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Lewis Hamilton: «Ich dachte, mein Herz bleibt stehen»

Von Mathias Brunner
​Formel-1-Champion Lewis Hamilton hat selten ein Rennen auf dramatischere Art und Weise einen Grand Prix gewonnen: Reifenschaden kurz vor Schluss, aber Sieg knapp vor Verstappen gerettet.

«So eine letzte Rennrunde habe ich noch nie erlebt», schnaufte Lewis Hamilton nach seinem 87. GP-Sieg, seinem dritten in Folge 2020, seinem siebten in Silverstone nach 2008, 2014 bis 2017 sowie 2019. Am Mercedes des Weltmeisters verlor der linke Vorderreifen Luft, ausgerechnet in der 52. und letzten Runde, so wie zuvor bei seinem Stallgefährten Bottas. Um ein Haar hätte sich Max Verstappen den Sieg geschnappt!

«Ich dachte, mein Herz bleibt stehen», so Hamilton über jenen Moment, als er sah, wie sein linker Vorderreifen Luft verliert. «Bis zur letzten Runde ist eigentlich alles gut gegangen. Okay, die Reifen waren abgenutzt, aber das ist normal in solch einem Rennen. Valtteri Bottas hatte mich ein Rennen lang in Atem gehalten, vielleicht hat er dabei seinen Walzen zu viel zugemutet, ich weiss es nicht.»

«Jedenfalls hörte ich, dass Valtteri ein Problem mit den Reifen hat. Ich betrachtete meine Walzen in Ruhe und war überzeugt – das fahre ich locker nach Hause. Ich nahm sicherheitshalber Tempo raus. Es gab keinen Grund zur Eile, weil Verstappen dahinter frische Reifen abgeholt hatte.»

«Und dann sah ich zu meinem Entsetzen, wie auch mein Reifen vorne links Luft und dann die Form verliert. Ich dachte, mein Herz bleibt stehen! Ich wusste nicht, was ich dem Reifen noch zumuten konnte, wieviel Speed ich noch fahren durfte, was die Walze in den Kurven aushält, was mit dem Bremsen ist. Der Reifen begann zu zerfallen, aber er ging nicht in Fetzen und zerschlug den Frontflügel, wie das in solchen Momenten auch passieren kann.»

«Ich wusste, dass Verstappen schnell aufholt, mein Renningenieur Bonno hielt mich auf dem Laufenden. Ich wollte nicht zu langsam fahren, um den Sieg zu retten; ich wollte aber auch nicht zu schnell fahren, um den Reifen irgendwie am Leben zu erhalten. Bonno sprach ruhig die Abstände herunter: 30 Sekunden, 19 Sekunden, 10.»

«In Maggotts und Becketts ging es einigermassen, aber in Stowe und Vale schob der Wagen gewaltig über die Vorderräder hinaus. Bonno sagte – neun, acht, sieben. Und dann kam die Ziellinie! Ich glaube nicht, dass ich je mehr Erleichterung gespürt habe, eine karierte Flagge zu sehen. So etwas habe ich noch nie erlebt!»

«Natürlich hatte ich Angst, dass der Reifen auf einmal in Fetzen geht. Ich bin sehr dankbar, dass ich ins Ziel gekommen bin. Als ich auf die Hangar-Geraden ging, hatte ich Bonno im Ohr, der den Abstand zu Max runterzählt. Ich versuchte, Tempo zuzulegen, aber ich sah sofort – das wird der Reifen nicht aushalten. Ich dachte: Wie soll ich es nur durch die letzten Kurven schaffen, ohne zu viel Zeit zu verlieren? Aber am Ende hat es gereicht.»

«Ich hatte die Reifen ständig beobachtet. Und natürlich sah ich den Verschleiss. Aber es gab vor dem Schaden keine Warnung.»

Gab es in der Karriere von Lewis eine Situation, in welcher es kurz vor Schluss ähnlich kritisch wurde? Lewis blättert zurück: «Ich kann mich an ein Formel-Renault-Rennen in Croft erinnern, da brach die Hinterradaufhängung, und durch die Linkskurven hob ein das Vorderrad immer ab. Und ich konnte noch gewinnen. Aber mit einem Reifen hatte ich das noch nie.»

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