Formel 1: So geht es mit Sergio Perez weiter

Daniel Ricciardo: «Diese Gegner hat man unterschätzt»

Von Vanessa Georgoulas
Um sich die Wartezeit bis zum F1-Saisonstart zu verkürzen, hat sich Daniel Ricciardo vorgenommen, jeden Monat eine Kolumne zu schreiben. In seinem ersten Stück befasst er sich mit seinen fünf verkanntesten Gegnern.

Renault-Werkspilot Daniel Ricciardo nutzt die Coronavirus-Zwangspause, um sich seinen Fans etwas besser vorzustellen. Der Australier, der aktuell zuhause in Perth weilt, nutzt dazu seine Schreibkünste: In einer Kolumne, die monatlich auf seinen Social-Media-Kanälen erscheinen soll, plaudert der fröhliche Lockenkopf über Racing, das Leben neben der Strecke, Musik und andere Sportarten. Und das erste Stück dreht sich um seine Rivalen.

Ricciardo schreibt: «Kein Racing, ja, das nervt. Aber wenigstens können wir noch übers Rennfahren sprechen. Kürzlich wurde mir gesagt, dass ich seit meinem F1-Aufstieg 2011 gegen 62 verschiedene GP-Piloten gefahren bin, was mich in Erinnerungen schwelgen liess. Könnte ich alle benennen? Es gab einige Namen auf dieser Liste, an die ich schon lange nicht mehr gedacht habe. Kann ich die drei Rennfahrer benennen, die bei allen bisherigen 171 GP-Einsätzen von mir auch mit von der Partie waren? An Lewis (Hamilton) und Seb (Vettel) habe ich mich schnell erinnert, es dauerte etwas länger, bis ich auf den dritten Fahrer kam, Sergio Pérez.»

«Das brachte mich auf die Frage: Welches waren meine stärksten Gegner? Die Statistik beantwortet wohl diese rage. Aber welche sind die verkanntesten Jungs, mit denen ich schon auf der Strecke war? Hmmm… Meinungen sind wie Quarantäne-Geschichten in diesen Tagen, jeder hat eine. Deshalb präsentiere ich hier in zufälliger Reihenfolge fünf Formel-1-Kontrahenten, die meiner Meinung nach von innen betrachtet besser waren, als es die Öffentlichkeit wahrgenommen hat», fügt der siebenfache GP-Sieger an.

Marcus Ericsson

«Marcus war schon immer ziemlich flott, bereits auf dem Weg zur Formel 1 überzeugte er. Wie er etwa 2009 im F3-Klassiker von Macau die Pole holte – da bist du kein Sonntagsfahrer, wenn du das schaffst. Sechs Fahrer aus dem damaligen Feld schafften es in die Formel 1. Als Junior war Max ein sehr hoch geschätzter Fahrer und ich habe das Gefühl, dass sich dieser Ruf in der Formel 1 nicht gehalten hat. Der Speed war aber definitiv vorhanden. Das konnte man zu Beginn der 2018er-Saison gegen Charles (Leclerc) auch sehen. Aber im Verlauf des Jahres konnte sich Charles als Rookie offensichtlich verbessern und seither hat er bewiesen, dass er einer der Top-Piloten im Feld ist. Aber ich habe das Gefühl, dass der Speed von Marcus ein bisschen verkannt wurde», lautet die Einschätzung des 30-Jährigen.

Jules Bianchi

«Es ist nicht so, dass Jules verkannt wurde, wir werden ihn aber nie in einem Top-Auto sehen, deshalb realisieren einige Leute vielleicht nicht, wie gut er geworden wäre. Man denke nur an seine Fahrt im Marussia in Monaco anno 2014, als er die ersten Punkte für das Team holte... Monaco ist wie Macau, du hast keine Chance, dort zufällig ein gutes Resultat zu erringen, er hat sich das ohne jeden Zweifel verdient. Im Kart war er eine Klasse für sich. Wir haben uns beim Training bei Formula Medicine in Viareggio in Italien getroffen, und jeder behandelte ihn schon damals, als wir noch alle 17 Jahre jung waren, als wäre er bereits ein Formel-1-Pilot», erinnert sich Ricciardo an den jungen Franzosen, der 2014 nach seinem schweren Unfall von Suzuka verstorben ist.

«Ich habe Jules kennengelernt und wir wurden Freunde, und ich erfuhr schnell, wer er war und was er gemacht hat, bevor ich nach Europa gekommen bin. Es ist ein weiterer Grund, warum die Geschichte so traurig ist, denn er wäre mittlerweile sicherlich in einem Top-Team und hätte bestimmt auch schon Siege eingefahren. Auf gewisse Art und Weise macht Charles nun das, was Jules gemacht hätte, es ist, als ob Charles mit seinen Erfolgen nun die verzögerte Version dessen erlebt, was Jules geschafft hätte», erzählt der frühere Red Bull Racing-Star.

