Valtteri Bottas (Mercedes): Am liebsten ein Geist
Valtteri Bottas beim ungewöhnlichen Training
Ein Virus hat die Welt entschleunigt. Die Entdeckung der Langsamkeit (um Sten Nadolnys preisgekröntes Buch zu zitieren) ist besonders für Formel-1-Fahrer schwer verdaulich, denn sie sind einen forschen Rhythmus beim Flugmeilen-Sammeln gewöhnt – Rennen fahren, Auftritte für Sponsoren, Besuche im Rennwagenwerk, Racer sind ständig auf Achse. Nicht so jetzt.
Auch Valtteri Bottas übt sich im Zuhausebleiben, hat allerdings in Finnland erheblich mehr Spielraum als die Menschen in vielen anderen europäischen Ländern. Der 30jährige Mercedes-Fahrer hat sogar zugegeben, dass er mit dem Rallye-Auto und im Kart ausgerückt ist, dazu postete er Fotos von Wanderungen im Wald (samt Lagerfeuer) und zeigte sich bei der Erweiterung seines Trainings-Repertoirs – als Holzhacker.
Der siebenfache GP-Sieger sagt: «Am Anfang habe ich mir ein wenig Sorgen darüber gemacht, dass die Zeit nur langsam vergehen würde. Aber dann habe ich mich darauf konzentriert, optimistisch zu bleiben, du musst Langeweile und Frust verjagen. Dieses sehr besondere Szenario, auf einmal ganz viel Zeit zu haben», so Bottas auf dem YouTube-Kanal von Mercedes, «führt zur seltenen Gelegenheit, sich restlos zu erholen und neue Perspektiven zu gewinnen.»
«Üblicherweise ist eine Formel-1-Saison überaus anspruchsvoll; besonders dann, wenn du von dir selber so viel erwartest. Dazu kommt der Druck von aussen. Dies alles führt zur Gefahr, dass du ausbrennst. Und das gilt nicht nur für Fahrer. Jedes Team-Mitglied kann ein Lied davon singen, wie es ist, den hohen Rhythmus einer GP-Saison zu bewältigen.»
«Es ist ganz wichtig, dass du bisweilen in dich hinein horchst und – wenn du die Chance dazu hast – dass du ein wenig eigennützig bist. Du musst Dinge tun, an welchen du Freude hast, du musst dir Freizeit nehmen, wenn du sie brauchst. Andernfalls bist du 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche auf Formel 1 fokussiert, und das wird nicht gutgehen.»
«Ich weiss, wie das ist. Ich war schon zu sehr auf die Formel 1 fixiert und balancierte am Rande der Erschöpfung. Ich begann, meine Motivation und die Liebe für den Sport zu verlieren. Aber ich habe daraus gelernt und nehme mir jetzt die Zeit, wenn ich weiss, dass mir eine Auszeit gut tut.»
Bottas sagt weiter: «Ich möchte gerne noch einige weitere Jahre Formel 1 fahren. Ich glaube nicht, dass ich schon meine volle Leistungsfähigkeit erreicht habe.»
Der Nordländer blickt auf die Zeit als Kart-Kid zurück: «Als Kind hast du doch keinen Schimmer, wie alles sein wird. Die Opfer kommen erst später. Der schiere Arbeitsaufwand, um es so weit zu bringen, ist schwierig zu erklären.»
Berühmt zu sein, das hat Bottas nie interessiert. «Als Finne weisst du Freiräume zu schätzen. Wenn die Leute anfangen, dich auf der Strasse zu erkennen, dann möchtest du am liebsten unbekannt sein und einfach verschwinden, wie ein Geist. Aber du gewöhnst dich mit der Zeit daran. Wenn du dich in einem so populären Sport engagierst, dann gibt es eben eine Kehrseite der Medaille. Damit musst du umgehen können. Letztlich musst du dir immer vor Augen halten, wie glücklich du sein kannst, einen Job zu haben, von dem du schon als Knirps geträumt hast.»