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Andy Sutcliffe: «Dann kollidierte ich mit Niki Lauda»

Von Bernhard Fenk
​Es hätte seine grosse Stunde werden sollen: Andy Sutcliffe am Start seines Heim-GP in Silverstone 1977. Aber es kam alles anders. Wie so oft in der ungewöhnlichen Rennkarriere dieses Grenzgängers.

Es ist ein seltsamer Frühling: Die Natur steht bald in voller Blüte und zeigt sich von ihrer schönsten Seite, und die Menschheit sitzt wegen der Corona-Katastrophe weitgehend zuhause, viele von ihnen verlieren geliebte Menschen. Beim Blick aus dem Fenster ist mir Andy Sutcliffe in den Sinn gekommen. Es war geradezu eine perfekte Idylle, als ich 2013 mit dem Engländer in seinem Garten sass, um über seine Motorsportkarriere zu reden. Vor dem kleinen Haus ein See, den er selbst mit dem Bagger geschaffen hatte, rundherum hat alles geblüht, und man konnte leicht erkennen, dass der Gastgeber einen grünen Daumen hat.

Andy meinte lachend, dass die Gärtnerei, wenn man sie so betreibe wie er, gefährlicher sei als der Rennsport seinerzeit. Dazu erzählte er ein paar Geschichten, wie er etwa von Baumstämmen eingeklemmt zu werden und ähnliche Unglücksfälle, die Spuren an seinen Körper hinterlassen haben.

In der Formel-1-WM ist Andy Sutcliffe nur eine Fussnote, selbst GP-Kennern ist der Name so gut wie unbekannt. Der 1947 in Mildenhall (Suffolk) geborene Engländer versuchte, sich 1977 für seinen Heim-Grand Prix in Silverstone zu qualifizieren. Er scheiterte schon in der Vorqualifikation. Sutcliffe war Gelegenheits-Rennfahrer, finanziell nie auf Rosen gebettet, dennoch schlug er sich in den Nachwuchformeln Ford, 3 und 2 beachtlich. Er ist das Paradebeispiel eines Rennfahrers, der sein wahres Potenzial kaum zeigen konnte.

Beim Formel-2-GP von Pau 1974 wurde er Dritter. In der gleichen Saison belegte er den zehnten EM-Rang, obschon er nur sechs Läufe fuhr, dann war wieder mal das Geld alle. Seine Gegner waren damals alles spätere GP-Asse – Patrick Depailler, Hans-Joachim Stuck, Jacques Laffite, Jean-Pierre Jabouille, Patrick Tambay, Tom Pryce, John Watson.

Seiner Karriere war geprägt von chronischem Geldmangel und fehlenden Sponsoren, am Speed fehlte es nicht. «Ich hatte 1973 einen guten Einstand in der Formel 2, als ich beim Rennen im schwedischen Karlskoga die Chance erhielt, mit dem Werks-March von Mike Beuttler an den Start zu gehen. Ich fuhr also nach Schweden hoch, hatte dieses Auto noch nie zuvor gesehen und war schneller als Ronnie Peterson. Da gingen im Fahrerlager einige Augenbrauen hoch. Ich wurde im ersten Rennlauf Dritter, dann liess mich der Motor im Stich.»

Die Leistung in Schweden führte zu seiner Zeit bei Brian Lewis Racing 1974. Dort hiess sein Teamkollege Bill Gubelmann, der Amerikaner verfügte über die nötigen finanziellen Mittel, nicht aber das erforderliche Talent. «Nach einem Rennen, in dem ich ihn zwei Mal überrundet hatte, sah ich, wie man ihn aus dem Auto zerren musste. Er war übergewichtig, aber er hatte die Kohle.»

Ein besonderes Rennen für hoffnungsvolle Nachwuchsrennfahrer war immer der Formel-3-Grand Prix in Monaco, wo sich Sutcliffe an Zeiten erinnern konnte, als 96 Fahrer zur Qualifikation gemeldet waren.

