Nico Hülkenberg: Versteckte Kritik von Renault
Nico Hülkenberg und Cyril Abiteboul
Renault hat entschieden: Der erfahrene Nico Hülkenberg erhielt keinen Vertrag mehr, stattdessen wird 2020 an der Seite von GP-Sieger Daniel Ricciardo der junge Esteban Ocon in die Formel 1 zurückkehren.
Da ist Feuerwerk programmiert: Ocon giert nach einem Jahr ohne Grand Prix darauf, wieder unter Beweis zu stellen, wie viel er wert ist. Das Talent des 23jährigen Mercedes-Schützlings ist unbestritten, aber der WM-Achte von 2017 wirkt bisweilen über-ehrgeizig. Er legte sich bei Force India (heute Racing Point) mehrfach mit dem Mexikaner Sergio Pérez an. Vielleicht war es genau diese Unruhe im Team, welche Mercedes-Teamchef Toto Wolff dazu erwog, auch 2020 auf Valtteri Bottas neben Hamilton zu setzen. Die Chemie zwischen Bottas und Hamilton stimmt.
Renault-Teamchef Cyril Abiteboul ist nicht naiv. Er ist sich dessen durchaus bewusst, dass es bei den Gelben knallen wird. Im Rahmen der Sendung «Beyond the Grid» auf der offiziellen Formel-1-Seite meint der Pariser über seine Fahrer: «Manchmal hast du im GP-Sport das Problem, dass Leute sehr lange Karrieren haben, und es kann wichtiger werden, einfach in der Formel 1 vertreten zu sein, Gewinnen rückt ins zweite Glied. Das will ich nicht in meiner Firma.»
«Versteht mich nicht falsch, ich spreche nicht über Nico. Aber ich bin davon überzeugt – wenn du 23 bist und am Anfang deiner Karriere stehst, einer Karriere, für die du sehr hart gekämpft hast, dann ist da eine ganz andere Dynamik drin. Das ist jene Form von Dynamik, die ich für unser Team richtig finde.»
Pardon, wir erlauben uns einen Einspruch: Wenn das keine Anspielung auf Nico Hülkenberg ist, auf wen dann?
Abiteboul weiter: «Wenn die Frage lauten würde: Haben wir Esteban genommen und nicht Nico, weil wir Ocon für den besseren Fahrer halten, dann könnte ich das nicht beantworten. Lautet die Frage hingegen: Ist Ocon für die Dynamik im Rennstall besser, dann würde ich das absolut bejahen.»
Natürlich ist Abiteboul nicht entgangen, wie explosiv das Duo Ocon–Pérez bei Force India war. Cyril fährt fort: «Ocon will Ricciardo bezwingen. Es wird knifflig, diese zwei Piloten zu führen. Aber das ist ein Problem, das wir gerne haben.»
Die Teamchefs Toto Wolff (Mercedes) und Cyril Abiteboul (Renault) waren sich eigentlich schon im Frühsommer 2018 einig: Der junge Esteban Ocon sollte als Leihgabe zwei Jahre lang in Gelb fahren und dann die Möglichkeit erhalten, zu Mercedes-Benz zurückzukehren. Dann ging alles schief. Denn es passierte etwas, womit fast keiner im Fahrerlager gerechnet hatte: Daniel Ricciardo hatte keine Lust mehr auf Red Bull Racing und unterzeichnete bei Renault, als Stallgefährte von Nico Hülkenberg. Damit war Ocons Weg zu Renault verbaut.
Der nächste Stolperstein für Ocon: Lawrence Stroll kaufte mit einer Gruppe weiterer Investoren Force India, das Team heisst heute Racing Point. Logisch, dass der Milliardär seinen Sohn Lance dort unterbringen wollte. Damit fiel Esteban zwischen Stuhl und Bank. 2019 verbrachte Ocon als Reservist von Mercedes.
Toto Wolff war verärgert: «Ich mag Cyril. Aber wenn er ein Gentleman mit Handschlagqualität werden will, muss er erst wieder zu einem Gentleman werden. Wir sehen uns alle Optionen an. Esteban ist ein Thema, weil er einer der vielversprechendsten jungen Fahrer ist. Er verdient es, Formel 1 zu fahren.»
Wolff und Abiteboul rauften sich zusammen, Ocon fährt doch noch Renault, einfach mit einem Jahr Verspätung. Er sitzt 2020 und 2021 im französischen Werksrenner, das Band zu Mercedes ist nur noch lose.
Toto Wolff sagt vor dem Singapur-GP: «Wir haben nie den Glauben verloren, dass wir für Esteban eine Lösung finden. Natürlich waren wir damals nicht erfreut, wie sich das alles entwickelt hat, und da rutscht einem halt die eine oder andere Bemerkung heraus. Aber dann muss man nach vorne blicken. So läuft das in diesem Geschäft – es wird mit harten Bandagen gekämpft, aber danach muss man vergeben können. Letztlich habe ich den Respekt vor Cyril oder Renault nie verloren.»
Abiteboul zeigt Reue: «Natürlich war mir nicht wohl dabei, wie sich die Dinge im vergangenen Jahr entwickelt haben. Es war damals weniger eine Entscheidung gegen Ocon als vielmehr für Ricciardo. Ich möchte nicht auf Details eingehen, aber das ist von unseren zwei Firmen nicht ideal gehandhabt worden. In diesem Jahr lief das besser: Wir waren beiderseits sehr offen darüber, was wir planen und an welche zeitlichen Abläufe wir uns halten. Die Verhandlungen waren durchsichtig und hatten nur ein Ziel – dass Esteban wieder Grand-Prix-Fahrer wird. Ich bin froh, dass wir das gemeinsam geschafft haben.»