Ducati in der Formel 1: Geschichte ohne Happy-End
Die Rennhistorie verblüfft uns immer wieder aufs Neue. Das findet auch der australische Fotograf Phil Aynsley. Bei der Recherche für ein Buch über Ducati stolperte der Australier im Werk über einen V8-Motor, den er nicht recht einordnen konnte. Und das will etwas heissen, denn Aynsley kennt sich mit Ducati-Triebwerken sehr gut aus. Die Antwort liess seine Kinnlade herunterklappen, denn in der Versuchsabteilung von Ducati stand – ein Formel-1-Motor!
Ebenfalls wenig bekannt: Ducati baute 1946 den Prototypen eines Zweisitzer-Autos, einen Kleinwagen, der intern DU4 genannt wurde, ausgerüstet mit einem 250-ccm-Motor und Vierganggetriebe. Letztlich entschied sich die Firmenleitung gegen den Bau von Autos, es blieb bei diesem einen Prototypen.
Knapp zwanzig Jahre später wurden in der Formel 1 neue Regeln eingeführt: Nach sieben Jahren mit 2,5-Liter-Motoren wurde umgestellt – ab 1961 waren neu 1,5-Liter-Triebwerke vorgeschrieben. Der Motorsport-Weltverband wollte die Autos langsamer machen, die Anzahl schwerer Unfälle hatten sich gehäuft, alleine 1960 starben in der Formel 1 Harry Schell, Chris Bristow und Alan Stacey.
Ducati-Chefkonstrukteur Fabio Taglioni fand der Wechsel auf 1,5-Liter-Motoren unwiderstehlich. Zusammen mit einem kleinen Team aus Firmenchef Giorgio Monetti, Carlo Maserati (OSCA), Rino Gilli und Giuseppe Gironi wurde ein V8-Motor ausgeheckt, der 1961 in ein OSCA-Chassis hätte eingebaut werden sollten.
OSCA stand für «Officine Specializzate Costruzione Automobili», eine Firma der Brüder Maserati, die 1947 in San Lazzaro di Savena bei Bologna gegründet worden war. Es war ein Neuanfang für Bindo, Ernesto und Ettore Maserati, welche bei der Firma mit dem eigenen Namen ins wirtschaftliche Abseits geraten waren.
OSCA baute Sport- und Formelwagen, einige im eleganten Design des Karossiers Pietro Frua. In der Sportwagen-WM wurde OSCA 1954 und 1961 immerhin Gesamtvierter.
Auch die Brüder Maserati wollten das neue Reglement nutzen, um in der Formel 1 mit OSCA durchzustarten.
1968 führte Ducati in den Serientriebwerken die Desmodromik ein, eine Zwangssteuerung der Ventile. Im Formel-1-Motor, der sieben Jahre zuvor entstanden war, war sie bereits eingebaut. Als Leistung wurden auf dem Prüfstand solide 170 PS erreicht. Dafür musste sich bei Ducati niemand schämen. Der Klassenbeste Ferrari brachte es auf 190 PS, die Konkurrenz aus England hinkte leistungsmässig hinterher.
Was aber ging schief? Wieso taucht Ducati heute in keiner Formel-1-Statistik auf?
Die Brüder Maserati hatten sich bei OSCA finanziell übernommen, das geplante Formel-1-Chassis wurde nie gebaut. Ergo wurde der Ducati-V8 nie in einen Einsitzer eingebaut. Eine Partnerschaft mit einem anderen Rennstall kam für Ducati nicht in Frage.
Der Schritt in die 1,5-Liter-Formel machte die Formel 1 mitnichten sicherer: 1961 kamen bei Unfällen Shane Summers, Giulio Cabianca und Wolfgang Graf Berghe von Trips ums Leben.
Der Unfall des Italieners war skurril. Giulio Gabianca war 38 Jahre alt, als er an einem Juni-Tag im Aerautodrom von Modena seinen Cooper-Ferrari testete. Aerautodrom deshalb, weil das Gelände auch eine Landebahn aufwies.
Cabiancas Erfolgsbilanz im Monoposto war überschaubar: Vier Mal zu einem Grand Prix angetreten, drei Mal qualifiziert, aber immerhin Vierter im Italien-GP 1960 von Monza, im privaten Cooper-Ferrari der Scuderia Castelotti.
Seine Stärke waren Sportwagenrennen: Die Statistik weist immerhin 16 Siege in 85 Starts aus.
Traurige Berühmtheit hat der Veroneser jedoch durch seine letzten Sekunden erhalten. Beim Test in Modena blieb das Gaskabel des Cooper-Ferrari hängen. Cabianca konnte den Wagen nicht unter Kontrolle bringen und fuhr einen Zuschauer an. Dann schoss der Wagen von der Bahn und durch ein Tor auf die normale Strasse hinaus! Das Tor war wegen Unterhalts-Arbeiten geöffnet worden.
Der Rennwagen raste auf die Via Emilia hinaus, überquerte die Strasse, krachte gegen die Mauer eines Handwerker-Betriebs. Auf dem Weg hatte der wildgewordene Renner ein Fahrrad, ein Motorrad, einen Klein-Laster und drei parkierte Autos gerammt. Der Fahrer des Lasters und des Motorrads waren auf der Stelle tot. Der Mann auf dem Fahrrad wurde von der Ladung des umgekippten Lasters erdrückt. Cabianca selber starb an seinen schweren Verletzungen Stunden später im Krankenhaus. Nur der Zuschauer entlang der Modena-Strecke überlebte, trotz schwerer Beinverletzungen.
Noch tragischer der tödliche Unfall des deutschen Grafen am 10. September 1961. Nach einer Kollision mit dem Lotus von Jim Clark im Italien-GP raste der Ferrari eine Böschung hoch, 15 Zuschauer fanden den Tod, 60 wurden verletzt, von Trips erlitt einen Genickbruch.
Ferrari dominierte die Saison 1961: Von sieben Rennen gewann Ferrari fünf, nur in Monaco und auf dem Nürburgring machte das fahrerische Genie von Stirling Moss den Unterschied und führte zu Siegen des Engländers mit dem von Rob Walker eingesetzten Lotus. Am WM-Finale in den USA, dem achten Rennen des Jahres, nahm Ferrari nach der Tragödie von Monza gar nicht mehr teil.
Der Ducati-Motor für die Formel 1 fand einen prominenten Platz bei der Versuchsabteilung im Ducati-Werk, wo es von Phil Aynsley entdeckt wurde.
Mehr über die Arbeit des Australiers finden Sie auf seiner Seite www.philaphoto.com