Vitantonio Liuzzi

«Mein erster Teamkollege», hält Riccardo mit Blick auf den Italiener fest. «Wie die Leute sagen, war er einer der besten Kartfahrer, die diese Welt jemals gesehen hat. Selbst für mich, der in Australien Kart fuhr, war Liuzzi in allen Magazinen das Gesicht, das man in Werbungen und überall sonst sah. Er war wie der Schumacher des Kartfahrens jener Zeit. Er kam in die Formel 1 und entwickelte sich immer weiter, doch es ging für ihn in der Formel 1 nie wirklich auf. Er war aber schnell, und als Rookie auf seinen Platz bei HRT zu übernehmen, hat mir auch ein wenig die Augen geöffnet», gesteht er.

«Er stand da schon am Ende seiner Formel-1-Karriere und ich muss gestehen, dass ich ihn vielleicht etwas unterschätzt habe, weshalb ich von seinem puren Speed kalt erwischt wurde. Sein Renntempo war wahrscheinlich nicht gut genug, aber seine Fähigkeit, das Auto auf einer schnellen Runde zu pushen, hat sicherlich meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich kann mich noch an das Qualifying in Budapest in meiner Debütsaison 2011 erinnern, als ich dachte, ich hätte eine super Runde hinbekommen, und er mich trotzdem in den Schatten stellte. Da dachte ich mir: ‚Okay, dieser Typ ist schnell‘. Was den puren Speed angeht, den hatte er zu 100 Prozent.»

Roberto Merhi

«Zwei Marussia-Fahrer sind in meiner Fünferliste vertreten! Das hätte man nicht erwartet. Merhi hat nur ein Jahr in der Formel 1 bestritten, 2015, aber bereits 2007 fuhren wir in der italienischen Formel Renault gegeneinander, nachdem ich nach Europa gekommen bin. Wir waren die beiden starken Rookies in jenem Jahr, obwohl wir nicht das beste Material hatten, deshalb fiel er mir sofort auf», sagt Ricciardo über den 29-jährigen Spanier.

«Im darauffolgenden Jahr bestritten wir mit Valtteri Bottas den Eurocup, dennoch sah ich Merhi als meinen grössten Gegner an. Er war ein bisschen wie Max Verstappen, wenn es um die Fahrzeugkontrolle – er hatte den Speed und den nötigen Mut, um Risiken einzugehen. Aber ich denke, die Probleme begannen, als das Reifenmanagement ein wichtigerer Faktor wurde. Sein Fahrstil passte zu den Formula-Renault-Rennern, denn damit konnte man diese Autos am schnellsten bewegen. Er hat diesen Stil perfektioniert, aber er konnte das in der Formel 1 nicht wiederholen. Die Reifen waren immer supersensibel und sehr viel schwieriger zu handhaben, und ich denke, seine Herangehensweise funktionierte da einfach nicht», vermutet der 29-fache GP-Podeststürmer.

Jenson Button

«Wie kann ein Weltmeister verkannt werden?», fragt Ricciardo schliesslich mit Blick auf seine fünfte Wahl, den 2009er-Champion Jenson Button. «Jenson hatte einige grosse Jahre in der Formel 1, aber ich denke, die Saison 2011, in der er bei McLaren mit fairen Mitteln Lewis Hamilton geschlagen hat, ist der Grund, warum er es in meine Liste schafft. Er konnte ihn auf echten Mutstrecken wie Suzuka schlagen, und sein Renntemo in jenem Jahr... Ich denke, er war 2011 in Bestform. Jenson hat es auch etwas anders als die meisten Gegner gemacht, er hatte eine gute Crew um sich und er war zurückhaltend und pflegeleicht. Er ist immer noch der Beste, den ich bei Mischverhältnissen gesehen habe, wenn die Strecke noch nicht wirklich trocken aber auch nicht mehr nass ist. Sein Sieg in Kanada im Jahr 2011, zwei Rennen bevor ich in die Formel 1 aufgestiegen bin, war eines der besten Formel-1-Rennen überhaupt.»

Zum Schluss gibt es noch zwei Namen, die Ricciardo ehrenhalber erwähnt haben will: Robert Kubica und Paul di Resta. Mit letzterem teilte er die Strecke nur im vergangenen Jahr, als der Pole nach seinem schweren Rallye-Unfall und einer langen Verletzungspause zurückkehrte. «Er war nicht mehr der alte Kubica und wahrscheinlich gibt es eine ganze Generation von Fans, die nicht wissen, wie gut er war.» Zum Schotten sagt er: «Er wurde ein bisschen herumgereicht, aber er war in der Formel 1 immer zuverlässig.»

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