History: Vor 50 Jahren – erster Sieg von Jochen Rindt
Warum erlebte Österreich in den späten 60er eine erste Welle der Motorsport-Euphorie? Die Antwort heißt einfach Jochen Rindt. Der 1942 in Mainz geborene Sohn einer Österreicherin und eines Deutschen war zeitlebens deutscher Staatsbürger. Doch weil seine Eltern schon 1943 bei einem Luftangriff auf Hamburg ums Leben kamen, wuchs der Waise bei den Großeltern in Graz auf.
Jochen sprach steirischen Akzent, besuchte in Graz und Bad Aussee die Schule und begeisterte sich früh für den Automobilrennsport – den er immer mit österreichischer Lizenz bestritt. Und der seine Herkunft, auch als er längst am Genfer See residierte, nie leugnete.
Rindt war aufgrund seines wagemutigen Fahrstils für viele ein Verrückter. Doch sein immenses Talent wurde auch bald erkannt, im Motorsportzentrum Großbritannien noch viel mehr als in der Heimat.
In der Formel 2 schaffte Rindt 1964, also mit 22 Jahren, durch einen Sieg in Crystal Palace über Weltmeister Graham Hill den Durchbruch.
Beim ersten Formel-1-WM-Lauf von Österreich auf der Zeltweger Flugplatzbuckelpiste debütierte er noch im gleichen Jahr, schied aber mit Lenkungsbruch am Brabham-BRM aus.
Doch ab 1965 war Rindt eine fixe Größe in der Formel 1, der Überraschungssieg im Ferrari-Sportwagen des privaten North American Racing Teams (NART) mit Masten Gregory in Le Mans in diesem Jahr machte ihn endgültig zum österreichischen Sportidol.
1965 fuhr er seine erste volle F1-Saison für Cooper, schaffte auf dem Nürburgring als Vierter seine ersten WM-Punkte.
1966, wieder auf Cooper, punktete Rindt schon in sechs der neun WM-Rennen und wurde zwei Mal Zweiter (Spa-Francorchamps, Watkins Glen), womit er die WM auf dem dritten Rang beendete.
Im dritten Jahr bei Cooper waren 1967 zwei vierte Plätze die magere Ausbeute – es folgte der Wechsel zu Brabham, was sich für Rindt bald als Fehlentscheidung herausstellen sollte: In zwölf Rennen schied er zehn Mal aus, wurde zwei Mal Dritter. Was ihn trotz seiner ersten beiden Pole-Positions zu einem neuerlichen Teamwechsel bewog, und er entschied sich für das Weltmeister-Team Lotus von Colin Chapman, das 1968 mit Graham Hill den Champion stellte und auch díe Konstrukteursmeisterschaft gewann.
Was ihn in der Equipe aus Hethel/Norfolk erwartete, fasste Rindt in einem legendären, fast prophetischen Satz zusammen: «Bei Lotus kann ich Weltmeister werden oder sterben.»
Der geniale, aber kein Risiko scheuende Konstrukteur Chapman war für Rindt die größte Chance, den Titel zu gewinnen. Dass sich beide Vermutungen bestätigen sollten, war eine makabre Erfüllung.
Rindts unaufhaltsam steigende Popularität und die Begeisterung der Fans hatten längst die Pläne für eine permanente Rennstrecke in Österreich reif werden lassen. Doch es gab zwei Fraktionen, die einander konkurrenzierten: Die Steirer, welche die Tradition Zeltweg mit dem nahe dem Fliegerhorst errichteten Österreichring aufrecht hielten, und das Projekt Salzburgring mit dem Wiener ÖASC und Salzburger Funktionären sowie britischer Unterstützung im Hintergrund.
Der Wettlauf endete mit zwei Monaten Vorsprung für die Steirer, denn im Juli 1969 feierte der Österreichring Premiere, im September der Salzburgring. Und die Steirer hatten sich bei der nationalen Sportkommission die Austragungsrechte eines F1-GP von Österreich langfristig zusichern lassen. Wie auch immer: Ohne Rindt-Euphorie wären beide Strecken kaum realisiert worden.
