.»

«Was uns heute daran gehindert hat, schneller zu fahren, das sind Grenzen, die uns schon bei den Rennen zuvor aufgezeigt worden sind. Wie lange es dauern wird, unsere Probleme in den Griff zu bekommen, das kann ich nicht sagen. Um solche Schwierigkeiten aus der Welt zu schaffen, musst du sie zunächst im Detail verstehen, dann erst kannst du sie anpacken.»

Der frühere Formel-1-Pilot Marc Surer hatte im Gespräch mit SPEEDWEEK.com vermutet: «Ferrari hat ein konzeptionelles Problem. Wenn der Frontflügel die Luft aussen um die Vorderräder zwingt, dann ist das zur Versiegelung des Luftstroms an den Seitenkästen gut in schnellen und mittelschnellen Kurven, aber es scheint in langsamen Ecken nicht zu funktionieren. Die Aerodynamiker wollen die Wirkung des Unterbodens betonen, indem sie mit geschickt geführtem Luftfluss verhindern, dass Luft seitlich abfliesst. Du willst diese Luft möglichst nachhaltig unterm Auto behalten und zum Heck leiten. Fliesst die Luft seitlich ab, dann verlierst du Abtrieb.»

Frage daher an Mattia Binotto: Hat Ferrari ein Konzeptproblem? Und falls ja, wie dramatisch wäre das? Der Team- und Technikchef meinte: «Ein Drama wäre das nicht. Aber wir müssen erst herausfinden, ob die Probleme etwas mit dem Konzept zu tun haben.»

Tatsächlich dauerte es dann bis nach der Sommerpause, bis Ferrari endlich das erste Saisonrennen gewann. Dann aber hörten die Italiener gar nicht mehr auf: Vier Pole-Positions in Serie für Charles Leclerc, Siege mit dem Monegassen in Belgien und Italien, mit Sebastian Vettel in Sotschi, und Charles und Seb hatten auch in Sotschi das stärkste Auto.

Das Evo-Paket von Singapur hat die Fragen nach einem konzeptionellen Problem von Ferrari schlagartig beendet. Auf einmal ist Ferrari auf jeder Art von Rennstrecke konkurrenfähig. In Russland hat Mattia Binotto gesagt: «Wir haben zeigen können, dass unser Konzept vielleicht doch nicht so falsch gewesen ist. Und ich kann mir gut vorstellen, dass die Gegner derzeit die eigene Fahrzeugphilosophie überdenken. Wir haben für 2020 ein stabiles Reglement. Daher gilt – was immer du jetzt richtig machst, hilft auch für die kommende Saison. Daher haben wir bei der Entwicklung nie den Fuss vom Gas genommen. Wir sind der Ansicht, dass ein tiefes Verständnis des Autos auch von Nutzen ist für die Saison 2020.»

«Was den Frontflügel angeht, so erkenne ich, dass erste Gegner uns kopieren. Jedenfalls mehr als andere Lösungen. Wir sahen einen Sinn darin, ein sehr windschlüpfiges Auto zu bauen, das hilft nicht nur dem Speed auf den Geraden, sondern auch dem Spritverbrauch. Ich hatte nie den Eindruck, wir seien konzeptionell auf dem falschen Dampfer.»

«Es gab andere Gründe, wieso wir nicht so konkurrenzfähig waren wie erhofft. Und man muss auch sehen – es gab einige Gelegenheiten, die wir verpasst oder die uns durch die Finger geschlüpft sind. Hätten wir früher gewonnen, dann hätte es eine Diskussion übers Konzept vielleicht nie gegeben. Wir haben es geschafft, unsere Schwächen auszumerzen, unsere Stärken aber zu behalten. Aus diesem Grund sind wir wieder siegfähig.»

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