«Vier Mal war ich bei der Formel 3 in Monaco dabei. Beim ersten Mal hatte ich eine Kollision mit einem gewissen Niki Lauda, beim zweiten Mal qualifizierte ich mich als Sechster und wurde Vierter. Beim dritten Monaco-Rennen lag ich hinter Patrick Depailler, und es war nass. Die Streckenposten schwenkten die blaue Fahne, aber ich wusste nicht einmal, was diese Flagge bedeutete! Ich dachte, die Streckenposten wären Franzosen und wollten nicht, dass ich Patrick überhole, dabei wäre das ganz leicht gewesen.»

«Hinter uns lagen Colin Vandervell und Tony Trimmer mit diesen unfassbar guten Goodyear-Reifen, die wie Uhu auf der Straße klebten, sie zogen an uns vorbei. Weil ich die Regeln nicht kannte, blieb ich hinter Depailler. Ich hätte wohl besser mal Regelbuch gelesen. Ich wurde also Vierter, statt auf dem Siegerpodest zu stehen.»

Wie gefährlich Motorsport zu der Zeit war, erlebte er gleich in seiner ersten Formel-3-Saison 1970, als im französischen Rouen beim Rennen zuerst Denis Dayan und später Jean-Luc Salomon starben.

Sutcliffe war zum Zeitpunkt der Unfälle bereits zu Fuß am Weg zur Box zurück, sein Auto hatte ein Rad verloren. «Aber so waren damals eben die Rennen, es war um ein Vielfaches gefährlicher.»

Der Höhepunkt seiner Karriere hätte der Formel-1-Start 1977 beim britischen Grand Prix werden sollen. Andy konnte mit dem Auto, einem March 761 des RAM-Teams an der Vorqualifikation teilnehmen. Leider ist dort sein Motor gleich in die Luft gegangen, und das war auch gleich der Schlusspunkt seiner Einsitzerkarriere. «Ohne diesen Schaden hätte ich es ganz bestimmt geschafft, mich für das Rennen zu qualifizieren.»

Aber Rennsport konnte auch Spaß machen. So erinnerte sich Sutcliffe an ein Rennen in der britischen Porsche 924-Meisterschaft: «Ich fuhr gegen David Purley. Wir alberten herum, stießen alle paar Minuten aneinander, nur aus Jux, und versuchten, das Publikum so gut als möglich zu unterhalten. Unsere Porsche stammten direkt von der Straße, alle anderen Autos, wie zum Beispiel das von Tony Dron, waren Werkswagen. Am Ende des Rennens sagte der Kommentator: ‚Der Gewinner ist Andy Sutcliffe oder David Purley und der Zweitplatzierte ist Andy Sutcliffe oder David Purley!‘ Niemand mehr blickte auf die Werkswagen, wir haben allen die Schau gestohlen.»

Auf die Frage, ob er noch Kontakt zu Fahrern aus seiner Zeit hätte, verneinte Sutcliffe, «denn viele sind gestorben. Doch ich erinnere mich gerne an Alan Jones, der liess mich jeweils am Boden seines Hotelzimmers schlafen, weil ich mir keine Unterkunft leisten konnte.»

Sutcliffe erzählte eine Anekdote über einen Superstar: «Als Emerson Fittipaldi 19 Jahre alt war, wurden meinen Eltern Emersons Bruder und deren Eltern vorgestellt. Emersons Mutter sprach perfektes Englisch und erzählte, dass Emerson ihr jüngster Sohn sei. Er war gleich alt wie ich. Als er 23 Jahre alt war, gab er allerdings noch immer vor, 19 zu sein. Emerson war also vier Jahre lang 19!»

Anfang der 80er Jahre reiste Andy Sutcliffe nochmals nach Monaco, danach hat er keine Autorennen mehr besucht. Aus der Formel 1 der Neuzeit gefiel ihm Kimi Räikkönen am besten, da der Finne sich kaum etwas sagen lässt. «Es gefällt mir, wenn einer seinen Weg geht und sich nicht ständig vom Team sagen lässt, was er zu tun und zu lassen hat.»

Zum Abschied meinte Andy Sutcliffe, ich solle doch in einem Jahr wieder vorbeikommen, denn dann sei der See fertig. Allen Fans solle ich ausrichten, es gehe ihm gut, er werde den Krebs besiegen. Leider kam es anders. Andy Sutcliffe verstarb 2015.

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