Der Wechsel zu Lotus und die erstmalige Position eines Mitfavoriten zahlten sich für Rindt vorerst nicht aus: Ausfall in Kyalami wegen der Benzinzufuhr, schwerer Unfall in Barcelona auf dem Montjuich-Kurs wegen der gebrochenen hochbeinigen Heckflügel (wie auch bei Teamkollegen Graham Hill), wegen der Prellungen und anderer Blessuren kein Start in Monaco. Ausfall in Führung in Zandvoort wegen gebrochener Antriebswelle. In Clermont-Ferrand musste Rindt gar aufgeben, weil ihn Schwindelanfälle plagten.
Von der Pole reichte es in Silverstone zumindest für die ersten Punkte im Lotus (Rang vier), die WM-Hoffnung freilich war längst vorbei, nachdem Jackie Stewart im Tyrrell-Matra fünf der ersten sechs Rennen gewonnen hatte. Doch der britische GP hatte mit dem rundenlangen Duell Stewart gegen Rindt an der Spitze enorme Dramatik, die erst vorbei war, als der Grazer knapp vor Schluss wegen eines losen Heckflügels einen Boxenstopp einlegen musste.
Der deutsche GP auf dem Nürburgring war überschattet vom tödlichen Unfall von Gerhard Mitter in einem Formel-2-BMW am Freitag, Rindt schied im Rennen wegen Zündungsproblemen neuerlich aus. Monza wurde zur Windschattenschlacht mit acht Autos im Spitzenpulk, am Ende siegte Stewart acht Hundertstelsekunden vor Rindt, der seine sechste Qualifikationsbestzeit erzielt hatte. Nach Platz 3 in Mosport (Kanada) kam Rindt mit mehr Zuversicht nach Watkins Glen.
Die brauchte er auch, denn in einigen britischen Medien war schon gefragt worden, ob Rindt ewiger Pechvogel oder doch ein potenzieller Champion sei.
Rindt holte die Pole, lieferte sich anfangs wie in Silverstone ein Rad-an-Rad-Duell mit Stewart, den später ein Motorschaden zur Aufgabe zwang. Rindt führte unangefochten, doch niemand schloss ein spätes Drama aus, denn der US-GP ging über 108 Runden und endete erste nach knapp zwei Stunden – als die verbliebenen Fahrer gerade noch mit den letzten Tropfen Sprit ins Ziel kamen.
Rindt hatte dank klarer Führung seinem V8-Cosworth nur mehr maximal 9500 (statt 9800) Touren zugemutet.
Am Ende blieb für Team Lotus Triumph und Drama, wie so oft: Während Rindt in seinem 50. Grand Prix den ersten Sieg mit seinem besten Freund, dem zweitplatzierten Piers Courage feiern konnte, verunglückte Hill schwer: Bei einem Überschlag wurde er aus dem Wagen geschleudert und brach sich beide Beine.
Zyniker meinten sofort, Rindt habe mit seinem Premierensieg genau auf dieses Rennen gewartet: Denn der Grand Prix in den hintersten Wäldern des Staates New York war damals der einträchtigste, mit 50.000 Dollar Preisgeld für den Sieger (heute rund 350.000 Dollar), wozu noch 3000 für Pole und schnellste Runde kamen.
«Ich glaubte erst an den Sieg, als ich meine letzte Runde begann», gestand Rindt, «und auch da war ich mir nicht sicher, was nicht noch brechen könnte.»
Es war der 5. Oktober 1969.
Rindt feierte ohne Gattin Nina, die aus Spargründen in der Schweiz geblieben war, aber mit seinem besten Freund Courage.
Siebeneinhalb Monate später, am 21. Juni 1970, siegte Rindt im holländischen Grand Prix mit Tränen in den Augen, als Courage in seinem de Tomaso hilflos verbrannte.
Genau elf Monate später, am 5. September 1970, war auch Rindt tot. Der Lauf mit fünf weiteren Siegen in dieser Saison war in Monza jäh zu Ende.
Rindt wurde als einziger Formel-1-Fahrer posthum Weltmeister.
Und blieb ein Idol vieler Generationen.